Kommentar
10:30 Uhr, 12.10.2016

USA: Gewinnrezession beendet?

Seit fünf Quartalen hält die Gewinnrezession der US-Unternehmen schon an. Geht es nach den Analysten, dann kommt noch ein sechstes Quartal hinzu. Die Chancen stehen allerdings gut, dass sich die Analysten täuschen.

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Nach mehreren Quartalen ohne Gewinnwachstum wäre bereits ein nur minimaler Rückgang der Gewinne ein Sieg. Im zweiten Quartal schrumpften die Gewinne um 3,5 %. Anfang 2016 lag das negative Wachstum sogar bei 5,6 %. Eine rote oder schwarze Null wäre also nahezu bahnbrechend. Wenn es nach den ersten Resultaten des dritten Quartals geht, dann sieht es nicht gerade nach einem Befreiungsschlag aus. Alcoa-Aktionäre können das bestätigen. Die Aktie wird nach den Zahlen fallengelassen.

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Analysten gehen nicht von einer positiven Sensation aus. Sie schätzen, dass der Gewinn der S&P 500-Unternehmen auch im dritten Quartal 2016 weiter schrumpft. Konkret sehen sie im Konsens ein Minus von 2,1 %. Am Ende könnte aus diesem negativen Wert allerdings noch ein positiver werden, was dem Markt wieder Auftrieb geben kann, nachdem er gestern vor Enttäuschung erst einmal fiel.

Unternehmen verfolgen eine klare Strategie, wenn es um Erwartungsmanagement geht. Ist ein Quartal vorbei, dann stimmt der Ausblick meist optimistisch. Das hilft den Aktienkursen. Rückt dann allerdings die nächste Berichtssaison näher, werden die Ausblicke oftmals nach unten korrigiert.

Analysten passen ihre Schätzungen an die Ausblicke der Unternehmen an. Hebt ein Unternehmen seinen Ausblick an, dann folgen die Analysten. Senkt ein Unternehmen den Ausblick, dann folgen Analysten meist im Gleichschritt. Da nun Unternehmen vor den Quartalszahlen die Erwartungen dämpfen, sinken auch die Analystenschätzungen.

Werden die Quartalszahlen dann veröffentlicht, lässt sich auf wundersame Weise eine positive Überraschung feststellen. Die Unternehmen liegen plötzlich über den Erwartungen. Das liegt jedoch allein daran, dass sie die Erwartungen im Vorfeld gedämpft haben. Im Durchschnitt übertreffen etwa 70 % der Unternehmen die Erwartungen.

In Wirklichkeit sind die Überraschungen wenig überraschend. Wer die Systematik kennt weiß, dass ein Quartal durchschnittlich verlaufen ist, wenn 70 % der Unternehmen die Erwartungen schlagen. Liegen weniger als 70 % der Zahlen über den Erwartungen, ist das Quartal ein schlechtes gewesen. Erst bei Werten über 70 % war das Quartal tatsächlich überraschend gut.

Aus den Daten der letzten Jahre lässt sich herauslesen, um wie viel Unternehmen die Erwartungen wirklich geschlagen haben. Es geht dabei nicht nur um den Anteil der Firmen, die besser abschneiden, sondern auch darum, um wie viel besser die Ergebnisse sind. Laut dem Datenprovider Factset werden die Erwartungen im Durchschnitt um 4,3 % übertroffen – und zwar von ca. 70 % der Unternehmen.

Wendet man die Durchschnittswerte auf die aktuellen Schätzungen an, erhält man plötzlich keinen Gewinnrückgang von 2,1 % mehr, sondern ein Gewinnwachstum. Das Gewinnwachstum ist mit 0,9 % nun nicht gerade überragend, doch nach 5 negativen Quartalen würde dies endlich das Ende der Gewinnrezession besiegeln.

Grafik 1 zeigt dazu die Historie der Gewinnschätzungen und der letztlich tatsächlich realisierten Werte. Man sieht dabei sehr schön, dass die tatsächlichen Werte die Schätzungen konsequent schlagen. Es ist recht offensichtlich, welches Spiel Unternehmen und Analysten spielen.

Eine Schwalbe macht nun noch keinen Sommer. Ist das dritte Quartal tatsächlich positiv, kann das auch gut und gerne ein Ausrutscher sein. Persönlich gehe ich nicht davon aus. Grafik 2 zeigt die Analystenschätzungen für das dritte und vierte Quartal je Sektor und für den S&P 500 insgesamt. Demnach sollte in Q4 fast über alle Branchen hinweg ein Gewinnwachstum zu verzeichnen sein.

Die aktuelle Konsensschätzung sieht ein Gewinnwachstum in Q4 von 5,9 % vor. Dieser Wert wird bis zum Beginn der Quartalssaison wieder gesenkt werden, vermutlich in den Bereich von 0-2 %. Am Ende, wenn man die gleiche Methodologie wie oben anwendet, sollten die S&P 500 Unternehmen ein Gewinnwachstum von 4-6 % ausweisen.

Viele Anleger machen sich aufgrund der hohen Bewertungen Sorgen. Obwohl die Gewinne nun stagnieren, stehen die US-Indizes nahe ihrer Allzeithochs. Davon kann man halten, was man will, doch die Börse handelt die Zukunft. Die nächsten Quartale lassen eine Rückkehr des Gewinnwachstums vermuten. Mit einem Boden bei den Ölpreisen kann es vor allem im nächsten Jahr zu sehr hohem Wachstum kommen. Berücksichtigt man diese Entwicklung, dann sind die US-Indizes zwar immer noch hoch, aber nicht exzessiv bewertet.

Clemens Schmale

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Über den Experten

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Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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