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Aktueller Artikel aus der Financial Times
Versicherer bewerten Hochwasserrisiko neu
Von Nava Ebrahimi, Hamburg
Bewohner der Dresdner Innenstadt hätten vor der Flutwelle problemlos eine Versicherung gegen Hochwasserschäden abschließen können. Nach der Flutwelle stehen die Zeichen für sie jedoch anders.
"Es wird einige Menschen geben, die nach dem Hochwasser keine Elementarschadensversicherung mehr abschließen können", ist Michael Wortberg überzeugt. Und wenn doch, sagt der Versicherungsexperte der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz, dann zu deutlich gestiegenen Prämien und Selbstbeteiligungen.
"Wir müssen unterscheiden zwischen 'Vor Dresden' und 'Nach Dresden'", sagt Stephan Schweda, Sprecher des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Er spricht von einer komplett neuen Situation für die Versicherer. Denn: In dem "Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen" (ZÜRS) liegt Dresden in der niedrigsten Gefährdungsklasse.
ZÜRS ist eine Software, die der GDV entwickelte, um den Versicherungen eine flächendeckende Einschätzung des Überschwemmungsrisikos zu ermöglichen. Als Basis für ZÜRS wurden deutschlandweit die Überschwemmungflächen eines Hochwassers entlang der wichtigsten Flüsse und Nebenflüsse berechnet. Zu diesen modellhaften Szenarien wurden örtliche Gegebenheiten, etwa Dämme, in die Berechnungen miteinbezogen. Die Software ermittelt daraus drei Gefährdungsklassen. Zone drei ist diejenige mit der höchsten Hochwasserwahrscheinlichkeit, Überschwemmungen gibt es hier häufiger als alle zehn Jahre. Steht eine Immobilie in dieser Zone, prüft die Versicherung im Einzelfall, ob sie eine Elementarschadensversicherung anbietet oder nicht.
Vertrieb der Elementardeckung vorläufig ausgesetzt
Ist das Risiko nicht mehr kalkulierbar, erhält der Eigentümer keinen Versicherungsschutz. Die Allianz hat den Vertrieb der Elementardeckung vorläufig in den betroffenen Bundesländern ausgesetzt. Vorläufig heißt, "bis die Flutwelle vorüber ist", sagt Sabine Wolf, Allianz-Sprecherin. Die Nachfrage habe jedoch zugenommen, wie nach jeder Naturkatastrophe. Ob die Prämien für diesen speziellen Versicherungsschutz steigen werden, sei noch unklar. "Wir müssen die zweite Jahreshälfte abwarten." Auch die Hamburg-Mannheimer schließt Elementarschadensversicherungen erst wieder ab dem 1. September ab.
Was derzeit in Ostdeutschland passiert, sei so nicht zu erwarten gewesen, sagt Schweda. "Die Versicherer müssen sich nun überlegen: Wie wollen wir künftig solche Szenarien in unsere Kalkulation einfließen lassen?" ZÜRS beruhe bisher auf Daten aus der Vergangenheit. Auf dieser Basis ermittelte der GDV wie wahrscheinlich es ist, dass Hochwasser eintritt. "Die Diskussion unter Experten, ob das jetzt ein Jahrhundert- oder Jahrzehnthochwasser gewesen ist, zeigt, wie wenig wir über die Zukunft sagen können", sagt Schweda. Eine intensive Zusammenarbeit mit Klimaforschern sei nun gefragt. Auf Grund der neuen Erkenntnisse sei eine Verschiebung der Gefährdungsklassen möglich. Weniger als zehn Prozent der Gebiete deutschlandweit gehören derzeit zur höchsten Gefährdungsklasse. Dieser Anteil wird steigen, prognostiziert der Versicherungsexperte Wortberg.
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