Vollkasko-Investments: Wackelige "Zinsleiter" und neue Momentum-Anleihen
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In der breiten Anlegerschaft angekommen sind bislang nur die Garantie-Zertifikate - vor allem die großen Filialorganisationen wie die Volks- und Raiffeisenbanken (DZ Bank) und das Sparkassen-Netz (WestLB, Bayern LB) sammeln mit den Vollkasko-Produkten Milliardenbeträge ein, was allerdings nicht daran liegen kann, dass diese Papiere besonders verständlich sind. Im Gegenteil, gerade der aktuelle Trend zu einer Struktur, die erstmals im Juli bei der "Feuer & Flamme"-Anleihe der Bayerischen Landesbank (ISIN DE 000 A0A 3CH 9) zur Anwendung kam, stößt in neue Komplexitäts-Dimensionen vor.
Charakteristisches Merkmal ist (neben der 100prozentigen Kapitalgarantie bei Fälligkeit in vier bis sechs Jahren) die hohe Anfangsverzinsung. Je nach Emittent und Laufzeit wird für das erste Jahr ein Kupon von sechs Prozent oder mehr geboten - ein wunderbares Instrument, um die von Niedrigzinsen gepeinigten Sparer anzulocken. Anschließend wird's dann mathematisch; die Ausschüttungen der Folgejahre ergeben sich nach der Formel "Letzter Zins + Zinsleiter-Komponente - EURIBOR". Will heißen: Zum für die Vorperiode gezahlten Kupon wird zunächst etwas hinzu addiert, bei der aktuellen "6% Zinsleiter" von Goldman Sachs (ISIN DE 000 GS9 F52 4) anfänglich zwei Prozent. Damit würde man im zweiten Jahr auf einen stattlichen Zinssatz von 8,0 Prozent kommen, doch leider wird davon noch der Geldmarkt-Zins ("Euro Interbank Offered Rate") subtrahiert. Dieser bewegt sich aktuell bei 2,20 Prozent, könnte aber bis zum ersten Feststellungstag anno 2006 vielleicht bis auf 4,0 Prozent steigen. Dann stünden unter dem Strich bloß noch 4,0 Prozent Zufluss, was zwar deutlich über dem Ertrag von Bundesanleihen liegen würde, von den werbewirksamen 6,0 Prozent aber schon ein ganzes Stück entfernt wäre.
Gleichzeitig müssten die 4,0 Prozent als Verzinsungsbasis für das Folgejahr dienen. Darauf wird wieder die "Zinsleiter-Komponente" angewendet, die jetzt - Leitern gehen für gewöhnlich nach oben - bei 2,5 Prozent liegt. Von den daraus resultierenden 6,0 Prozent muss nun natürlich wieder der EURIBOR in Abzug gebracht werden, so dass bei auf erhöhtem Niveau konstanter Zinsentwicklung gerade mal noch 2,5 Prozent zu holen wären. Im vierten Jahr könnte das Anlageergebnis dann noch mickriger ausfallen: 2,5 Prozent Basis-Zins + 3,0 Prozent Zinsleiter-Komponente - 4,0 Prozent EURIBOR ergäben bloß 1,5 Prozent. Im fünften und im sechsten Jahr steigt die Zinsleiter-Komponente dann auf 3,5 und 4,0 Prozent, so dass bei weiterhin stagnierendem EURIBOR Kupons von 1,0 Prozent p.a. vereinnahmt würden. Über die gesamte Laufzeit von sechs Jahren hätte man also in der Summe 16 Prozent Zinsen kassiert, also durchschnittlich 2,66 Prozent pro Jahr. Auch wenn dieser Vergleich mathematisch etwas zu simpel ist - Hans Eichels Staatspapiere rentieren in dieser Laufzeitklasse mit 3,55 Prozent p.a.
Natürlich ist dies nur eines von theoretisch unendlich vielen Szenarien zum Auszahlungsprofil, das obendrein einen baldigen Anstieg der Geldmarkt-Sätze auf 4,0 Prozent unterstellt. Doch genau das ist die Erwartung der meisten Volkswirte und Analysten (die zugegebenermaßen schon oft genug geirrt haben); am Chart erkennt man darüber hinaus, dass dieses Niveau vor noch gar nicht allzu langer Zeit deutlich überschritten wurde. Darüber hinaus kann die Bilanz der "Zinsleiter" schnell noch schlechter aussehen - klettern die Zinsen noch höher, dürfte man zwei Jahre überhaupt keinen Kupon sehen. Das Produkt verbrieft also die Spekulation auf eine im aktuellen Umfeld nicht sonderlich wahrscheinliche Markterwartung, nämlich konstante oder besser noch weiter fallende Zinsen.
