Kommentar
17:50 Uhr, 30.05.2022

DAX setzt Erholung fort - Lindner: Inflationsbekämpfung hat oberste Priorität

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  • Russland schränkt Handel mit US-Aktien ein
  • Inflationsrate steigt auf knapp 8 %
  • Preisschock an den Tankstellen
  • Stärkster Anstieg der Importpreise seit 1974
  • ifo Institut: Materialmangel in der Industrie verschärft sich
  • Siemens nach Rekordauftrag aus Ägypten im Blick

Markt

  • Der deutsche Aktienmarkt hat seine jüngste Kurserholung auch zu Beginn der neuen Woche fortgesetzt. „Die Risikoscheu hat sich zuletzt gelegt“, kommentieren die Experten der Landesbank Helaba. Zwar belasteten weiterhin die Sorgen vor steigenden Zinsen und einem nachlassenden Wachstum. Doch da die Investoren schon seit Monaten von Dividendentiteln in Liquidität umschichteten, nähmen die Aktienkurse schon viel Negatives vorweg. Für Aktien spreche, dass es neben den bekannten Belastungsfaktoren auch erste Lichtblicke gebe, so die Helaba weiter. So sei der deutsche ifo-Geschäftsklimaindex im Mai zum zweiten Mal in Folge moderat gestiegen. Damit hätten sich die Rezessionsängste etwas abgeschwächt und die Chancen auf eine Konjunkturerholung im zweiten Halbjahr verbessert, was die Aktienkurse erfahrungsgemäß vorwegnähmen. „Ob die jüngsten Stabilisierungsansätze bereits der Beginn einer Trendwende sind, bleibt abzuwarten“, warnen die Helaba-Experten aber vor zu viel Optimismus. Am Montag stieg der deutsche Leitindex DAX im Handel am Nachmittag zuletzt um 0,67 Prozent auf 14.560 Punkte. Bereits letzte Woche gelang ein Plus von rund dreieinhalb Prozent. Die US-Aktienbörsen bleiben an diesem Montag wegen des Feiertags "Memorial Day" geschlossen.

