USA: Ausweitung des Zielkanons verringert Wachstumsschub des Konjunkturpakets
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1. Nach zähem Ringen zwischen Senat und Repräsentantenhaus hat Präsident Obama seine Unterschrift unter das „American Recovery and Reinvestment“-Gesetz gesetzt. Nunmehr umfasst das Konjunkturpaket insgesamt ein Volumen von 787,2 Mrd. US-Dollar, in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt sind dies 5,5 %. Vordergründiges Ziel dieses Konjunkturpakets ist eine Belebung der wirtschaftlichen Aktivität sowie die Schaffung bzw. die Verhinderung des Abbaus von insgesamt knapp 4 Millionen zusätzlichen Arbeitsplätzen bis Ende 2010. Im Folgenden wollen wir verschiedene Einzelmaßnahmen und deren Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung sowie den Gesamtimpuls für die Wirtschaft erläutern. Insgesamt erachten wir das Konjunkturpaket als alternativlos. Denn wichtiger als der Wachstumsschub selbst ist die Stabilisierung der Erwartungen an den Finanzmärkten und der Wirtschaft insgesamt. Dies ist ökonomisch nicht zu quantifizieren, aber maßgeblich für eine bald wieder zunehmende wirtschaftliche Aktivität.
2. Blumig formuliert könnte man das Gesamtpaket der US-Regierung mit: „Schießen in alle Richtungen und aus vollen Rohren“ umschreiben. Insgesamt umfasst das Konjunkturpaket knapp 300 Einzelmaßnahmen, die sich letztlich zu den drei Bereichen Staatsausgaben/-investitionen, Steuererleichterungen und staatliche Zuschüsse zusammenfassen lassen.
(1) Staatsausgaben/-investitionen: Insgesamt werden rund 308 Mrd. US-Dollar vom Staat direkt nachfragewirksam ausgegeben. Hierbei entfallen allerdings nur 165 Mrd. US-Dollar auf den Zeitraum bis 2010. Das Ausgabenvolumen in Höhe von 143 Mrd. US-Dollar, die dann noch bis 2019 aufgewendet werden sollen, ist zwar ebenfalls in dem Konjunkturpaket einberechnet. Diese Ausgaben dienen aber nicht der eigentlichen Konjunkturbelebung, sondern vielmehr der wirtschaftspolitischen Neugestaltung der US-Wirtschaft (bspw. in den Bereichen Energie und Infrastruktur) über das Jahr 2010 hinaus.
Unter Berücksichtigung dieses Abschlags beträgt der kumulierte Konjunkturimpuls für das Bruttoinlandsprodukt aufgrund höherer Staatsausgaben/-investitionen bis Ende 2010 rund 1,4 Prozentpunkte.
(2) Steuersenkungen: In den vergangenen Jahren profitierten die privaten Haushalte und Unternehmen mehrfach von Steuersenkungen. Zuletzt wurden im Verlauf des vergangenen Jahres nachträglich die Einkommensteuersätze gesenkt und die zuviel gezahlten Steuerzahlungen in Form eines einmaligen Steuerschecks den privaten Haushalten erstattet. Die Form der einmaligen Erstattung von Steuerzahlungen war auch in den Jahren 2001 und 2003 durchgeführt worden. Die Erfahrungen mit dieser Art der Konjunkturstimulierung sind durchwachsen, da Steuerschecks nach jetzigem Kenntnisstand eher als konjunktureller Anschub nach dem Erreichen der wirtschaftlichen Talsohle nützlich sind, als dass sie den eigentlichen konjunkturellen Wendepunkt herbeiführen können: Die im Sommer 2001 während der damaligen Rezession ausgezahlten Steuerschecks wurden erst Ende des Jahres im Zusammenhang mit den Rabattaktionen der Autohändler ausgegeben. Zwei Jahre später war der Zeitpunkt der Versendung der Steuerschecks günstiger, da die Wirtschaft damals bereits aus ihrer Schwächeperiode herausgefunden hatte.