Aber selbst dann hat man an der "Zinsleiter" nicht unbedingt viel Freude - denn es gibt ein Kündigungsrecht des Emittenten. Zu jedem Zinstermin kann Goldman Sachs die Anleihe zum Emissionspreis von 100,00 Euro vorzeitig zurückzahlen. Das wird natürlich dann der Fall sein, wenn die "Goldmänner" vor dem Hintergrund konstant niedriger Zinsen befürchten, dass auch in der Folgezeit überdurchschnittliche Kupons gezahlt werden müssen. Genau abschätzen lässt sich das indes nicht; letztendlich ist der Anleger im Hinblick auf die tatsächliche Fälligkeit der spezifischen Zinserwartung des Emittenten ausgeliefert. Das muss nicht unbedingt ein Nachteil sein, schließlich hätte man dann ein ziemlich üppig verzinstes Kurzfrist-Investment gehabt; gleichzeitig wird der Anleger allerdings der Chance beraubt, nachhaltig an dauerhaft niedrigen Zinsen (so unwahrscheinlich diese auch sein mögen) zu partizipieren.
Insgesamt sehen wir keine Perspektive, eine signifikante Überrendite zu klassischen Anleihen zu erzielen, weshalb man der "Zinsleiter" und allen vergleichbaren Strukturen mit Zurückhaltung gegenüberstehen sollte. Attraktiv bleibt derweil das Segment der Momentum-Anleihen, wo die Deutsche Bank gerade ein besonderes "Zuckerle" präsentiert: Das per Fälligkeit im September 2011 kapitalgarantierte "Swing Lock-in" (ISIN DE 000 DB0 91J 5) ist mit einer satten Mindestverzinsung von 3,0 Prozent ausgestattet; selbst im schlimmsten Fall wird der Renditenachteil gegenüber einer siebenjährigen Bundesanleihe sich also auf lediglich 0,7 Prozentpunkte belaufen. Dafür gibt's die unbegrenzte Chance auf einen dicken Zins-Bonus - gezahlt werden 70 Prozent der geringsten absoluten Abweichung innerhalb eines 25 internationale "Blue Chips" umfassenden Aktienkorbes. Unabhängig von der Tendenz bekommt man also bereits dann mehr als bei der Bundesanleihe, wenn während eines Zinsjahres alle Aktien mehr als 5,2 Prozent gewinnen oder verlieren.
Bei 25 Titeln und einer solchen Hürde ist das freilich nicht unbedingt wahrscheinlich; irgendeine Aktie, die sich per saldo nicht bewegt, könnte die Performance-Rechnung verhageln. Dass das im Börsenhandel zu 100,75 Euro angebotene Zertifikat bei defensiven Investoren dennoch ganz oben auf der "Watchlist" stehen sollte, liegt am bewährten "Lock-in"-Prinzip: Ein einmal gezahlter Kupon wird für den Rest der Laufzeit als neuer Mindestzins festgeschrieben. Damit reicht ein "Glückstreffer", um die Gesamtrendite deutlich über vier Prozent p.a. zu hieven - falls 2005 oder 2006 entweder im Zuge einer Hausse oder durch eine kräftige Baisse alle Aktien beispielsweise um mindestens 7,5 Prozent schwanken, würde man bis zum Ende jedes Jahr mindestens 5,25 Prozent Zinsen überwiesen bekommen. Da die Kapitalgarantie erst bei Fälligkeit greift, sollten hier allerdings nur Anleger zugreifen, die tatsächlich sieben Jahre auf ihr Geld verzichten können; wer nicht so viel Zeit hat, fährt dagegen besser mit dem identisch strukturierten "Multizins Garant Extra" der DZ Bank (ISIN DE 000 951 952 0), der bereits im Mai 2008 fällig wird, dafür aber auch nur 1,5 Prozent Mindestzins bringt.
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