Kommentar
17:33 Uhr, 09.01.2009

Vorhersagen für 2009

Die US-Wirtschaft erlebt den ersten Rückgang des nominalen BIP seit 50 Jahren.

Es ist wahrscheinlich, dass das vierte Quartal 2008 den stärksten Quartalsrückgang dieser Rezession mit sich brachte. Dennoch wird das Wirtschaftswachstum für mindestens die erste Jahreshälfte 2009 negativ bleiben. In der zweiten Hälfte dürfte annähernd Nullwachstum erzielt werden, wofür Wohlstandsverluste, steigende Sparraten, straffere Kreditbedingungen und die zunehmende Arbeitslosigkeit mitverantwortlich sein werden. Weil die Inflation auf beinahe Null fallen dürfte, wird das nominale Wachstum sich über vier Quartale hinweg negativ entwickeln, die größte Delle könnte sich vom vierten Quartal 2008 bis zum dritten Quartal 2009 erstrecken. Derartiges hat es seit den frühen 1950er Jahren nicht mehr gegeben. Um aus diesem Loch herauszukommen, bedarf es eines Erfolges der aggressiven Geld- und finanzpolitischen Anreizpolitik, einer Stabilisierung im Wohnimmobilien- und Finanzmarkt und der Wiederherstellung des Vertrauens bei Wirtschaft, Konsumenten und Anlegern.

Das globale Wachstum fällt zum ersten Mal seit 1991 unter zwei Prozent.

Das Wachstum schien weltweit den größten Teil des Jahres 2008 über stabil oder positiv zu sein, nach der Lehman-Pleite im September kam es jedoch zum Absturz. Frühere Annahmen einer globalen wirtschaftlichen Entkopplung lösten sich auf, weil der US-Konsumabschwung und globale Kreditprobleme überall zu einer Wachstumsabschwächung führten. Die Rezession in den USA und Europa ist so ernst, da sie mit einer Kreditkrise zusammenhängt, deren Beendung Zeit braucht. In den Schwellenmärkten dagegen scheint die Abschwächung/Rezession aus unserer Sicht eher eine gewöhnliche zyklische Erscheinung zu sein. Japan kämpft weiterhin um Wachstum trotz schwacher Konsumstrukturen und schrumpfender Bevölkerung. Im Ergebnis dürfte das globale Wachstum auf das niedrigste Niveau seit fast 20 Jahren fallen. Bis zur Jahresmitte sollten sich aber einige Erholungssignale in den Schwellenländern zeigen, eine Stabilisierung in den USA ist in der zweiten Jahreshälfte 2009 wahrscheinlich, in Europa bis zum Beginn des Jahres 2010.

Inflation fällt in vielen entwickelten Ländern fast auf Null, breite Deflation wird aber vermieden.

Der Rückgang von Immobilienpreisen, Finanzanlagen und Rohstoffen und das allgemein schwache Realwachstum lassen zusammen sehr niedrige Inflationsraten im Jahr 2009 erwarten. Wir rechnen mit einem Rückgang der Inflation auf annähernd Null im Gesamtjahr in den entwickelten Ländern und auf einen Wert unterhalb von fünf Prozent in den Schwellenländern. Einen weit verbreiteten Preisrückgang, der vom anhaltenden Prozess des Abbaus von Fremdfinanzierungen verschlimmert wird, verhindern aggressive Geld- und finanzpolitische Anreizinitiativen, die sich unserer Erwartung nach am Ende als erfolgreich erweisen werden. Diese Maßnahmen dienen dem Zweck, einen Kollaps des Bankensystems zu verhindern, den wirtschaftlichen Abschwung zu dämpfen, Kredite an gute Schuldner wieder fließen zu lassen, die Restrukturierung oder den Ausfall schwacher Schuldner zu erleichtern und dem Rückgang der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes zu stoppen. Mögliche Inflationsrisiken werden verringert, wenn die US-Notenbank Reserven zurücknimmt und die Zinsen erhöht, sobald sich die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes stabilisiert und erhöht.

Zinsstrukturkurve von US-Staatsanleihen ist Ende 2009 höher und steiler als zu Jahresbeginn.

Die Renditen von US-Staatsanleihen sind über die gesamte Zinsstrukturkurve hinweg auf Niveaus gefallen, die vor nicht langer Zeit von den meisten Anlegern für unmöglich gehalten wurden. Dies wurde gefördert durch die Aggressivität, mit der die US-Notenbank ihre anti-deflationären Werkzeuge einsetzte, ebenso durch sinkendes Realwachstum und Inflation. Unserer Ansicht nach werden reflationäre Maßnahmen am Ende erfolgreich sein, und dafür wird es genug Beweise geben, um die Zinsstrukturkurve am Ende des Jahres höher als zu Beginn sein zu lassen. Damit dies passiert, muss die Angst schwinden und das Vertrauen steigen. Risiken der Maßnahmen sind ein sinkender US-Dollar und/oder steigende Zinsen, wenn Ausländer weniger bereit sind, die riesigen Mengen neu emittierter US-Staatsanleihen zu kaufen.

