Was kommt nach BRIC? Goldman Sachs (er)fand die „Next Eleven“ – und stößt damit auf ein geteiltes Echo
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Ein Blick ins Jahr 2050: Mexiko ist die sechstgrößte Volkswirtschaft der Erde und hat damit Schwergewichte wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien hinter sich gelassen. Glauben Sie nicht? Jim O’Neill schon. Als der Chefökonom der US-Investmentbank Goldman Sachs vor rund fünf Jahren Brasilien, Russland, Indien und China zu den BRIC-Staaten als aussichtsreichste Wachstumsmärkte zusammenfasste, sollte er Recht behalten. Obendrein gelang Goldman Sachs ein Marketing-Coup, denn die BRIC-Produkte fanden zahlreiche Nachahmer und Abnehmer.
Die Staubwolken um die BRICs haben sich inzwischen gelegt und man fragt sich: Was kommt nun? Was sind die aussichtsreichsten Wachstumsmärkte, die hinter dem Quartett rangieren? Eine schwierige Aufgabe, denn Länder mit einem Bevölkerungsreichtum und einem Potential wie Indien und China gibt es kein zweites Mal auf dem Erdball. Für eine gewisse Schlagkraft ist also ein ganzes Bündel von Märkten notwendig. Das dachte sich wohl auch O’Neill, als er der Welt bereits im Jahre 2005 die so genannten „Next Eleven“, die „Nächsten Elf“ präsentierte.
Von Ä bis V
Goldman Sachs siebte aus 170 Ländern die elf vielversprechendsten Kandidaten heraus. Jedem einzelnen wird attestiert, bis spätestens 2050 zu den 20 größten Industrienationen der Welt zu aufzusteigen. Vor allem die Bevölkerungszahl und die Wachstumsraten der letzten Zeit wurden als Kriterien herangezogen, aber auch Investmentmöglichkeiten und makroökonomische Stabilität. Herausgekommen ist eine illustre Gruppe, die sich in alphabetischer Reihenfolge aus Ägypten, Bangladesch, Indonesien, Iran, Mexiko, Nigeria, Pakistan, den Philippinen, Südkorea, der Türkei und Vietnam zusammensetzt.
Dass Südkorea und Bangladesch über einen Kamm geschoren werden, mag zunächst verwunderlich klingen und wirft Fragen auf. Politische und wirtschaftliche Risiken divergieren zwischen den Staaten ebenso wie deren Chancen für die Zukunft. Außerdem sind die Märkte aufgrund von Regulierung bzw. mangelnder Liquidität nicht allesamt, nur beschränkt oder sehr schwer zugänglich – selbst für Banken und institutionelle Investoren. Die Produkte von Goldman Sachs und der DWS-Tochter DWS Go haben Iran, Nigeria und Bangladesch zunächst gar nicht im Portfolio.
Wachsen, wachsen, wachsen
Es gibt aber auch Gemeinsamkeiten: Hohe Wachstumsraten und eine hohe Bevölkerungszahl. Indonesien liegt bei den Einwohnern weltweit auf Platz vier, aber auch Mexiko oder Pakistan brauchen sich nicht zu verstecken (siehe Tabelle). Gleichzeitig ist das Durchschnittsalter relativ gering und liegt zwischen 20 und 35 Jahren. Hoch hingegen ist das reale Wirtschaftswachstum von den acht im Portfolio vertretenen Ländern. Mexiko bildete 2006 mit 4,5 Prozent BIP-Zuwachs das Schlusslicht unter den „Next Eleven“. Spitzenreiter Vietnam kam auf 7,9 Prozent, der Schnitt liegt bei 5,8 Prozent.
Dabei handelt es sich allerdings um eine Momentaufnahme. In der Türkei sprang das Wachstum nach einer längeren Wirtschaftskrise erst mit dem Amtsantritt des aktuellen Premierministers Recep Tayyip Erdogan 2003 an. Die Philippinen berappelten sich ebenfalls erst 2005 und sind seitdem nicht mehr das Wachstums-Schlusslicht in Asien.