Im Falle der Einkommensteuersenkung „Payroll Tax Credit“, dem größten Einzelposten des aktuellen Konjunkturpakets, geht man daher dieses Mal einen neuen Weg. Statt einer einmaligen großen Auszahlung profitieren die privaten Haushalte nun monatlich von einer Verringerung ihrer Steuerlast. Das Kalkül hierbei ist, dass die monatliche Entlastung (je nach Einkommenshöhe ca. 30 US-Dollar) für jeden Einzelnen zu gering ist, um sie beispielsweise zur Bezahlung von Hypothekentilgungen zu verwenden, und deshalb für zusätzliche Konsumausgaben benutzt wird. In der Summe aller Haushalte kann entsprechend der Effekt auf die Konsumausgaben der privaten Haushalte, unabhängig vom wirtschaftlichen Umfeld, spürbar höher liegen als bei einer Einmalzahlung. Wir gehen davon aus, dass knapp die Hälfte dieser Steuererleichterung von den Konsumenten zeitnah verkonsumiert wird. Der Nachteil dieser Einzelmaßnahme ist, dass nicht alle Konsumbereiche profitieren werden. Beispielsweise dürfte aus diesem Grund die stark gebeutelte Autoindustrie hiervon keinen Schub erfahren, und auch die Möbelindustrie und das Baugewerbe werden diesbezüglich kaum Umsatzzuwächse erhalten.
Ein zweiter großer Einzelposten im Bereich der Steuerleichterungen ist die Verringerung der so genannten „Alternative Minimum Tax“. Bereits seit mehreren Jahren werden hier befristete Steuersenkungen beschlossen, um den negativen Effekt der Inflation zu verringern. Insoweit handelt es sich nicht um eine zusätzliche Maßnahme, sondern um eine Verlängerung einer Steuersenkung, die jetzt ausgelaufen wäre. Hinsichtlich unserer BIP-Prognose besteht hieraus kein Anpassungsbedarf, weil diese verlängerte Steuersenkung bereits einberechnet gewesen ist.
Allen Maßnahmen im Bereich der Steuererleichterungen ist gemein, dass der eigentliche Impuls für die Volkswirtschaft dadurch verringert wird, dass ein Teil der Steuerersparnis in die Ersparnis der privaten Haushalte fließen wird. Dies sind betragsmäßig über 100 Mrd. US-Dollar im Falle der privaten Haushalte bzw. ein zusätzlicher Anstieg der Sparquote um knapp einen Prozentpunkt. Insgesamt dürften die Steuersenkungen die wirtschaftliche Aktivität um weitere 0,6 Prozentpunkte bis Ende 2010 erhöhen.
(3) Staatliche Unterstützungen: Die wirtschaftliche Abschwächung macht sich nicht nur bei den privaten Unternehmen und Haushalten bemerkbar, sondern senkt auch die Budgets der Bundesstaaten, die teilweise deswegen in ernste Finanzierungsschwierigkeiten kommen. Die Verhinderung des Bankrotts von Bundesstaaten ist ein wesentlicher Aspekt der beschlossenen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen. Es geht also bei diesen Maßnahmen nicht in erster Linie darum, einen zusätzlichen Impuls für die wirtschaftliche Entwicklung zu generieren, sondern zu verhindern, dass Länder und Gemeinden ihre Ausgaben zurückführen. Wir haben daher einen erheblichen Abschlag von der Ausgangssumme vorgenommen. Insgesamt dürfte die wirtschaftliche Aktivität Ende 2010 um weitere knapp 0,3 Prozentpunkte von den staatlichen Unterstützungen profitieren.
In der ursprünglichen Version des Konjunkturpakets war mit der „Buy American“-Klausel der Versuch enthalten, mit dem Konjunkturpaket möglichst nur die inländische Nachfrage zu stimulieren. Durch den Wegfall dieser Klausel muss nun auch berücksichtigt werden, dass im Ausland produzierte Güter von diesem Konjunkturpaket profitieren. Wir bewerten es äußerst positiv, dass dieser Ansatz von Protektionismus im Keim erstickt wurde. Damit gehen wir jedoch davon aus, dass etwa 10 % des Konjunkturimpulses zu erhöhten Importen führen wird, sodass sich der Wachstumseffekt bis Ende 2010 um 0,2 Prozentpunkte verringert.