Gewinne fallen 2009 erstmals seit den 1930ern zweimal hintereinander prozentual zweistellig

Im letzten Herbst begann ein Gewinneinbruch, da ein massives Schrumpfen der Wirtschaft einsetzte. Die Finanzergebnisse waren enttäuschend. Zyklische Sektoren wurden am schlimmsten getroffen, zunächst der Konsumbereich, später auch Industriewerte und multinationale Sektoren. Im Schnitt lag zwischen dem Hoch- und dem Tiefstand der Gewinne in den Rezessionen seit dem Zweiten Weltkrieg eine Spanne von etwas über 20 Prozent. Wir glauben, dass der Rückgang diesmal mindestens doppelt so hoch ausfallen wird. Nebenbei sei bemerkt, dass der Gewinnrückgang in der Depression bei rund 70 Prozent lag. Diesmal ist er sowohl auf Umsatz- als auch auf Margendruck zurückzuführen. Im Ergebnis werden die Gewinne, die schon 2008 prozentual zweistellig sanken, wahrscheinlich auch 2009 in ähnlichem Umfang zurückgehen. Es wäre der erste aufeinander folgende prozentual zweistellige Rückgang der Jahresgewinne seit den frühen 1930er Jahren. Verglichen mit 2008 dürften die 2009 aus der Gewinnperspektive am härtesten getroffenen Sektoren Materialien, Energie, Industrie und Informationstechnologie sein.

Renditeabstände von Unternehmens- und Kommunalanleihen zu Staatsanleihen werden kleiner

Ähnlich wie unsere Ansicht, dass die Zinsstrukturkurve im Jahr 2009 steigt, beruht auch die Prognose kleiner werdender Renditeabstände auf der Annahme, dass Politik funktioniert. Geht das Niveau der Angst zurück und wird das Vertrauen langsam wiederaufgebaut, können riskantere Anlagen sich wieder besser entwickeln als sichere Anlageformen. Wenn es so kommt, werden die Renditeabstände von Unternehmens-, Hochzins- und Kommunalanleihen gegenüber Staatsanleihen von ihren derzeit sehr hohem Niveaus aus sinken. Die aktuellen Renditeabstände implizieren katastrophale Verhältnisse in Bezug auf Zahlungsausfälle und Pleiten. Zweifellos werden wir eine deutlich höhere Zahl von Konkursen sehen, aber unserer Meinung nach haben die aktuellen Renditeabstände diese Risiken in übertriebenem Maße eingepreist, oder die Märkte leiden unter realen Liquiditätsproblemen. Weil die Renditeunterschiede so groß sind und die Ertragsraten der US-Staatsanleihen so niedrig, glauben wir daran, dass diese Vorhersage sich mit einer hohen Wahrscheinlichkeit als zutreffend erweisen wird.

US-Aktien erzielen 2009 prozentual zweistellige Wertzuwächse.

Nach einem Absturz um über 50 Prozent vom Höchst- zum Tiefststand preisen Aktien in ihrem Ausblick ein faires Maß an negativen Einflüssen ein. Wir glauben zudem, dass ein Bodenbildungsprozess am 10. Oktober 2008 begann und durch ein sekundäres Tief am 21. November 2008 bestätigt wurde. Wegen Finanz- und geldpolitischer Anreize auf Rekordniveau, deutlich niedrigeren Ölpreisen, viel günstigeren Bewertungen, ausgeprägt schlechter Stimmung und einer sehr großen Menge anzulegenden Geldes ist es wahrscheinlich, dass Aktien irgendwann im Jahr 2009 über das Tal hinausblicken und eine spürbare Rallye erleben werden. Wie viele unserer Vorhersagen hängt auch diese davon ab, dass reflationäre Kräfte gegenüber deflationären Einflüssen die Oberhand gewinnen. Wenn wir mit unserer Vermutung richtig liegen, dass eine Erholung der Gewinne im Jahr 2010 kommt, deren Anzeichen 2009 sichtbar werden, erscheinen als Zielmarke für den Stand des S&P-500-Index zum Jahresende 1.000 bis 1.050 Punkte möglich.

US-Aktien laufen besser als europäische Titel, Schwellenländer überflügeln entwickelte Märkte.

