Was ich den Bären sagen möchte
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In den USA stehen der DOW Jones und der marktbreite S&P 500 Index seit 4 Wochen unter Abgabedruck. Und wie könnte es anders sein, mehren sich während dieser Phase natürlich auch wieder die Stimmen der Marktskeptiker. Da sich der Markt in ein saisonales Zeitfenster hineinbewegt, das statistisch gesehen steigende Kursnotierungen erwarten läßt, hält sich "Petzi" diesmal jedoch erstaunlich zurück.
Die Bären mal wieder ...
Wenn man die aktuellen Einwürfe von Analysten und Marktkommentatoren verfolgt, so liegt der Fokus der Kommentierung auf den stark steigenden Ölpreisnotierungen und den doch deutlich schwerwiegenderen Folgen der US-Kreditkrise für die großen US Bankhäuser wie Merrill Lynch und die Citigroup. Beide Häuser sehen sich mit milliardenschweren Abschreibungen konfrontiert. Beide Häuser haben substanziellen Schaden in ihren Bilanzen und annähernd auch existenziellen Schaden bezgl. ihrer fundamentalen Basis erlitten. Und beide Häuser haben sich von ihren CEOs getrennt.
Es gibt einige Stimmen, die wieder reflexartig die altbekannten Themen wie die US-Immobilienblase, das Haushaltsdefizit, inflationäre Tendenzen, US-Dollarschwäche, Verschuldung ("Die Amerikaner leben über ihre Verhältnisse", "Bernanke wirft die Notenpresse an und läßt es US-Dollars regnen") etc. als Argument für eine laufende Trendwende an den Aktienmärkten hervorzücken. Jim Rogers sieht den Aktienmarkt in den kommenden Jahren bestenfalls in einer Seitwärtsphase, Marc Faber bleibt bei seiner mehr als skeptischen Einschätzung des US Markts und die Gold-Gurus, die angesichts der stark steigenden Goldpreisnotierungen Hochkonjunktur haben, malen wie gewohnt Weltuntergangsscenarien ("Hier wird manipuliert, dort wird manipuliert ... Alles wird maximal zusammenbrechen ...") an die Wand. Aber! Das muß an dieser Stelle festgehalten werden. Bei nicht wenigen dieser Mahner handelt es sich um erfahrene Marktkenner, die eigentlich ein sehr gutes Gespür für die Märkte entwickelt haben.
Eines möchte ich klarstellen. Ich setze "den Bären" nicht mit "dem fundamental" ausgerichteten Marktteilnehmer gleich. Es gibt natürlich auch genügend Charttechniker, die sich von mehrwöchigen Konsolidierungen immer wieder aus dem Markt kegeln lassen. Und andersherum gibt es eine Vielzahl eingefleischter Value-Investoren, die nach wie vor dem Bullenlager zuzuordnen sind. Also diesbgzl. muß man vorsichtig sein. Als intensiver Beobachter des Marktgeschehens läuft der eine oder andere Gefahr, Fronten aufzubauen, die so real gar nicht existieren.
Sollte man die Argumente der Bären belächeln ?
