Kommentar
02:00 Uhr, 08.05.2008

Wachstum ohne Konjunkturrisiko

Folgt man der internationalen Statistik der Gefängnisinsassen, so wird entweder die Menschheit immer krimineller oder die Gesetze werden immer schärfer. Denn nach Angaben des International Centre for Prison Studies ist die Zahl der Personen, die weltweit in Gefängnissen einsitzen, in den letzten Jahren in 73 Prozent der untersuchten Länder gestiegen – auf 9,3 Mio. Ende 2006. Und der Anstieg betrifft nicht nur autoritäre Regimes, sondern ist auch in zahlreichen demokratischen Staaten zu beobachten.
Zu zweifelhafter Berühmtheit haben es in dieser Statistik die Vereinigten Staaten gebracht. Nachdem die Zahl der Inhaftierten in Gefängnissen und Besserungsanstalten noch zu Beginn der neunziger Jahre lediglich bei 1,3 Mio. gelegen hatte, betrug der durchschnittliche Zuwachs in den letzten sechs Jahren beachtliche 2,6 Prozent auf mittlerweile 2,3 Mio. Menschen (siehe Graphik). Damit markieren die USA nicht nur in absoluten Zahlen einen Rekord, sondern auch in Relation zu der Gesamtbevölkerung. Die Quote beträgt hier 751 Gefangene auf 100.000 Einwohner und damit deutlich mehr als in Russland (628), China (119) oder dem autokratisch regierten Turkmenistan (489).

Eine Ursache des amerikanischen Sonderwegs liegt in der Tradition, auch Bagatelldelikte, die anderswo als Ordnungswidrigkeit durchgehen würden, mit Haftstrafen zu ahnden. So sind beispielsweise Alkohol am Steuer, Besitz von Kleinstmengen an leichten Drogen oder Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit in einzelnen Staaten Grund genug für einen Gefängnisaufenthalt. Dieser fällt zwar beim ersten Vergehen für gewöhnlich relativ kurz aus und wird in Fällen, in denen Prominente betroffen sind, schon mal als publicitywirksamer Marketinggag gebraucht, doch bei mehrfachen Wiederholungen können auch kleine Rechtverstöße durchaus mit mehrjährigen Strafen belegt werden. Seit dem letzten Jahr steigen zudem die Zahlen der inhaftierten illegalen Immigranten sprunghaft an. Wurden sie bislang beim Aufgreifen sofort abgeschoben, so sieht eine Anfang 2006 beschlossene Verschärfung des Einwanderungsrechts nun eine Inhaftierung für mindestens eine Nacht vor, mit der die Einwanderer erkennungsdienstlich erfasst und von einem erneuten Grenzübertritt abgeschreckt werden sollen.

Insofern sorgt das amerikanische Justizsystem seit Jahren für einen stetig steigenden Bedarf an Gefängnisplätzen – angesichts der Kosten von 60 bis 90 US-Dollar pro Insasse und Nacht eine enorme Belastung für die Öffentlichen Haushalte. Um hier Ausgaben einzusparen, wurden bereits seit Beginn der achtziger Jahre zunehmend private Unternehmen für den Bau und den Betrieb von Gefängnissen engagiert. Mittlerweile sind in den USA 7,2 Prozent aller Gefangenen in privaten Einrichtungen untergebracht, in einzelnen Staaten wie Alaska oder New Mexico liegt die Quote sogar deutlich über 30 Prozent. Und da die Kapazitäten in privaten Gefängnissen deutlich rascher ausgeweitet werden als in staatlichen, nimmt der Anteil weiter zu. Allein zwischen 2005 und 2006 betrug der Zuwachs hier 5,4 Prozent, gegenüber 2,9 Prozent im Gesamtmarkt (Quelle: Bureau of Justice Statistics Bulletin, Dez. 2007).

Insofern bietet der amerikanische Markt exzellente Bedingungen für Unternehmen, die sich auf den Bau und den Betrieb von Inhaftierungseinrichtungen spezialisiert haben: Sie sind mit einer steigenden Nachfrage konfrontiert, können auf Basis von langfristigen Verträgen kalkulieren und sind damit weitgehend konjunkturunabhängig.

