Kommentar
14:46 Uhr, 18.09.2012

Was die Titanic mit der Inflation zu tun hat

Eine alte Börsenregel besagt: wenn jeder über ein Ereignis spricht bzw. dieses erwartet, dann tritt es nicht ein. Durchaus aussagekräftige Indikatoren werden z.B. aus dem Anlegersentiment gestrickt. Sie kennen das: Sehr salopp argumentiert - Wenn jeder bullisch auf Aktien ist, sprich bereits investiert, dann kann keiner mehr kaufen. Dann muss es also runtergehen an den Märkten.

Gerne wird dieses Gedankenspiel auch auf Phänomene wie die Inflation angewandt. Davor kann ich Sie aber nur warnen – die oben zitierte Regel muss mit recht dramatischen Ausnahmen leben. Den Untergang der Titanic nach dem Rammen des Eisbergs hat garantiert jeder nach der Schieflage des Schiffs erwartet – es ging dennoch unter. Nur weil alle ein Ereignis erwarten, heißt das noch lange nicht, dass es NICHT eintreten muss.

Was die schleichende Geldentwertung angeht gibt es einen breiten Konsens in der Bevölkerung dass sie real ist, schon alleine weil es jeder im Geldbeutel spürt. Es ist sehr gefährlich sich auf die Hoffnung zu verlassen, dass die Masse auch hier falsch liegt. Tatsächlich besteht die Gefahr, dass die Geschwindigkeit sogar eher zunimmt, weil das Vertrauen schwindet. Bei den Vermögenswerten (Immobilien, Edelmetalle, Aktien) ist der Prozess ganz offensichtlich schon sehr deutlich im Rollen. Schauen Sie nicht nur auf den Joghurt-Preis im Aldi. Dass die Lebensmittel bezahlbar bleiben, dafür sorgt Vater Staat schon mit massivsten Interventionen. Ansonsten haben Sie aber völlig Recht, falls Sie sich um die Geldwertstabilität Sorgen machen.

Die EZB wäre in Europa eigentlich für die Wahrung derselben zuständig, hat ihr Mandat aber recht Fed-lastig verlagert und betreibt nun lieber ausgiebige Konjunkturpolitik. Noch auf Sicht einiger Jahre wird der Zins künstlich niedrig gehalten, mit anziehender Inflation dreht der Realzins (Zins-Inflationsrate) deutlich in negatives Terrain. Sie verlieren mit Geldanlagen systematisch Geld („finanzielle Repression“), was besonders für das Horten von Cash gilt, aber auch für das Halten von Staatsanleihen. Das stellt den Anleger vor doch recht massive Probleme. Jetzt noch in Immobilien rein, trotz einer langsam sich abzeichnenden Überhitzung? Vom Gold ganz zu schweigen.

Fakt ist, die extreme Niedrigzinspolitik wird noch mindestens 2 Jahre weitergehen (so zumindest in den USA von der Fed verkündet), und auch danach ist noch mehr als unklar, ob und wie der Ausstieg gelingt. Was bleibt einem schon viel anderes übrig, als in Aktien zu investieren? Zuschauen, wie man langsam beraubt wird?

Daniel Kühn

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Über den Experten

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Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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