Kommentar
11:45 Uhr, 24.08.2009

Verbraucherzentrale unterliegt

Sehr geehrte Privatanleger,

die Verbraucherzentrale wird durch eine Einstweilige Verfügung daran gehindert, ihren „Ampelcheck Geldanlage“ zu verbreiten. Das Landgericht Berlin untersagte der Zentrale unter anderem, Kapitallebensversicherungen oder Rentenversicherungen als weniger sicher als andere Anlageprodukte, wie zum Beispiel Aktienfonds, darzustellen. Die Produkte dürfen auch nicht mehr mit „Achtung – Gefahr!“ oder „Ein Risiko oder Nachteil ist vorhanden“ bewertet werden. Betreiber des Verfahrens ist der Koblenzer Versicherungskonzern Debeka.

Nach einem Ampelsystem hatte die Verbraucherzentrale Sicherheit, Rendite, Liquidität und Transparenz mit Grün, Gelb und Rot bewertet, an sich eine sinnvolle Sache. Der Debeka-Vorstandsvorsitzende kritisierte, dass komplexe Sachverhalte unzureichend vereinfacht würden. Das Gericht ist ihm zunächst gefolgt.

Nur: Die Komplexität nutzt den Konzernen, um satt abzukassieren. Wer blickt den heute noch durch, bei den Versorgungsprodukten? In meinem neuen Buch Informationscrash, das im Oktober erscheinen wird, analysiere ich genau diese Zusammenhänge: Die Vielfalt im Finanzwesen (und in vielen anderen Wirtschaftsbereichen) lässt einen total überforderten Bürger zurück, der dann leichte Beute der Anbieter wird. Genau hier wollte die Verbraucherzentrale ein Gegengewicht schaffen und ist vorerst gescheitert.

Es wäre die Aufgabe der Politik, einfache und klare Regeln zu schaffen. Letztlich könnte es ganz klare Gesetze geben, was erlaubt ist und was nicht. Oder ganz einfach: Das Kleingedruckte dürfte eine maximale Länge von einer halben Seite haben und nichts enthalten, was der Werbung widerspricht. Die Anbieter von Finanzprodukten sind Unternehmer. Sie dürften sich nicht gegen alles absichern. Wenn sie Mist anbieten, müssten Sie auch das Risiko eingehen, verklagt zu werden. Aber unsere Ministerien, die ihre Gesetzesentwürfe mittlerweile oft von Anwaltskanzleien schreiben lassen, weil sich in den Ministerien keiner mehr traut, Gesetze zu entwerfen, gehen das Thema nur sehr unvollständig an.

Sogar Riester- und Rürup-Renten seien als ungeeignet dargestellt, kritisiert der Debeka-Vorstandsvorsitzende. Ich sage es Ihnen hier nochmal: Riester- und Rürup-Renten sind zumeist eine große Geldbeschaffungsmaschine für die Finanzkonzerne. Ja, es gibt staatliche Förderung. Aber diese Förderung wandert in den ersten Jahren direkt zu den Finanzkozernen. In einer Titelgeschichte hat die Wirtschaftswoche detailliert ausgerechnet, dass sich für viele die Förderung erst lohnt, wenn sie 90 Jahre oder älter werden.

Neben der Politik hat auch die Wissenschaft nicht geholfen. Der Mannheimer Versicherungsprofessor Peter Albrecht kritisiert die Verbraucherzentrale fundamental. Nun, die meisten BWL-Professoren haben Gutachter- oder sonstige Jobs in der Finanzindustrie. „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing.“ Ich will damit nicht sagen, dass die Kollegen von der Industrie direkt für bestimmte Aussagen bezahlt würden. Aber je mehr man Meinungen vertritt, die den Konzernen genehm sind, desto mehr Jobs kann man bekommen. Es wäre schon ein Wunder, wenn die Kollegen da Ihren Brötchengebern gegenüber besonders kritisch auftreten würden.

Ich versuche, Ihnen offen meine Meinung zu sagen. Und die lautet: Kapitallebensversicherungen, Riester- oder Rürup-Produkte, viele Zertifikate, Hedgefonds oder Private Equity sind meistens Mist! Ich wünsche der Verbraucherzentrale, dass sie sich im Hauptverfahren durchsetzt.

Aber meine Hoffnungen sind gering. In Talksendungen dürfen Politiker mehr Regulierung fordern, aber wenn es an den Geldbeutel geht, dann schlagen die Finanzkonzerne mit aller Macht zurück.

Dennoch: Auf gute Investments!

Ihr Prof. Dr. Max Otte

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