Selbstverständlich nicht! Auch während der Internethausse bis in das Jahr 2000 hinein, gab es eine Reihe von Analysten, die auf die exorbitanten fundamentalen Überbewertungen hinwiesen. Viele waren es nicht, aber es gab sie. Die fundamentale Argumentationsschiene war korrekt, allerdings unterschätzten sie den Menschen als emotionales Wesen und dessen Bedeutung in bestimmten Marktphasen. Wenn eine Internetaktie fundamental 3 $ wert ist, nicht wenige Marktteilnehmer aber bereit sind dafür 2000 $ zu bezahlen, dann steht der Kurs bei 2000 $. Punkt, aus! Und was hat uns die Internethausse gelehrt ? Genau. Solche irrationale Überbewertungen können sich in das mittel- bis langfristige Zeitfenster ausdehnen. Also das Zeitfenster, das die meisten Marktteilnehmer nun einmal handeln. Die meisten der Bären während der Internethausse hat es wegen ihres schlechten Timings weggespült. Ich kenne keinen Analysten oder Marktkommentator, der die Trendwende 2000 wirklich präzise vorhersagen konnte. Zwar liest man bei der Vorstellung einiger hochkarätiger Marktexperten solche lieblich klingenden Umschreibungen wie "Er sagte den Crash von 19.. voraus", bei näherer Beschau stellt sich dann aber heraus, dass dieser Experte (jetzt überspitzt formuliert) davor bereits 20 Mal einen Crash angekündigt hatte. Was will ich damit sagen. Meines Erachtens sind die Argumente fundamental ausgerichteter Marktskeptiker nachvollziehbar und in sich stimmig. Das waren sie aber auch schon vor einem Jahr und vor zwei Jahren. Die Argumentationsführung sollte genau verfolgt und es sollte vermieden werden angesichts übergeordnet immer weiter ansteigender Kursnotierungen zu adaptieren und abzustumpfen. Wenn die Schere zwischen fundamentalem Umfeld und der Bewertung an der Börse immer weiter auseinandergeht, ist dies ein Zeichen dafür, dass das "Gegenpotenzial" umso größer wird. Im Falle eines Bullenmarktes also das Rückschlagspotenzial. Deshalb heißt es mit wachsamen Augen durch den Dschungel zu laufen.
Wieso dieser warnende Unterton im letzten Absatz ?
Weil ich der Ansicht bin, dass man sich immer von mehreren Seiten einem Sachverhalt nähern sollte.
Weil ich der Ansicht bin, dass man spätestens dann, wenn man sich ausschließlich nur auf Argumente einer Seite fokussiert, Scheuklappen auf hat und nicht mehr realistisch vorgeht.
Weil ich der Ansicht bin, dass ein gewisser "Hedge" auf meine nach wie vor übergeordnet stark bullische Sichtweise der Aktienmärkte sinnvoll sein könnte. Bei intensiver charttechnischer Auswertung vom DAX komme ich auf einen Kurszielbereich von sage und schreibe 30.000 Punkten für den DAX in den kommenden 8-10 Jahren. Ja, der Zeitzielbereich ist zugegebenermaßen weit gefaßt. Den Satz haben Sie jetzt sicherlich auch schon oft bei mir lesen oder hören können. Preisziele lassen sich im Rahmen der Chartanalyse sehr gut ermitteln, Zeitziele weniger gut. Und: Ja, ein Kursziel auf solch langfristige Sicht ist Zukunftsmusik und macht eigentlich keinen Sinn bereits jetzt zu nennen. Deshalb erwähne ich es auch nur nebenbei. Es soll jedoch meine übergeordnete Sichtweise aufzeigen. Das Kursniveau von 8.150 Punkten ist übrigens von erheblicher Bedeutung für die Prognose. Erst ein Anstieg auf 8.500 Punkte auf Sicht mehrere Monate schafft die Voraussetzung für das ganz große Kaufsignal.
Wohlgemerkt! Das Zeitziel von 8-10 Jahren schließt nicht aus, dass der Markt auch einmal 1 bis 2 Jahre negativ performen kann, also fällt! Wer mich zitiert und diesen Zusatz unerwähnt läßt, würde fahrlässig handeln.
Der Verfechter der (chart)technischen Analyse
Für das Timing, für Trendprognosen, für Trendfortsetzungs- und Trendwendeprognosen sowie für Kurszielprognosen im kurz- und mittelfristigen Zeitfenster ist die charttechnische Analyse das probate Mittel.