Chartanalysen & Artikel des Tages

Unternehmen & Branchen

  • Die Aktien zahlreicher US-Unternehmen wie Tesla oder Apple können ab sofort nicht mehr an der russischen Börse gehandelt werden. Die Beschränkung gelte für Anteilsscheine, deren Kauf oder Verkauf nicht mehr über internationale Wertpapierabwickler laufen könne, teilte die russische Zentralbank am Montag laut Reuters mit. Durch die neuen Beschränkungen bleiben die Kunden der spezialisierten Börse SPB zwar Eigentümer ihrer jeweiligen Aktienbestände. Sie haben aber keinen Zugriff auf die Papiere.
  • Die chinesischen Tech-Giganten Alibaba, Tencent und JD.com sind im jüngsten Quartal allesamt so langsam gewachsen wie noch nie zuvor in der jeweiligen Firmengeschichte. Die Null-Covid-Strategie der Regierung und Pekings hartes Durchgreifen im Tech-Bereich forderten ihren Tribut: Seit Herbst 2020 hat China Geldstrafen gegen Unternehmen verhängt und sie wegen angeblicher Monopolpraktiken unter die Lupe genommen. Ein Wiederaufleben von Covid seit März hat das Wachstum zusätzlich unter Druck gesetzt, da Reisebeschränkungen und Hausarrest die Lieferketten und die Logistik gestört haben. Die Gesamteinnahmen des E-Commerces-Riese Alibaba stiegen im letzten Quartal nur noch um 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal - der langsamste Anstieg in der Geschichte des Unternehmens. Der Quartalsumsatz von Tencent veränderte sich kaum, während JD.com einen Anstieg von etwa 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr verzeichnet.
  • Die Potenzpille Cialis von Sanofi hat einen Rückschlag im Zulassungsprozess erlitten. Die US-Gesundheitsbehörde legte klinische Tests, deren Ziel ein Ende der Verschreibungspflicht des Mittel war, wegen Unstimmigkeiten im Studiendesign auf Eis.
  • Der Modehändler Gerry Weber wird dieses Jahr wohl wieder Verluste schreiben. „Die Konsumstimmung hat sich extrem eingetrübt", sagte Firmenchefin Angelika Schindler-Obenhaus am Montag. Das Management geht von einem operativen Verlust im niedrigen einstelligen Millionen-Euro-Bereich aus, nachdem zuvor mit einem Gewinn gerechnet worden war. Auch beim Umsatz wird Gerry Weber vorsichtiger: Lag die Untergrenze der Prognose zuvor noch bei 360 Mio. Euro, so rechnet die Firma nun nur noch mit mindestens 310 Mio. Euro.
  • Die Autohersteller Stellantis und Toyota wollen gemeinsam einen größeren Lieferwagen entwickeln und produzieren. Das Fahrzeug solle Mitte 2024 auf den Markt kommen. Gebaut werden soll der Wagen in den Werken Gliwice in Polen und Atessa in Italien
  • Der Industriekonzern Siemens hat am Wochenende den größten Einzelauftrag seiner Firmengeschichte vermeldet. Zusammen mit zwei Partnern habe man einen Vertrag über den Bau eines Hochgeschwindigkeitssystems in Ägypten unterzeichnet, teilte das Unternehmen am Samstagabend mit. Auf Siemens selbst entfällt dabei ein Auftragswert von 8,1 Mrd. Euro. Geplant ist der Bau eines 2.000 Kilometer langen Hochgeschwindigkeitsnetzes. Siemens Mobility werde 41 Hochgeschwindigkeitszüge, 94 Regionalzüge und 41 Güterlokomotiven liefern. Der Vertrag beinhalte auch Bahninfrastruktur, acht Betriebs- und Güterbahnhöfe sowie einen Wartungsvertrag über 15 Jahre. In der Order sind auch 2,7 Mrd. Euro für eine Strecke enthalten, die bereits im vergangenen Jahr vereinbart worden war.
  • Volkswagen hält trotz vielfacher Kritik an seinem Werk in der Provinz Xinjiang fest. „Ich glaube, dass die Präsenz der SAIC Volkswagen dazu führt, dass sich die Situation für die Menschen verbessert", sagte Volkswagen-Chef Herbert Diess dem Handelsblatt. „Wir reisen dort hin, stellen wie überall auf der Welt sicher, dass unsere Arbeitsstandards durchgesetzt, kulturelle und religiöse Unterschiede respektiert werde." Gäbe es Ansatzpunkte für Vergehen, würde massiv dagegen vorgegangen, sagte Diess. Zuletzt waren neue Berichte über Menschenrechtsverletzungen an der muslimischen Minderheit der Uiguren in der Provinz ans Licht gekommen. VW stand deshalb wiederholt am Pranger, weil die Wolfsburger zusammen mit dem chinesischen Staatskonzern SAIC seit 2013 eine Fabrik in der Provinzstadt Urumqi betreiben.
  • Die norwegische Fluggesellschaft Norwegian hat 50 Boeing-Passagiermaschinen vom Typ 737 Max 8 bestellt. Darauf hätten sich die beiden Unternehmen im Grundsatz geeinigt, teilte Norwegian am Montag mit. Die 50 Flieger sollen zwischen 2025 und 2028 ausgeliefert werden. Die Grundsatzvereinbarung beinhaltet demnach außerdem eine Option zum Kauf von weiteren 30 Flugzeugen.
  • Der Medienkonzern Hubert Burda Media denkt über weitere Zukäufe nach. Burda sei mit seinen vielfältigen Geschäften in Deutschland und international hervorragend aufgestellt und mit seinen Produkten im Alltag der Menschen fest verankert, so Geschäftsführer Martin Weiss. „Wir haben auf diesem starken Fundament die unternehmerische, die kreative und die finanzielle Kraft für Zukäufe und Innovationen und wollen sie nutzen."