Zwischen den Märkten auch deutliche Größenunterschiede: Die Marktkapitalisierung Südkoreas beträgt nach Angaben von DWS Aktuell 990,8 Milliarden US-Dollar, Vietnam kommt trotz einer beeindruckenden Kursrallye auf gerade 20,3 Milliarden Dollar.
Der Catch-up-Effekt
Den meisten Ländern unter den „Next Eleven“ kommt der so genannte Catch-up-Effekt zu Gute. Dieser geht davon aus, dass weniger entwickelte Volkswirtschaften höhere Wachstumsraten erzielen als die entwickelten Industrienationen, zu denen man beispielsweise auch Südkorea zählen kann. Mexiko ist beispielsweise als typisches Schwellenland zu bezeichnen, während Bangladesch eine der ärmsten Nationen der Welt ist. Selbst für den Fall, dass O’Neills Prognose eintritt, werden die wenigsten der „Next Eleven“ auch beim Pro-Kopf-BIP auf den 20 ersten Plätzen landen – was vor allem Rückschlüsse auf binnenkonjunkturelle Impulse zulässt.
Kritiker der „Next Eleven“ bemängeln die nicht nachvollziehbare Zusammensetzung der Länder, wobei einige Märkte (noch) sehr klein und mitunter instabil sind. Auch die politische Komponente ist nicht zu unterschätzen, so brach die türkische Börse erst kürzlich binnen zwei Tagen um zehn Prozent ein. Hintergrund waren die Präsidentenwahl und die Putschdrohungen des Militärs. Nigeria beispielsweise wird derzeit durch Unruhen in den Ölfördergebieten in Atem gehalten und in Ägypten ist unklar, welchen Kurs das Land nach der Ära Mubarak einschlagen wird, zumal die islamistisch geprägte Muslimbruderschaft erstarkt.
Das Portfolio
Goldman Sachs und DWS Go gehörten zu den ersten, die Produkte für die „Next Eleven“ auflegten. Dabei verfolgen beide leicht unterschiedliche Strategien. Goldman Sachs setzt auf die länderspezifischen Total Return Indizes von Morgan Stanley Capital International (MSCI), um die einzelnen Märkte mit einer Gewichtung zwischen acht und zwölf Prozent abzubilden. Pakistan und Vietnam sind die Ausnahme, hier gibt es einen individuellen Korb, der jeweils fünf Unternehmen vornehmlich aus den Bereichen Energie, Telekommunikation, Rohstoffe und Finanzdienstleistungen abbildet.
Auf diese vier Bereiche konzentriert sich auch das Zertifikat von DWS Go, allerdings werden hier keine Indizes abgebildet. Aus jedem Land sind zwei bis drei Unternehmen enthalten, wobei sich jedoch die Frage nach einer länderspezifischen Streuung stellt. Obendrein sind Werte wie der mexikanische Telekommunikationskonzern America Movil bereits stattlich bewertet.
Stockpicking
Es gibt auch Stimmen am Markt, die klassische und aktiv gemanagte Emerging-Markets-Fonds den „Next Eleven“-Produkten vorziehen würden. Hierbei steht vor allem das Heraussuchen von einzelnen Unternehmen in Schwellenländern im Vordergrund, ohne speziell auf den Markt einzugehen. So wurde u. a. kritisiert, dass Südafrika als interessanter Markt bei den „Next Eleven“ komplett ausgeklammert wird.
Daneben gibt es auch Möglichkeiten, indirekt in bestimmte „Next Eleven“-Märkte und Branchen zu investieren. Als Beispiel sei hier der norwegische Telekommunikationskonzern Telenor genannt, der neben seinen Aktivitäten in Skandinavien und auf dem Balkan in Thailand, Pakistan und Bangladesch Mehrheitsbeteiligungen besitzt. Selbstverständlich muss hier vorher das Unternehmen als Ganzes unter die Lupe genommen werden.
Viele Marktbeobachter kommen zu dem Schluss, dass die „Next Eleven“ mehr Marketing als wirklicher Anlagetipp sind. Gleichwohl konnte Goldman Sachs ein neues Anlagethema setzen, welches sich zu einem Trend mausert. Allerdings: Keiner der „Next Eleven“-Staaten kommt an die Wachstumsraten von China heran …
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