Der US-Aktienmarkt entwickelte sich 2008 besser als die meisten Börsen außerhalb der USA, bedingt durch die Aggressivität der Geld- und Finanzpolitik und den defensiven Charakter der US-Anlagen, der eine höhere Vorhersagbarkeit der Gewinne und niedrigere Volatilität mit sich bringt. Diese Faktoren sollten zusammen mit früheren Anzeichen für einen wirtschaftlichen Bodenbildungsprozess den US-Aktien auch im Jahr 2009 eine bessere Entwicklung ermöglichen als dem europäischen Durchschnitt. Europa war langsamer beim Anerkennen der Problematik wirtschaftlicher Anspannung, was sich ausdrückt in den noch immer höheren Zinsen und einem langsameren Bereinigungsprozess im Bankensystem. Auch die europäische Uneinigkeit bei finanzpolitischen Antworten und Bevölkerungsrückgänge sprechen für eine bessere Entwicklung in den USA. In ähnlicher Weise glauben wir, dass Schwellenmärkte die entwickelten Länder übertreffen werden. Die Abschwächung/Rezession in den Schwellenmärkten scheint eher traditioneller zyklischer Natur zu sein, mehr als der stärker strukturelle Abschwung in der entwickelten Welt. Wir glauben auch, dass erneute Belege für die langfristigen Perspektiven der Schwellenmärkte, etwa in Bezug auf eine wachsende Mittelschicht und Konsumentenzahl, steigende Produktivitätsniveaus und generell schnelleres Wirtschaftswachstum die Erholungsgeschichte dieser Regionen unterstützen sollten.

Die Sektoren Energie, Gesundheit und IT überflügeln Versorger, Finanzen und Materialien.

Generell empfehlen wir Anlegern, Qualitätsaktien in ihren Portfolios zu halten, also Unternehmen mit starken Bilanzen, guten Cash-flow-Eigenschaften und etwas konjunktureller Unabhängigkeit. Allerdings werden sich ausgewählte Unternehmen niedrigerer Qualität während Rallyes und auch am Ende überdurchschnittlich entwickeln, sodass selektive Zukäufe in Schwächephasen angemessen sind. Unter den Sektoren bevorzugen wir den Gesundheitsbereich wegen seiner defensiven Natur, Informationstechnologie wegen ihrer gewissen Stabilität und etwas Zyklik und Energie wegen der Zyklik und günstigen Preises. Wir bleiben vorsichtig bei Finanzwerten wegen der strukturellen und kreditbezogenen Unsicherheiten, bei Versorgern wegen ihrer hohen Bewertungen und im Materialensektor wegen der ernsten Herausforderungen bei der Gewinnsituation.

Aktienmarktvolatilität bleibt erhöht wegen periodischer zweistelliger Rallyes und Rückgänge.

Die Volatilität explodierte 2008 wegen der erhöhten Unsicherheit und Angst. Gleichzeitig stiegen die Korrelationen zwischen Anlageklassen und Regionen deutlich an, in vielen Fällen bis zur Einheitlichkeit. Unsere Erwartung ist, dass die Unsicherheiten wegen des Kampfes zwischen schuldengetriebener Deflation und politikbetriebener Reflation zu bleibender Volatilität führen werden. Auch wenn das Volatilitätsniveau wohl nicht mehr den Rekordstand von 2008 erreicht, wird 2009 wahrscheinlich in die Geschichtsbücher als ein Jahr mit hoher Volatilität eingehen. Ein Ausdruck dessen werden wohl mehrere prozentual zweistellige Kursanstiege und Kursrückgänge im Jahresverlauf sein.

Öl und andere Rohstoffe erreichen einen Boden und bewegen sich bis zum Jahresende höher, während die Volkswirtschaften der Schwellenländer sich zu erholen beginnen.

Unter den Bereichen mit der höchsten Volatilität war 2008 der Rohstoffsektor. Die meisten Rohstoffe weiteten ihre mehrjährigen Gewinne bis ins Jahr 2008 hinein aus, erreichten einen Höhepunkt und erlitten danach heftige Verluste. Während die Höchststände nach oben übertrieben waren, könnten die derzeitigen Preisniveaus eine Übertreibung auf der Unterseite darstellen. Wenn stärker sichtbar wird, dass die Weltwirtschaft sich zu stabilisieren beginnt, erwarten wir eine Bodenbildung bei den Rohstoffpreisen und den Beginn einer Aufwärtsbewegung. Öl ist dabei besonders interessant, weil es bis auf fast 150 US-Dollar pro Fass zur Jahresmitte 2008 anstieg, um dann gegen Jahresende auf unter 40 US-Dollar zu fallen. Unsere Vermutung ist, dass ein Gleichgewicht des Preises irgendwo zwischen 60 und 80 US-Dollar erreicht ist. Die Rückkehr zu diesem Preisniveau hängt ab von der Erkennbarkeit eines Endes der Abschwächung beim Wachstum in den Schwellenländern.