3. In der Summe wird das Konjunkturpaket bis Ende 2010 unseren Kalkulationen zufolge 2,1 Prozentpunkte zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts beitragen. Gemessen am Umfang des kompletten Konjunkturpakets von 5,5 % des nominalen Bruttoinlandsprodukts ist dies ernüchternd – dennoch steht die Richtigkeit des Schrittes außer Frage. Ziel des Konjunkturpakets ist es eben nicht nur, einen wirtschaftlichen Impuls zu generieren, sondern auch, notwendig gewordene staatliche Unterstützungsmaßnahmen vorzunehmen sowie die Volkswirtschaft wirtschaftspolitisch über das Jahr 2010 hinaus neu zu gestalten. So werden die Auswirkungen des Konjunkturpakets zeitlich noch sehr weit darüber hinausgehen, und zwar leider nicht nur im positiven Sinne. Blick man auf die daraus resultierende spürbar steigende Staatsverschuldung und damit absehbare Steuererhöhungen, tun sich Belastungen für das zukünftige Wachstumspotenzial der US-Wirtschaft auf. Nach Berechnungen des Congressional Budget Office verringert sich das Potenzialwachstum der US-Wirtschaft aufgrund des beschlossenen Konjunkturpakets ab ca. 2015 um jeweils 0,2 Prozentpunkte pro Jahr. Über den notwendigen Umfang des Pakets lässt sich in der Tat streiten, ebenso über die Bewertung seiner Ausgestaltung. Der Teil des Pakets, der als Konjunkturpaket im engeren Sinne bezeichnet werden kann, ist aus unserer Sicht jedoch sinnvoll und wichtig, um ein Ende der konjunkturellen Abwärtsbewegung herbeizuführen und die US-Wirtschaft wieder ins Wachstumsterrain zu bringen. Die Alternative zu diesem Konjunkturpaket – das Nichtstun des Staates – wäre zweifellos keine Alternative gewesen. An dieser Stelle sei hinsichtlich der fiskalischen Belastungen klar formuliert: Der kürzlich von Präsident Obama angekündigte Wille zur mittelfristigen Haushaltskonsolidierung ist zu begrüßen.
4. Bislang hatten wir die Stimulierungsmaßnahmen der US-Regierung nicht explizit in unser Makrobild eingearbeitet, denn im Gesetzgebungsverfahren haben sich sowohl Umfang als auch Zusammensetzung spürbar verändert. Was bedeutet das nunmehr verabschiedete Paket für unsere US-Konjunkturprognose? Aufgrund des Konjunkturpakets ergäbe sich für unsere BIP-Prognose ein Revisionsbedarf nach oben von 0,4 bzw. von 1,3 Prozentpunkten für dieses bzw. für nächstes Jahr. Allerdings haben wir unsere bisherigen Prognosen für das Bruttoinlandsprodukt nicht in diesem Ausmaß nach oben revidiert. Denn mit der aktuellen Prognoserevision drücken wir zugleich eine grundsätzlich skeptischere Einschätzung im Basisszenario aus: Die Bremsspuren, die die globale Finanzkrise in der Weltkonjunktur hinterlässt, werden immer tiefer. Die Verwerfungen im Finanzsektor können nur mühsam und über einen langen Zeitraum hinweg beseitigt werden. Angesichts der aktuellen Entwicklungen haben wir unsere Einschätzung bezüglich der Dynamik des Wachstumspfads ab der Jahresmitte nochmals nach unten genommen. Die Belastungen aus der Krise führen dazu, dass die Erholung der Weltwirtschaft extrem zäh verläuft. Wir haben es nicht mit einer normalen Rezession zu tun, sondern mit einer so genannten Bilanzrezession, die durch einen wirtschaftsweiten Schuldenabbau hervorgerufen wird. Solche Rezessionen sind hartnäckig. Dass wir überhaupt recht bald schon wieder mit Wachstum rechnen, liegt an den beherzten Zinssenkungen der Notenbanken und an den umfangreichen Konjunkturpaketen weltweit. Unsere bisherige Prognose für das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr revidieren wir daher von -2,0 % auf -2,1 % sogar geringfügig nach unten, während wir für 2010 nun von einem BIP-Wachstum von 2,4 % statt bislang 1,8 % ausgehen.
Quelle: DekaBank
Die DekaBank ist im Jahr 1999 aus der Fusion von Deutsche Girozentrale - Deutsche Kommunalbank- und DekaBank GmbH hervorgegangen. Die Gesellschaft ist als Zentralinstitut der deutschen Sparkassenorganisation im Investmentfondsgeschäft aktiv. Mit einem Fondsvolumen von mehr als 135 Mrd. Euro und über fünf Millionen betreuten Depots gehört die DekaBank zu den größten Finanzdienstleistern Deutschlands. Im Publikumsfondsgeschäft hält der DekaBank-Konzern einen Marktanteil von etwa 20 Prozent.
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