Kommentar
20:34 Uhr, 23.04.2015

US-Wirtschaft bricht bekannte Regeln

Die Entwicklung der US Wirtschaft wird immer rätselhafter. Es gibt sehr widersprüchliche Signale.

Die US Wirtschaft steht und fällt mit den privaten Konsumausgaben. Grafik 1 zeigt den Anteil des privaten Konsums an der Wirtschaftsleistung. In den 70er Jahren lag der Anteil bei weniger als 60%. Heute sind es gut 68%. Kurz vor dem Beginn der Finanzkrise waren es sogar fast 70%. Der Wert ist etwas zurückgegangen, weil sich die Haushalte in den vergangenen Jahren entschulden mussten. Ein Großteil des Anstiegs der Konsumausgaben vor der Krise war schuldenfinanziert.

Der Anteil beginnt nun langsam wieder zu steigen. Im Gegensatz zur letzten größeren Schwächephase von 2001 bis 2005 ist die Wiederaufnahme des Trends jedoch äußerst verhalten. Dennoch ist der private Konsum das, was das Wachstum weiterhin bestimmt. Würde der private Konsum um 2% pro Jahr steigen, dann würde die Wirtschaft allein deswegen schon 1,4% wachsen. Würden die Konsumausgaben um 2% sinken, dann würde das das Wachstum um 1,4% reduzieren. Um das auszugleichen müssten die anderen Bereiche deutlich stärker wachsen. Sie machen ca. 30% der Wirtschaftsleistung aus. Um 1,4% Wachstumsreduktion zu kompensieren müsste der Rest der Wirtschaft um 4,5% wachsen.
Momentan ist der US Konsum schwach. Das wird sich auf das Wirtschaftswachstum früher oder später auswirken. Grafik 2 zeigt das US Wirtschaftswachstum und das Wachstum der Konsumausgaben. Die beiden Datenreihen laufen parallel. Bedenkt man wie viel der private Konsum zum Wachstum beiträgt, dann macht das absolut Sinn.

Nun ist es derzeit so, dass sich das Konsumwachstum deutlich abschwächt. Auf Jahressicht ist es noch positiv. Vergleicht man die monatlichen Konsumausgaben, dann war das Wachstum 2015 bisher negativ. Das wiederum macht überhaupt keinen Sinn. Grafik 3 zeigt wieso. Hier ist die Jahreswachstumsrate des privaten Konsums dargestellt. Zusätzlich ist die Verbraucherstimmung abgebildet. Je besser Konsumenten gelaunt sind, desto mehr kaufen sie. Dieser Zusammenhang gilt seit Jahrzehnten. In den 70er Jahren war das kurzzeitig anders. Der Beitrag des Konsums zum BIP Wachstum ging zurück, obwohl die Konsumenten eigentlich ganz gut gelaunt waren. Das dürfte an den hohen Ölpreisen gelegen haben. Verbraucher hatten einfach weniger Geld verfügbar.

Derzeit gibt es keinen Preisfaktor, der das frei verfügbare Einkommen reduzieren würde. Die Ölpreise sind sehr niedrig. Verbraucher können sich zu geringen Zinsen verschulden. Durch die Reduktion der Schulden in den Vorjahren müssen sie insgesamt weniger ihres Einkommens für den Schuldendienst aufbringen. Die Inflation liegt sehr nahe an der 0% Marke. Kurz gesagt: es gibt nichts, was die persönlichen Einkommen reduziert. In der Stimmung zeigen sich diese positiven Faktoren, nur in den Konsumausgaben lässt sich darauf kein Hinweis finden.
Weil die Konsumenten ihre Ausgaben nicht steigern ist auch die Stimmung in der Wirtschaft schlecht. Der US Einkaufsmanagerindex (ISM Index) sinkt seit Monaten und liegt nur noch knapp über der Expansionsschwelle von 50 Punkten. Grafik 4 zeigt den ISM Index und das Verbrauchervertrauen. Beides läuft grundsätzlich parallel. Seit einiger Zeit driften die Indizes jedoch auseinander. Die Verbraucherstimmung steigt während die Unternehmen deutlich skeptischer in die Zukunft blicken. Eine so deutliche Divergenz gab es in den letzten 40 Jahren noch nie.

Jetzt kann man sich die Frage stellen, wer Recht hat, die Unternehmen oder die Konsumenten. Entweder setzt sich die gute Verbraucherstimmung bald in höhere Konsumausgaben um oder Unternehmen beginnen zu sparen. Im ersten Fall würde das Wachstum wieder anziehen und der ISM Index wieder nach oben zeigen. Im zweiten Fall würden die Konsumausgaben weiterhin nicht steigen. Unternehmen hätten dann keine Wahl als zu sparen (Reduktion von Investitionen, Personalabbau). Als Folge würde dann auch die Verbraucherstimmung wieder sinken.

Einer der beiden Fälle wird eintreten. Welcher, das ist vollkommen unklar. Momentan ist die Lage undurchsichtig. Die Daten ergeben keinen Sinn. Solange das der Fall ist, dürfte auch die US Notenbank mit Zinserhöhungen still halten.

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3 Kommentare

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  • Kasnapoff
    Kasnapoff

    Ich kann Ihnen gerne ein paar Gründe für den schwächelnden Konsum der AMIS nennen und zwar mit einem Vergleich zwischen 2007 und dem Frühjahr 2015.

    Konsumentenvertrauen 2007: 99,5 vs. 96,4 im April 2015

    Frühindikator ECRI 2007: -0,4 vs. -2,4 % im April 2015

    Lebensmittelmarkenempfänger 2007: 26,2 Mio. vs. 46,3 Mio im April 14

    US-Staatsverschuldung in % des BIP 2007 66% vs. 103% 2015

    Anteil der arbeitenden Bevölkerung 2007: 65,8% vs. 62,8% 2015

    Langzeitarbeitslose 2007: 1,3 Mio. vs. 2,71 Mio.

    Der industrielle Kern der amerikanischen Wirtschaft ist nur noch ein Abklatsch der früheren Stärke. Die Werkbänke stehen heute in China. Der Finanzsektor und die Internetindustrie sind dominant, aber das reicht bei weitem nicht aus, um an die erfolgreichen Zeiten der 60er, 70er und 80er Jahre anzuknüpfen.

    Bedenkt man, das die heutigen Daten trotz einer sintflutartigen Gelddruckorgie bedeutend schlechter sind, als die Daten kurz vor dem Ausbruch der großen Finanzkrise, dann kann einen ein mulmiges Gefühl beschleichen.

    23:32 Uhr, 23.04. 2015
  • solero
    solero

    Bin auch der Meinung, dass die Daten Sinn machen. Die Verbraucher sind gut gelaunt, aber geben nicht mehr so viel aus, da schon viele ältere Konsumenten da sind. Alterspyramide! Babyboomer kommen ins Alter. Die Unternehmen sehen aber, dass dadurch die Umsätze schrumpfen.

    22:07 Uhr, 23.04. 2015
  • MDADVISORY
    MDADVISORY

    Die Daten geben Sinn - wir wissen nur noch nicht den Grund dafür. Es wird was in den Zahlen übersehen. In ein paar Monaten sind wir schlauer. Ich gehe eher von einer negativen Überraschung aus.

    21:06 Uhr, 23.04. 2015

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
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Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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