US-Haushaltsdefizit übersteigt wegen wachsender Staatsausgaben eine Billion US-Dollar.
Obwohl sie zur Beendung der Deflationsgefahr und zur Wiederbelebung des Wachstums notwendig sind, haben massive finanzpolitische Anreizpakete ein schnell wachsendes gesamtstaatliches Haushaltsdefizit zur Konsequenz. Wir erwarten, dass das US-Haushaltsdefizit die Marke von einer Billion US-Dollar übersteigt, sowohl durch massive Ausgabenprogramme als auch durch rezessionsbedingt geringere Steuereinnahmen. Zudem können Unterdeckungen der Haushalte von Bundesstaaten und lokalen Regierungen akut werden, weil sie steigenden Ausgabebedürfnissen gegenüberstehen. Diese Körperschaften habe nicht die Flexibilität der Bundesregierung, unendliche Defizite aufzubauen. Weitere Konsequenzen des gesamtstaatlichen Haushaltsdefizits sind Einschränkungen für die Obama-Regierung bei der Erfüllung ihrer Wahlversprechen und letztlich auch mögliche massive Steuererhöhungen. Das explodierende Defizit birgt zudem Risiken wie höhere Zinsen, einen niedrigeren US-Dollar und möglicherweise Inflation.

Wie sollen Anleger sich verhalten?

Der Beginn eines neuen Jahres ist immer ein guter Zeitpunkt, um Anlageziele und Anlageallokation mit seinen Finanzberatern zu überdenken, und um notwendige Portfolioanpassungen vorzunehmen. Hier sind einige Ideen, die Anlegern erwägenswert erscheinen könnten:

Sich auf Qualität konzentrieren, aber Ausschau halten nach Rallyes bei niedrigerer Qualität: Wir sagen seit einiger Zeit, dass im aktuellen Umfeld die überzeugendsten Werte bei Unternehmen höherer Qualität gefunden werden können, die relativ starke Bilanzen, gesunde Niveaus freien Cash-flows und angemessene Finanzierungen haben. Dennoch haben in den vergangenen Monaten bei allen Marktrallyes Unternehmen niedrigerer Qualität überdurchschnittlich abgeschnitten. Für uns legt dieser Umstand nahe, dass unser genereller Fokus auf Qualität derzeit weiter sinnvoll ist, Anleger aber auch zu Investitionen bei Titeln niedrigerer Qualität bereit sein sollten, um gute Anlageergebnisse zu erzielen. Das gilt besonders, wenn diese Art von Titeln überverkauft werden.

US-Aktien übergewichten: Die Märkte außerhalb der USA wurden 2008 hart getroffen, vor allem wegen des Qualitätsthemas und der Aggressivität der US-amerikanischen Geld- und Finanzpolitik. In die Zukunft blickend erwarten wir, dass US-Aktien weiterhin besser als Aktien in anderen entwickelte Märkten abschneiden. Die Schwellenmärkte haben zuletzt einige der schlechtesten Kursbewegungen gezeigt, die langfristigen Anlagegründe für diesen Bereich bleiben aber intakt.

Auf besser positionierte Sektoren konzentrieren: Trotz des Rückschlages beim Ölpreis glauben wir nach wie vor, dass der Energiesektor attraktiv bleibt, ebenso wie die Bereiche Technologie und Gesundheit. In Bezug auf den Finanzsektor bleiben wir bei unserem vorsichtigen Ausblick und empfehlen weiterhin untergewichtete Positionen.

Den Fokus beibehalten: Es scheint ein simpler Ratschlag zu sein, doch angesichts der anhaltenden Marktvolatilität würden wir Anleger ermutigen, weiter auf die langfristige Perspektive konzentriert zu bleiben, mögliche Stürme auszusitzen, nach Kaufgelegenheiten Ausschau zu halten und vor allem auf die Grundregeln zu vertrauen, nämlich voll investiert und gut diversifiziert zu sein.

Quelle: BlackRock

BlackRock ist eine der größten börsennotierten Investment-Management-Firmen weltweit. Per 30. September 2008 beliefen sich die verwalteten Kundengelder von BlackRock insgesamt auf 1,259 Billionen US-Dollar. Das Unternehmen verwaltet Vermögenswerte für institutionelle und private Investoren weltweit mit einer breiten Palette von Anlageprodukten aus den Bereichen Aktien, festverzinsliche Wertpapiere, Geldmarkt- und alternative Investments.

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