Konjunktur & Politik

  • Die US-Notenbank Fed sollte aus Sicht des Fed-Gouverneurs Christopher Waller über den Sommer hinaus die Inflation mit Zinsanhebungen bekämpfen. „Ich bin dafür, die Geldpolitik um jeweils weitere 50 Basispunkte auf mehreren Zinssitzungen zu straffen", sagte der Fed-Direktor auf einer Veranstaltung des Institute for Monetary and Financial Stability in Frankfurt. Er schließe Erhöhungen in dieser Höhe nicht aus, bis die Inflation nachlasse und sich dem Ziel der Fed von 2,0 Prozent nähere.
  • Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat die Inflationsbekämpfung zum "obersten Gebot" bei den Verhandlungen über den Bundeshaushalt 2023 erklärt. "Wir müssen die Inflationsspirale durchbrechen, das hat nun oberste wirtschafts- und finanzpolitische Priorität", sagte Lindner. Die Inflation berge ein enormes wirtschaftliches Risiko und man müsse verhindern, dass daraus eine Wirtschaftskrise oder eine Lohn-Preis-Spirale entstehe, so der Finanzminister.
  • Bundeskanzler Olaf Scholz ist zuversichtlich, dass die EU-Staaten ein Öl-Embargo gegen Russland beschließen werden. „Alles, was ich höre, klingt danach, als ob es einen Konsens geben könnte", sagt Scholz vor Beginn des Sondergipfels der 27 EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel. Alle arbeiteten konstruktiv und mit dem Willen, sich zu einigen.
  • Die Inflation in Deutschland steigt und steigt. Im Mai erreichte die Jahresrate 7,9 Prozent, wie das Statistische Bundesamt nach einer ersten Schätzung mitteilte. Ökonomen hatten eine Steigerung auf durchschnittlich 7,6 Prozent erwartet. Im April hatte die Inflationsrate noch bei 7,4 Prozent gelegen. Die Preistreiber sind die alten: Energie und Nahrungsmittel. So hat sich der Preisanstieg für Nahrungsmittel gegenüber dem Vorjahr von 10,2 Prozent im April auf 12,7 Prozent im Mai beschleunigt. Haushaltsenergie verteuerte sich um 40,1 Prozent, bei Kraftstoffen hat sich der Preisanstieg auf 40,5 Prozent nach 37,4 Prozent im April beschleunigt. Für den Juni stehen könnten politische Eingriffe die Inflation kurzfristig etwas dämpfen. So soll zum 1. Juni die Energiesteuer auf Kraftstoff für drei Monate herabgesetzt werden, zudem soll es für die Bahn günstige 9-Euro-Tickets geben.
  • Die Inflation in Deutschland hat sich im Mai nochmals beschleunigt. Laut den vorliegenden neuen Daten ist mehreren Bundesländern die Schallmauer von acht Prozent durchbrochen worden. In Sachsen, Nordrhein-Westfalen, Bayern und Hessen legten die Verbraucherpreise zwischen 8,0 und 8,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu, wie die Statistischen Landesämter mitteilten. In Baden-Württemberg lag die Teuerungsrate bei 7,4 Prozent. Als Preistreiber erwiesen sich erneut Energie und Nahrungsmittel, die wegen des russischen Krieges gegen die Ukraine erheblich mehr kosten als vor Jahresfrist. Am Nachmittag veröffentlicht das Statistische Bundesamt die Entwicklung der Verbraucherpreise in ganz Deutschland. Ökonomen gehen für Mai von einem Anstieg auf bundesweit 7,6 Prozent aus.
  • Ob der für Mittwoch, den 1. Juni, geplante Tankrabatt bei den Autofahrern in Deutschland überhaupt ankommen und für Entlastung sorgen wird, ist mehr als fraglich. Die Hoffnung schwindet. Denn an den Tankstellen in Deutschland sind vor dem Rabatt die Preise durch die Decke gegangen. Kostete der Liter E10 bundesweit vergangenen Mittwoch im Schnitt bei 2,07 Euro, liegt er heute bei 2,13 Euro. Auch der Dieselpreis stieg in diesem Zeitraum um rund 10 Cent je Liter. Das Bundesfinanzministerium selbst rechnet nicht mit einer schnellen Preissenkung an den Tankstellen. Dort seien die Tanks noch gefüllt mit Kraftstoffen, die im Mai zu den alten Steuersätzen geliefert worden seien, hieß es am Montag laut Reuters aus dem Ministerium. Erst nach und nach würden die Tankstellen ab dem 1. Juni Sprit mit den reduzierten Steuersätzen einkaufen. Der Bund verzichtet in den kommenden drei Monaten auf etwa drei Mrd. Euro an Steuern, um Benzin und Diesel von Juni bis Ende August günstiger zu machen. In diesem Zeitraum wird die Energiesteuer auf das europäische Mindestmaß gesenkt. Rein rechnerisch bedeutet dies bei Benzin 29,55 Cent und beim Diesel 14,04 Cent pro Liter weniger. Plus jeweils die Mehrwertsteuer.
