Kommentar
14:54 Uhr, 17.11.2008

Währungen der Schwellenländer auf dem Prüfstand

Im Oktober breitete sich die Kreditkrise weltweit aus. Währungen einiger Schwellenländer gerieten stark unter Druck. Langfristig gesehen, glauben wir immer noch daran, dass Schwellenländerwährungen aufwerten werden. Sobald sich die Lage etwas beruhigt hat, sollten ertragsreiche Währungen wieder die Oberhand gewinnen.

Im Oktober erreichte die Risikoscheu ihren bisherigen Höhepunkt, was sich daran festmachen ließ, dass Anleger ihre Gelder aus fast allen Anlageformen abzogen, vor allem aus denen, die sie für extrem risikoreich hielten, z.B. aus den Schwellenländern. Gewaltige Kapitalabflüsse führten dazu, dass Währungen extrem an Wert verloren, was einige Länder in extreme Schwierigkeiten brachte. Der IWF (Internationale Währungsfonds) sprang in die Bresche und bot Island, Ungarn und der Ukraine Darlehen an. Darüber hinaus hat die FED (US-Notenbank) Ende Oktober angekündigt, Mexiko, Brasilien, Südkorea und Singapur jeweils mit einer Finanzspritze von USD 30 Mrd. unter die Arme zu greifen. Seit dieser Ankündigung scheinen sich die Märkte und Währungen in der letzten Oktoberwoche etwas beruhigt zu haben.

Schwellenländer müssen mit Kapitalabflüssen rechnen

Die Probleme, denen sich die einzelnen Länder jetzt gegenübersehen, verdeutlichen die Ausweitung der Finanzkrise auf die Volkswirtschaften der Schwellenländer. Vor allem erlitten Emerging Markets als Anlageklasse insgesamt herbe Verluste. Bis zum 31. Oktober dieses Jahres mussten Verluste in Höhe von mehr als 45 Prozent (in Euro) in Kauf genommen werden. Zwar handelt es sich bei den Schwellenländern um eine außerordentlich breit gefächerte Gruppe. Gleichwohl verläuft die konjunkturelle Abkühlung in diesen Ländern weitgehend im Gleichschritt. Diese Entwicklung ist in erster Linie auf die rückläufigen Exporte in die Industrieländer, fallende Rohstoffpreise, die dramatisch geschwächte Binnenlage (Kursrutsch an den Aktienmärkten) und den Abzug von Anlegerkapital aus den aufstrebenden Volkswirtschaften zurückzuführen. Im Ergebnis sind die Währungen dieser Region erheblich unter Druck geraten.

Als die Volatilität an den Märkten infolge der wachsenden Sorgen über den weiteren Verlauf der Weltkonjunktur im Oktober weiter zunahm, stürzten die Währungen verschiedener Emerging Markets ins Bodenlose ab. Das galt insbesondere für Länder mit risikofinanzierten Leistungsbilanzdefiziten sowie Rohstoff exportierende Länder. Dramatische Schwankungen beim Risikoappetit sowie Liquiditätsknappheit in den USA und Europa könnten in den Schwellenländern zu akutem Kapitalmangel führen. Hinzu kommt die anhaltende Auflösung spekulativer Positionen in hochrentierlichen Emerging-Markets-Währungen. Auch dieser Trend belastet diese Währungen ganz erheblich.

Das größte Risiko für Währungen besteht darin, dass einige Länder wie beispielsweise Brasilien ihre Leistungsbilanz von Grund auf neu bewerten müssen. Infolge rückläufiger Exporte und sinkender Rohstoffpreise verwandeln sich hier Überschüsse in Defizite. Das macht Währungskorrekturen erforderlich. Eine schwächere Währung wird letztendlich die Exporte ankurbeln, insofern könnte sich wieder ein Gleichgewicht einstellen.

Aussichten für die weitere Währungsentwicklung

Bis auf weiteres werden vor allem Länder mit hohem Leistungsbilanzdefizit verwundbar sein, deren private und öffentliche Schulden überwiegend in ausländischen Währungen nominiert sind (z. B. Osteuropa, in Ungarn haben z.B. viele Hauseigentümer Hypotheken auf Schweizer Franken laufen). Am stärksten belastet die aktuelle Entwicklung diejenigen Länder, die ihre Leistungsbilanzdefizite weitgehend mit spekulativem Auslandskapital finanzieren. Defizite, die im Gegensatz dazu mit einer längerfristigen Orientierung durch direkten Kapitalzufluss aus dem Ausland finanziert werden, sind nicht notwendigerweise problematisch. Volkswirtschaften mit Leistungsbilanzüberschüssen und beträchtlichen Devisenreserven (vor allem in Asien) werden hier wohl in die Bresche springen und zusätzliche konjunkturelle Impulse bieten. Dies gilt umso mehr, als ihre hohen Inflationsraten jetzt sinken.

Da die gegenwärtige Marktkrise eindeutig von den Finanzzentren der Industrieländer ausging, dürften sich die Währungsrisiken über die kommenden Jahre weiterhin auf die USA und Europa konzentrieren. Die Tatsache, dass sowohl die amerikanische als auch die europäischen Regierungen derzeit öffentliche Gelder in Milliardenhöhe in die Wirtschaft pumpen, um eine Depression abzuwenden, verstärkt diese Entwicklung noch. Die meisten Schwellenländerwährungen dürften sogar von den Problemen an den entwickelten Märkten profitieren. Dies gilt umso mehr, als die volkswirtschaftlichen und finanzsektorbezogenen Risiken an den Emerging Markets seit 2002 massiv gesunken sind. Wenn sich der Staub an den Kapitalmärkten erst einmal gelegt hat, sollten die globalen Kapitalflüsse wieder in Richtung hochrentierlicher Währungen fließen.

Carry-Trades sind immer noch eine rationale Anlageentscheidung und dürften wieder an Beliebtheit gewinnen, wenn sich der Risikoappetit erst einmal erholt hat. Währungen von den Emerging Markets bieten unter Umständen eine gute Gelegenheit, dem erwarteten Ertragswachstum noch etwas nachzuhelfen. Auch die voraussichtliche Neubewertung von Schwellenländertiteln sollte hier interessante Spielräume bieten.

Quelle: ING Investment Management

ING Investment Management ist der globale Asset Manager der ING Gruppe. Mit annähernd 375 Milliarden Euro Assets under Management, vertreten in 37 Ländern mit mehr als 3.700 Mitarbeitern, ist ING Investment Management (ING IM) weltweit auf Platz 27 im Asset Management.

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