Kommentar
00:30 Uhr, 16.05.2007

<b style="mso-bidi-font-weight: normal">Was man aus einem Verlust lernen kann</b>

Es gibt zahlreiche Bücher in denen es darum geht, wie man an den Märkten Geld verdient. Einige von Ihnen sind sogar von Personen verfasst worden, die als Trader tatsächlich Geld verdient haben! Was Sie jedoch nur selten zu Gesicht bekommen, sind Artikel und Bücher, in denen es darum geht wie man Geld verliert. „Begrenze deine Verluste und lasse deine Gewinne laufen“ ist eine allgemeine Weisheit. Doch wie bestimmt man, wann eine Position zum Verlierer wird? Interessanterweise haben die meisten Trader, die ich bisher getroffen habe keine Antwort auf diese Frage formuliert, wenn sie eine Position eingehen. Sie konzentrieren sich auf den Einstieg, haben jedoch keine eindeutige Vorstellung vom Exit – speziell, wenn dieser Exit zur Folge hat, dass sie einen Verlust realisieren müssen.

Ich denke, dass einer der Schlüsselfaktoren darin liegt, dass Trader große Schwierigkeiten haben die Realität eines Verlusttrades von dem psychologischen Gefühl ein Verlierer zu sein zu trennen und zu unterscheiden. Bis zu einem bestimmten Maße setzen Trader verlieren mit Verlierer sein gleich. Dies führt zu Frustration, Depression und Angst – es führt also kurz gesagt zu Überschneidungen mit ihren zukünftigen Entscheidungsfindungen. Ihre Gewinn- und Verlustrechnung wird also zum Blankoscheck gegenüber ihrem Selbstvertrauen. Wenn sich ein Trader erst einmal auf sich selbst und nicht auf den Markt konzentriert, dann sind Störungen in seinem Entscheidungsfindungsprozess unvermeidbar.

Eine Sektion im Klassiker „Reminiscences of a Stock Operator“ von Jesse Livermore beschreibt einen seiner Ansätze vom Kauf von Aktien, und ist für mich von besonderem Wert. Er beschreibt, dass er immer wieder Verkaufsdruck auf Aktien ausübt, um zu sehen, wie sich der Kurs der Aktie darauf hin verhält, wie es also mit der Nachfrage aussieht. Wenn seine Verkäufe nun also nicht zu fallenden Kursen führen, dann baut er sehr aggressiv Longpositionen auf, um so Geld zu verdienen.

Was mir an dieser Methode besonders gefallen hat, ist, dass Livermores Verluste Teil eines größeren Plans waren. Er hat nicht einfach nur Geld verloren; er hat für Informationen bezahlt. Läge meine maximale Positionsgröße nun bei 10 Kontrakten, dann würde ich das Hoch einer Range mit einem Kontrakt kaufen, und einen Ausbruch erwarten, also die Situation ausloten. Obwohl ich den Markt wohl nicht in einem Ausmaß bewegen kann, wie es Livermore tun würde, hätte ich dennoch mit einem Test meiner Ausbruchshypothese begonnen. Danach beobachte ich das Geschehen ganz genau. Wie bewegen sich andere Aktien gerade am oberen Ende einer Preisspanne? Wie verarbeitet der Markt die Aktivitäten von Verkäufern? Wie jeder gute Wissenschafter sammle auch ich Informationen um Aufschluss darüber zu bekommen, ob meine Hypothese unterstützt wird oder nicht.

Nehmen wir also an, dass der Ausbruch nicht von Dauer ist und die kurzfristige Bewegung über die Spanne inmitten verstärkten Verkaufsdrucks wieder in die ursprüngliche Range zurückfällt. Ich realisiere also meinen Verlust der 1 Kontrakt Position. Was passiert aber danach?

Der erfolglose Trader würde mit Frustration darauf regieren: „Warum kaufe ich jedes Mal zum Hochkurs? Ich kann einfach nicht glauben, dass „DIE“ schon wieder den Markt gegen mich bewegt haben! Diesen Markt kann man ganz einfach nicht handeln.“ Aufgrund dieser Frustration – und der damit verbundenen Fokussierung auf sich selbst – nimmt der erfolglose Trader keinerlei Informationen aus diesem Trade mit.