  • Die Stimmung in der Wirtschaft der Eurozone hat sich im Mai stabilisiert. Der Indikator ESI stieg um 0,1 auf 105,0 Punkte, wie die EU-Kommission berichtete. Die Wirtschaftsstimmung entwickelte sich im Mai von Staat zu Staat in unterschiedliche Richtung. In Spanien, Frankreich und Italien verbesserte sich das Klima spürbar, in Deutschland nur leicht. In den Niederlanden trübte es sich dagegen ein.
  • Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hofft darauf, dass sich beim EU-Sondergipfel am heutigen Montag in Brüssel die Mitgliedsstaaten auf ein Öl-Embargo gegen Russland verständigen werden. Es habe am Sonntag und heute Früh harte Gespräche gegeben, sagt Borrell dem Sender France Info, wie Reuters berichtet. Bis Nachmittag könne eine Einigung stehen. Ungarn, der Slowakei und Tschechien müsse mehr Zeit zur Anpassung ihrer Öleinfuhren gegeben werden. Aber laut Borrell wird „am Ende eine Einigung“ stehen. Das Embargo soll Teil des sechsten Sanktionspakets gegen Russland sein.
  • Der Mangel an Material in der deutschen Industrie hat sich wieder verschärft. 77,2 Prozent der Firmen klagten im Mai über Engpässe und Probleme bei der Beschaffung von Vorprodukten und Rohstoffen. Im April waren es 75,0 Prozent. Dies geht aus einer Umfrage des ifo Instituts hervor. „Die Lieferketten stehen unter Dauerstress“, sagt der Leiter der ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. „Die Schließung von Häfen in China hat für viele Unternehmen die Situation weiter verschlechtert.“ Nahezu alle Schlüsselindustrien sind demnach betroffen. Gegenwärtig leidet der Maschinenbau mit 91,5 Prozent am stärksten.
  • Russland versucht nach einigen Rückschlägen in der Ukraine nun mit allen Mitteln, die Region Luhansk vollständig unter Kontrolle zu bringen. Moskau hat deshalb einen großen Teil seiner Truppen rund um die ukrainische Stadt Sewerodonezk zusammengezogen, um diese einzukesseln. Der Gouverneur der Region Luhansk sprach von einer „extremen Eskalation“ der Lage. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat in einer Videoansprache am Wochenende gesagt, sein Land werde wahrscheinlich nicht alle Gebiete zurückerobern können, die Russland kontrolliert. Doch er sei sicher, dass es militärisch möglich sei, alles, was Russland seit dem Beginn der Invasion am 24. Februar unter seine Kontrolle gebracht habe, zurückzugewinnen. Die anderen Gebiete, also die Halbinsel Krim und die sog. Volksrepubliken Donezk und Luhansk, könnten nicht zurück erkämpft werden, das würde zu viele Menschenleben kosten. Für den russischen Außenminister Sergej Lawrow hat die Einnahme des Donbass „bedingungslose Priorität“. Es gehe darum, die ukrainische Armee und Bataillone aus den von Moskau als unabhängige Staaten anerkannten Gebieten Donezk und Luhansk zu drängen, sagte Lawrow dem russischen Außenamt zufolge in einem Interview mit dem französischen Sender TF1.
  • Die Lohnentwicklung in Deutschland hält mit den Preisen nicht mehr mit. Die Tarifverdienste in Deutschland sind im 1. Quartal um durchschnittlich 4,0 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal gestiegen, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Im Ergebnis berücksichtigt sind tarifliche Grundvergütungen und durch Tarifabschlüsse festgelegte Sonderzahlungen. Der Anstieg ohne Sonderzahlungen lag den weiteren Angaben zufolge im Vorjahresvergleich bei 1,1 Prozent. Im gleichen Zeitraum stiegen die Verbraucherpreise um 5,8 Prozent.
  • Der Preisauftrieb aus dem Außenhandel setzt sich mit aller Schärfe weiter fort. Die Preise für nach Deutschland importierte Waren sind im April um 31,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Eine höhere Vorjahresveränderung hatte es zuletzt im September 1974 im Rahmen der ersten Ölkrise gegeben. Im März hatte die Veränderungsrate gegenüber dem Vorjahr bei 31,2 Prozent gelegen, im Februar bei 26,3 Prozent. Gegenüber dem Vormonat März stiegen die Importpreise im April um 1,8 Prozent. „Die aktuellen Daten spiegeln auch die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine wider“, so das Bundesamt.
  • Deutschland hat seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine aus Vermögen russischer Oligarchen auf deutschen Konten inzwischen fast 143 Mio. Euro eingefroren. Dies berichtet die „Bild“ unter Berufung auf Angaben des Bundesfinanzministeriums. Der Wert konfiszierter Vermögen lag demnach Ende Februar kurz nach Beginn des Krieges bei 342.000 Euro. Bis 21. März meldeten deutsche Geldinstitute der Bundesbank bereits rund 95 Mio. an Oligarchen-Geldern als eingefroren.

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