Volksabstimmung über Zukunft der EU?
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Artikel 146 des deutschen Grundgesetzes : „Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“
Die erste Chance zur Anwendung dieser Bestimmung wurde im Zuge der deutschen Einigung verpasst. Im Rahmen der fortschreitenden europäischen Einigung wirft jetzt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble endlich eine Volksabstimmung in den Raum, die eine neue Verfassung beschließen könnte. Hintergrund ist, dass europäische Verträge zunehmend an die Grenzen des Grundgesetzes stoßen: Fiskalpakt, ESM, womöglich mittelfristig Eurobonds. Das Bundesverfassungsgericht hat schon mehrfach klargestellt, dass die Rechte des Bundestags durch völkerrechtliche Verträge nicht außer Kraft gesetzt werden dürfen. Genau dies droht aber: Das Budgetrecht wird z.B. durch den Fiskalpakt stark eingeschränkt. Der ESM überträgt einem nicht gewählten Gremium weitreichende Befugnisse über deutsche Steuergelder. Usw…
Da der gesamte europäische Einigungsprozess ohnehin am Scheideweg steht, ist die Zeit für eine Volksbefragung eigentlich schon lange überfällig. Wir haben dafür keinesfalls noch 5 Jahre Zeit, wie vielleicht einige Politiker immer noch meinen. In jedem einzelnen EU-Land sollte über eine weitere Kompetenzverlagerung nach Brüssel das Volk entscheiden. Dieses Votum muss dann aber auch ernst genommen werden. Die möglichen Konsequenzen sollten allen klar sein: Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich eine Mehrheit in vielen Staaten für einen de facto-Stopp des Integrationsprozesses entscheidet. Was genau dabei herauskommt, hängt natürlich auch von den zur Abstimmung vorgelegten Fragen ab. Darüber jetzt schon zu spekulieren macht wenig Sinn. Ebenso wie über die Frage, ob es dann zu einer Trennung der EU kommt in Staaten, die sich stärker integrieren wollen und jene, die eher das Rad der Zeit zurückdrehen wollen. Das wird sich wahrscheinlich schneller herausstellen, als wir uns momentan vorstellen können. Die Marktentwicklungen werden die Politik zu raschem Handeln zwingen.
Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Denn die EU hat sich, nicht nur in der Wahrnehmung durch die Bürger, zu einem undemokratischen Bürokratiemonstrum entwickelt. Den Höhepunkt dieser Entwicklung markiert der ESM, wobei er weniger bürokratisch als undemokratisch ist. Es ist nicht auszuschließen, dass das BVG den Europäischen Stabilitätsmechanismus so nicht durchwinken wird. Dann wird der Koalition nichts anderes übrigbleiben, als den Vertragstext deutlich zu ändern und dem Bundestag mehr Rechte einzuräumen. Das nimmt dem ESM natürlich genau jene Flexibilität, die ihm die Euroretter ja explizit einräumen wollen. Um mittelfristig einen Vertrag ihrer Wahl durchzudrücken, könnten Schäuble und Co. auf die oben angesprochene Verfassungsänderung angewiesen sein. Dann hat der ESM wenigstens etwas Positives bewirkt.
Daniel Kühn
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