Bei Livermores Methode jedoch, betrachtet der erfolgreiche Trader die 1-Kontrakt Verlustposition als Teil eines größeren Plans. Wäre es tatsächlich zu einem schönen Ausbruch nach oben gekommen, dann hätte er nach und nach seine Position vergrößert und vermutlich Geld mit dem Trade verdient. Wäre die 1 Kontrakt Position jedoch ein Verlierer gewesen, dann hätte er ganz einfach für die Information bezahlt, die er dafür erhalten hat. Und zwar, dass es sich hier um einen Seitwärtsmarkt handelt, in dem er vielleicht ein Verkaufssignal für das Eingehen einer Shortposition ausfindig machen kann, die er dann am unteren Ende der Spanne wieder glatt stellt und einen netten Profit einstreicht.

Betrachten Sie es ganz einfach so: Wenn Sie einen Trade eingehen, der eine sehr hohe Trefferquote hat, und der Trade dennoch ein Verlierer wird, dann haben Sie ganz einfach für sehr wichtige Informationen bezahlt: Dieser Markt bewegt sich nicht so, wie er es normalerweise, historisch betrachtet tut. Wenn eine bestimmte Fundamentalnachricht veröffentlich wird, die normalerweise zu einem starken Anstieg des Dollars führt, zu keinen weiteren Bewegungen führt, und so eine Position von Ihnen verhindert, dann haben Sie ganz einfach sehr nützliche Informationen erhalten: Es liegt grundsätzlich ein Mangel an Nachfrage für den Dollar vor. Diese Informationen können wesentlich mehr Profitpotential bieten, als es der einzelne Trade getan hätte.

Ich habe erst kürzlich einen Artikel des Futures Magazine über den in Ruhstand gegangenen Trader Everett Klipp gelesen, der als „Babe Ruth der CBOT“ bezeichnet wurde. Klipp hob sich selbst nicht nur durch seinen 50 jährigen Track Record seines Tradingerfolgs hervor, sondern auch durch sein Mentorendasein für mehr als 100 Trader. Als er über seine Beobachtungen bezüglich seines System über kurzfristiges Trading sprach, meinte er „Sie müssen es lieben Geld zu verlieren, und hassen Geld zu verdienen um erfolgreich zu sein…was ich lehre und tue ist konträr zur menschlichen Natur. Sie müssen ihre Menschlichkeit ablegen.“

Klipps System bestand darin schnell Profite zu realisieren (daher die Idee es zu hassen Geld zu verdienen), jedoch noch schneller Verluste zu realisieren (also die Idee es zu lieben Geld zu verlieren). Klipp betrachtete Verluste also nicht als Bedrohung, sondern als einen essentiellen Teil von Trading. Einen kleinen Verlust zu realisieren, führte seiner Meinung nach dazu, dass ein Trader sich stärker auf seine Disziplin und seine Kontrollen konzentriert. Verluste haben nichts mit Versagen zu tun.

Ich habe hier nun also eine Frage für all jene, die einen Trade mit hoher Trefferquote eingehen: „Was wird mich darauf hinweisen, dass mein Trade falsch gelaufen ist, und wie kann ich diese Information nutzen um daraus Profit schlagen zu können?“ Wenn Sie gut traden, dann gibt es keine Verlusttrades: Es gibt nur Trades die Geld verdienen und welche die Ihnen Informationen liefern, mit denen Sie später Geld verdienen können.

TJ-Fazit:

Trader haben oftmals Probleme Verlustpositionen als das zu akzeptieren, was sie sind. Stattdessen glauben sie, dass sie selbst Verlierer wären.

Autor: Brett N. Steenbarger, Ph.D. Dieser Fachartikel wurde im Tradersjournal veröffentlicht.

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Über den Experten

Harald Weygand
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Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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