Wie der S-BOX Sicherungsverwahrung Performance-Index, in dem die wichtigsten Player zusammengefasst sind, zeigt, spiegelt sich dieses freundliche Umfeld auch in den Aktienkursen der betreffenden Gesellschaften wider. Erstmalig aufgelegt am 15.09.2006, hat sich der Indexstand in nicht einmal anderthalb Jahren und trotz der zuletzt turbulenten Börsenverfassung um über 40 Prozent erhöht, in der Spitze betrug der Zuwachs sogar stolze 57 Prozent (erreicht im Sommer 2007).

Die treibende Kraft hinter der positiven Kursentwicklung sind die dynamisch steigenden Gewinne der in der Auswahl erfassten Unternehmen. So konnte beispielsweise die Corrections Corporation of America, der Pionier der Branche und mit ca. 72.500 Betten in 65 Einrichtungen der größte private Anbieter in den USA, den Überschuss pro Aktie im letzten Jahr um fast ein Viertel erhöhen, für die laufende Periode wurde ein weiterer Zuwachs um bis zu 17 Prozent in Aussicht gestellt.

Neben Corrections Corp., die mit dem Maximalwert von 30 Prozent in die Indexberechnung einfließt, sind in dem Branchenwertmesser nur noch vier weitere Gesellschaften enthalten, von denen zwei ebenfalls mit 30 Prozent gewichtet wurden. Das sind die auch in Australien und Südafrika sehr aktive Geo Group Inc., die damit nach eigenen Angaben weltweit führend ist, sowie die britische Serco Group PLC, der einzige Branchenvertreter mit einem Hauptsitz außerhalb der USA. Die Briten haben sich als ein weltweit tätiger Outsourcing-Spezialist positioniert, der neben Gefängnissen auch Gesundheits-, Bildungs- und Infrastruktureinrichtungen errichtet und betreibt.

In Deutschland ist Serco durch die Teilübernahme des Betriebes der Justizvollzugsanstalt im hessischen Hünfeld bekannt geworden, die als erstes deutsches Gefängnis und deswegen mit entsprechender öffentlicher Aufmerksamkeit Anfang 2006 zu 45 Prozent in private Hände übertragen worden ist. Die Briten beschränken sich dabei auf Service- und Überwachungsaufgaben, anders als in England oder den USA ist eine vollständige Übertragung der hoheitlichen Tätigkeiten an Private hierzulande nicht möglich. Nichtsdestotrotz berichtet das zuständige Ministerium von erheblichen Einsparungen beim Bau und Betrieb der Einrichtung, so dass bereits ähnliche Projekte in weiteren Bundesländern in Planung sind.

Die Indexzusammensetzung wird durch zwei kleinere amerikanische Unternehmen, die America Service Group Inc und die Cornell Companies Inc, vervollständigt, die beide ihren Geschäftsschwerpunkt auf Dienstleistungen für die Gefängnisinsassen gesetzt haben. Während Cornell neben dem Betrieb von Gefängnissen auch Ausbildungs- und Resozialisierungsprogramme für Gefangene anbietet, hat sich die erst genannte Gesellschaft auf die Erbringung von Gesundheitsleistungen in Haftanstalten spezialisiert.
Mit Anteilen von 8,3 resp. 1,7 Prozent spielen die beiden allerdings nur eine untergeordnete Rolle für die Wertentwicklung des Index. Diese – letztendlich von der Branchenstruktur vorgegebene – hohe Abhängigkeit von nur drei Werten stellt somit ein kleines Manko des S-BOX-Produktes dar, das in der Vergangenheit aber durch die hervorragende Wertentwicklung der enthaltenen Titel mehr als kompensiert werden konnte.

Angesichts der weltweit weiter steigenden Gefangenenzahlen, der zunehmenden Bereitschaft vieler Staaten, die Sicherheitsverwahrung verstärkt an private Unternehmen zu vergeben sowie der trotz aller vorgenommenen Kapazitätserweiterungen vielerorts noch beklagten Überbelegung dürfte sich die bisherige Sektorentwicklung weiter fortsetzen. Wer daran partizipieren möchte, kann mit Hilfe eines Zertifikats der Dresdner Bank (DR98LK) investieren.

Christoph Scheuermann, Structured Solutions AG

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