Kommentar
20:16 Uhr, 20.12.2005

Völlig neuartiges Strategie-Zertifikat: Outperformance macht Anleger zu „Alpha-Tieren“

Einfacher als im nun zu Ende gehenden Jahr können Aktienmärkte es dem Anleger kaum machen. Fast überall ging’s nach oben und wer genügend Papiere mit direkter, ungekappter Partizipation im Depot hatte, musste schon kräftig daneben langen, um keine zweistelligen Renditen einzufahren. Fraglich bloß, ob die schöne Börsenstory sich auch 2006 fortsetzt. Risikofaktoren gibt es jedenfalls genug: Zwar scheinen gerade europäische Standardwerte gemessen am Kurs/Gewinn-Verhältnis nach wie vor recht günstig zu sein; diese Berechnungen basieren jedoch teilweise auf dermaßen ambitionierten Ertragsschätzungen, dass schon kleine Enttäuschungen zu herben Kurseinbußen führen dürften. Gleichzeitig droht nach den jüngsten anti-israelischen Hasstiraden des iranischen Ministerpräsidenten Achmadinedschad eine neuerliche Eskalation im Nahen Osten. Und obendrein darf man nicht vergessen, dass die Aufwärtsbewegung der letzten Zeit nicht zuletzt davon getrieben wurde, dass (zu) viel billiges Geld verfügbar ist – das Damoklesschwert weiterer Zinserhöhungen schwebt auch nach den beschwichtigenden Fed-Äußerungen vom Donnerstag weiterhin über den Köpfen der Börsianer.

Zertifikate-Strukturen haben ihre Grenzen
Nein, wir sind nicht auf die Seite der Crash-Propheten gewechselt und natürlich gibt es auch zahlreiche Argumente für eine Fortsetzung der Rallye. Nur darf die momentane Glückseligkeit eben nicht den Blick für mögliche Gefahren trüben – und für die Grenzen strukturierter Anlageprodukte. Denn wenn die Kurse bald mal wieder südwärts tendieren (und auf diesem Niveau wäre eine 15- bis 20prozentige Korrektur durchaus keine Überraschung), tauchen nahezu sämtliche Zertifikate-Strukturen ebenfalls ab: Klassische Index-Papiere verlieren „eins-zu-eins“, Outperformance-Zertifikate können (sofern der Basispreis schon weit überschritten wurde) sogar überproportional absacken und bei den beliebten „Bonüssen“ wirkt der Mechanismus erst im letzten Laufzeitdrittel stabilisierend. Selbst bei 40 Prozent Schwellenabstand sind also temporäre Einbußen zu befürchten, die sich zwar (sofern die Barriere hält) über die Zeit „aussitzen“ lassen, zunächst aber die Schwankungsintensität des Portfolios erhöhen.

Diversifikation zu sehr auf Nischen fokussiert
Die einzige Chance, dieses Problem zu lösen, liegt in einer möglichst breiten Diversifikation auf verschiedenste niedrig korrelierte Basiswerte, die sich unabhängig voneinander entwickeln, so dass die zeitweilige Schwäche eines Marktes an anderer Stelle kompensiert werden kann. Ein Blick auf die Zwei-Jahres-Charts der wichtigsten Asset-Klassen zeigt jedoch, dass traditionelle Korrelationsmodelle bei aller theoretischen Validität nicht immer aufgehen müssen. Über einen nicht gerade knapp bemessenen Zeitraum haben (wohl auch wegen des globalen Anlagedrucks infolge niedriger Zinsen) sowohl die etablierten Aktienmärkte und die „Emerging Markets“ als auch Renten, Energieträger, Industrie- und Edelmetalle deutlich zugelegt – eine Parallelentwicklung, die natürlich auch ins Negative umschlagen kann.

Die „Relative Performance“ als Ausweg
Wesentlich sinnvoller erscheint uns an dieser Stelle der „Relative Performance“-Ansatz, eine für Privatanleger bislang nur schwer zugängliche, im institutionellen Geschäft jedoch höchst bewährte Strategie, mit der man sich tatsächlich dem Auf und Ab einzelner Märkte entziehen kann. Denn hierbei muss man nicht wie sonst darauf hoffen, dass ein bestimmter Markt steigt oder zumindest nicht zu stark fällt (so dass bestimmte Schwellen halten), sondern spekuliert einfach darauf, wie sich zwei verschiedene Basiswerte zueinander verhalten. Statt „A steigt“ oder „B läuft seitwärts“ sagt man also „A entwickelt sich besser als B“ und solange das tatsächlich der Fall ist und die Lücke zwischen A und B sukzessive größer wird, verdienen Sie als Anleger Geld – völlig unabhängig von der absoluten Tendenz. Wenn A 30 Prozent zulegt und B nur 10 Prozent, erwirtschaftet eine „Relative Performance“-Strategie genau dieselbe Rendite wie wenn A 10 Prozent gewinnt und B 10 Prozent verliert oder A 30 Prozent verliert und B um 50 Prozent einkracht. Nur die Differenz ist entscheidend und die liegt in allen drei Fällen bei 20 Prozentpunkten.