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Keine Frage. Die Faktoren, die die Kursentstehung maßgeblich beeinflussen, sind immer die gleichen. Stark vereinfacht dargestellt, sind das fundamentale Hintergründe und die kumulierte Emotionalität der Masse. Entscheidend ist, dass sich je nach Marktphase das Mischungsverhältnis deutlich ändern kann. Der Clou an der Sache ist der, dass es für die charttechnische Analyse völlig belanglos ist, ob und wie sich dieses Mischungsverhältnis geändert hat. Steigt ein Basiswert auf einer Aufwärtstrendlinie an und bewegt sich dabei tendenziell nahe seines fundamentalen Werts oder aber steigt ein Basiswert auf einer Aufwärtstrendlinie an und bewegt sich dabei überhaupt nicht nahe seines fundamentalen Werts, sprich stark unterbewertet oder aber stark überbewertet, das ist egal. Völlig egal!
Die Stärke und die Stabilität eines Trends hängt im kurz- bis mittelfristigen Zeitfenster nicht davon ab, ob sich der Kurs nahe des adäquaten fundamentalen Wertes bewegt. Im Gegenteil! Ein Aufwärtstrend bei fundamentaler Überbewertung erweist sich sehr oft als besonders stark und intensiv mit Tendenz zur Verschärfung. Komplementär dazu sind Aufwärtstrends bei fundamentaler Unterbewertung meist noch schwach und ohne größere Bewegungen.
Nochmals zurück zu den beiden maßgeblichen kursbewegenden Faktoren: Den fundamentalen Hintergründen und der kumulierten Emotionalität der Masse. Dazu läßt sich auch festhalten, dass je langfristiger das betrachtete Zeitfenster ist, desto mehr sich das Mischungsverhältnis zugunsten der Fundamentals ändert. Insofern kein Wunder, dass Fonds und Institutionelle vornehmlich das langfristige Zeitfenster handeln. Fundamentals sind exakter und direkter einzugrenzen und zu berechnen als die Charttechnik.
Kannibalisiert sich die charttechnische Analyse nicht je populärer sie wird ?
Bingo. Da habe ich mir jetzt aber eine knallharte Frage gestellt. Eine Frage existenzieller Natur. Die Antwort lautet aber: Nein, sie kannibalisiert sich nicht. Der Markt befindet sich in einem ständigen Fluß. Die Gesetze der Charttechnik ebenfalls. Eine Formation, wie beispielsweise die klassischen SKS Trendwendeformationen, tauchen seit 1-2 Jahren mit genau konträrer Funktion auf; nämlich als Trendfortsetzungsformationen. Saisonalitäten betreffend den Aktienmarkt funktionieren nicht mehr so gut. Candlestickkursmuster verlieren teilweise frappierend an Trefferquote. Das Jahr 2006 war durch gehäufte Fehlausbrüche aus Formationen gekennzeichnet. Und und und. Das sind nur einige Beispiele. Ganz so einfach wird es einem dann doch nicht gemacht. Es gilt den Markt möglichst breitflächig, sprich möglichst viele Märkte, und möglichst engmaschig zu beobachten. Dann lassen sich Änderungen bestehender charttechnischer Gesetzmäßigkeiten erkennen und das Anlageverhalten dementsprechend anpassen.
Ich persönlich sehe die zunehmende Popularität der charttechnischen Analyse positiv. Und zwar nicht deswegen, weil dieses Thema unser Steckenpferd ist und ich deswegen befangen bin, sondern weil durch die intensivere Anwendung dieser Methode, der Markt für mich berechenbarer wird. Es lassen sich immer präziser Kurszonen ermitteln, in deren Bereich beispielsweise vermehrt Stoploss- oder Stopbuyorders platziert sind. Es lassen sich immer präziser Kurszonen ermitteln, in deren Bereich Nachfrageüberhang oder Angebotsüberhang entstehen könnte. Und es lassen sich immer präziser Kursziele sondieren, weil sich immer mehr Marktteilnehmer danach richten.
So kann es kommen. Die Grußbotschaft an die fundamental ausgerichteten Bären endet wieder einmal mit einem kleinen Plädoyer für die charttechische Analyse und all ihre Facetten.
Herzlichst,
Ihr Harald Weygand
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