Spekulation auf zwei verbundene Basiswerte
Bleibt nur noch die Frage, welche Basiswerte man nun für A und B konkret einsetzt. Die beiden gewählten Märkte sollten in jedem Fall gewisse Querbezüge aufweisen. Dies gilt beispielsweise für die Strategie „Aktie versus Index“ (also etwa: „BMW entwickelt sich besser als der DAX“ oder, zuletzt sehr profitabel „Deutsche Telekom entwickelt sich schlechter als der DAX“), die im übrigen ja genau die Diktion aufgreift, in der die Analysten der Banken ihre Studien abfassen – ein positives Urteil wird nur selten mit „Aktie steigt“ überschrieben, viel lieber bedienen die professionellen Börsen-Deuter sich der Formulierung „Market Outperform“, was nichts Anderes ausdrückt als die Erwartung, dass die Aktie besser laufen wird als der Gesamtmarkt. Der freilich ist genau das Problem bei traditionellen Investments: Wenn man auf Basis eines solchen Analysten-Urteils einsteigt und der Gesamtmarkt anschließend wie 2002 um 40 Prozent fällt, wird man kaum Luftsprünge machen, wenn die Aktie nur um 25 Prozent absackt. Die 15 Prozentpunkte Performance-Vorsprung sind dann zwar für den Analysten eine nette Bestätigung seiner Wahrsager-Kompetenz, für den Anleger, der ein Viertel seines Einsatzes verloren hat, jedoch nur ein schwacher Trost.

Vom „Beta“ zum „Alpha“
Doch auch wer den Analysten eher skeptisch gegenüber steht und lieber breit gestreut investiert statt auf Einzelwerte zu setzen, sollte sich mit dem Thema „Relative Performance“ auseinandersetzen. Denn überall, wo es in irgendeiner Form um das Management von (Aktien-) Portfolios geht – sei es bei einem aktiv betreuten Fonds oder bei einem nach quantitativen Kriterien regelmäßig neu zusammengestellten Basket für ein Strategie-Zertifikat –, tanzt die Finanzbranche um das Goldene Kalb „Benchmark“; irgendein Vergleichsindex soll übertroffen werden. Schon das ist eine nahezu titanische Herausforderung. Nicht umsonst schneiden die meisten Fondsmanager regelmäßig schlechter ab als der Gesamtmarkt. Doch selbst wenn die sagenumwobene Überrendite zum Index erzielt wird, bleibt immer noch das allgemeine Marktrisiko (im Fachjargon auch „Beta“ genannt), das in schlechten Zeiten aus der schönsten Outperformance (dem „Alpha“) bloß geringere Verluste macht; auch die besten DAX-Fonds und -Strategien sind in der Baisse zum Anfang des Jahrtausends kräftig unter die Räder gekommen. Umgekehrt liegt darin jedoch auch eine Chance: Wenn es gelingt, bei einer nachhaltig erfolgreichen Investment-Strategie das „Beta“ herauszunehmen und somit die Überrendite separat handelbar zu machen, entsteht letztendlich ein völlig neuer Basiswert, der marktneutrale Erträge liefern kann, also genau das, was mit dem inzwischen zum Unwort verkommenen Attribut „Absolute Return“ eigentlich gemeint ist.

Auf der Suche nach validen Basis-Strategien
Zunächst gilt es also, eine Strategie zu definieren, die möglichst valide Aussichten für ein hohes, konstantes Alpha bietet. Entsprechende Ideen gibt es en masse und viele davon wurden in den letzten Jahren auch als Strategie-Zertifikat verbrieft. Fast schon legendär ist das Dividenden-Modell, bei dem in regelmäßigen Abständen die 10 oder 15 ausschüttungsstärksten Titel aus einem Index ausgewählt werden; im EURO STOXX 50-Segment bieten u.a. die Société Générale („SG Dividend Stars“, ISIN DE 000 SG0 EDJ 8) und die Deutsche Bank („EuroLeader“, ISIN DE 000 836 670 9, leider mit begrenzter Laufzeit) dieses klassische „Value“-Konzept an. UBS hält mit dem „Europa Substanz Index“ (ISIN CH 001 381 297 6) mit einer Aktienauswahl anhand des KGVs dagegen; aus dem selben Hause kommt auch die „PEG-Strategie“ (CH 001 204 835 8), bei der aus KGV und langfristigem Gewinnwachstum zunächst eine Art „Preis/Leistungs-Verhältnis“ für Aktien berechnet wird, um aussichtsreiche Titel zu finden. Das sind nur drei Beispiele, die zeigen, wie groß die Vielfalt ist. Und weil nahezu jedes Konzept sich irgendwie schlüssig erklären lässt und natürlich in der historischen Rückrechnung mit einem gigantischen Vorsprung zum Markt glänzt, hilft am Ende nur der Blick auf die nackten Zahlen – nämlich die „in freier Wildbahn“, also nach der Emission, erreichte Performance.

Strategie-Zertifikate besser als Ihr Ruf
Dieser Vergleich liefert zunächst Erfreuliches zutage: Von den sechs europäisch ausgerichteten Strategie-Zertifikaten, die wir als repräsentative Beispiele für die am Markt verfügbaren Konzepte untersucht haben, schnitt in den vergangenen zwei Jahren (seit 16. Januar 2004) nur eins schlechter ab als der EURO STOXX 50, der natürlich in der „Total Return“-Variante (mit automatischer Dividendenreinvestition) einfließt. Die „rote Laterne“ trägt das „ValueGrowth Select“-Zertifikat der Deutschen Bank (ISIN DE 000 747 697 0), dessen sagenhaft komplexer Auswahlmechanismus für eine Performance-Lücke von acht Prozent verantwortlich ist. Auch das ebenfalls von den „Blauen“ aufgelegte „SectorLeader“ (ISIN DE 000 709 348 6) vermag angesichts einer Outperformance von nicht einmal zwei Prozentpunkten kaum zu überzeugen. Die restlichen vier Papiere jedoch haben den Index in zwei Jahren um bis zu 25 Prozentpunkte übertroffen – und das bei nur unwesentlich höherer Volatilität; die Überrendite war also nicht mit zusätzlichen Risiken verbunden.

Quelle: www.zertifikatejournal.de

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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