Kommentar
17:24 Uhr, 07.02.2007

US-Schuldenberg wächst und wächst - Wann reagiert der US-Dollar?

Der jährlich erscheinende offizielle Bericht über die Finanzlage der USA ist aufschlussreich und schockierend zugleich. Die Anleger haben den Report jedoch weitestgehend ignoriert. Und dies trotz der vernichtenden Aussage des „Comptroller General of Finances“, er könnte wegen fehlender und intransparenter Daten und nicht aufeinander abgestimmter Berichtssysteme beim Sozial- und vor allem beim Verteidigungsministerium sowie der Homeland Security „keine Einschätzung“ der Finanzlage abgeben. Im Klartext: Die weltweit größte Bilanz hat kein Testat bekommen. Eine positive Nachricht hat US-Finanzminister Henry Paulson im Vorwort jedoch: Dank der robusten Konjunktur und einem entsprechenden Plus bei den Steuereinnahmen konnte die Bush-Administration das Haushaltsdefizit im letzten Jahr auf 248 Milliarden USD reduzieren und damit ihr Ziel einer Halbierung des Fehlbetrags bis 2009 vorzeitig erreichen.

Der Bericht enthüllt u.a. die Gesamtverschuldung der USA – dies beinhaltet nicht die Verbindlichkeiten der einzelnen Bundesstaaten, Kommunen etc. Mittels Diskontrechnung wird ein „Net Asset Value“ der Schulden kalkuliert – dies übrigens mit einem relativ hohen Zinssatz von 5,75% pro Jahr. Für das Fiskaljahr 2006 (bis 30.09.) ergab sich für die USA eine Gesamtverschuldung von rund 53 Billionen USD (!). Das ist ein Wachstum von 4,5 Billionen USD gegenüber dem Vorjahr bzw. ein Plus von 9,3%.

Dabei machten die „On-balance-sheet“-Positionen wie laufende Kosten oder offene Steuereinnahmen mit knapp 0,5 Billionen USD nur etwa 10% der Steigerung aus. Der Löwenanteil von 4,0 Billionen USD resultiert aus den „Off-balance-sheet“-Positionen wie Verbindlichkeiten für die Renten- und Krankenversicherung. Bereits seit längerem hat die US-Notenbank auf die riesigen Probleme im Gesundheitssystem aufmerksam gemacht, die auf die USA zukommen. Selbst Paulson schätzt, dass sich die Kosten bis zum Jahr 2080 ohne umfassende Reformen im Renten- und Gesundheitssystem auf mehr als 44 Billionen USD (!) summieren. Unter dem Strich beträgt die „Off-balance-sheet“-Verschuldung von Corporate America rund 70% des jährlichen Bruttoinlandsproduktes (BIP). Die Gesamtverbindlichkeiten belaufen sich auf weit über 400% des BIPs – dies sind Werte einer Bananenrepublik! Anders ausgedrückt: Jeder Amerikaner müsste inzwischen über vier Jahre nur für deren Tilgung arbeiten. Deutschlands Schulden rangieren übrigens in der ähnlichen Größenordnung.

Ganz anders ist die Situation in Norwegen: Dank der reichen Ölvorkommen in der Nordsee schwimmen die Norweger geradezu im Geld. Allein das Vermögen von rund 245 Milliarden UR im staatlichen Pensions- und Investmentfonds (ehemals Ölfonds), in den die Exporterlöse aus dem Verkauf des schwarzen Goldes einfließen, zugrunde gelegt, besitzt jeder der rund 4,6 Millionen Einwohner 53.000 EUR. Um dasselbe Pro-Kopf-Vermögen aufzuweisen, müsste Deutschland etwa 4,0 Billionen EUR auf der hohen Kante haben.

Wie die Fed betonte, wird in naher Zukunft ein dann schnell wachsender Teil dieser Schulden liquiditätswirksam: Die ersten Babyboomer, die das Gros der Anspruchsberechtigten in der Renten- und Krankenversicherung sind, werden ab etwa 2008 in Rente gehen. Dann wird die „On-balance-sheet“-Verschuldung peu à peu klettern. Seit 2000 lag das Schuldenwachstum im Durchschnitt bei fast 15%. Insofern war 2006 ein „moderates“ Jahr. Der Zuwachs lag sogar noch ein kleines Stück unter der M3-Geldmengensteigerung von 10,4%. Die wahre Inflation (Geldmengensteigerung minus BIP-Wachstum) – nicht zu verwechseln mit der realen Inflation (Leitzins minus Teuerungsrate) – lag 2006 bei einem geschätzten BIP-Plus von 3,5% bei 6,9%! Die Verzinsung von Realkapital betrug damit etwa -1,6%. In Europa sieht die Situation nicht besser aus. Das offizielle Ziel für das M3-Geldmengenwachstum der Europäischen Zentralbank (EZB) liegt bei 4,5%. Von China (M3-Plus 2006 von über 16%) und Indien (M3-Anstieg 2006 sogar von mehr als 20%) ganz zu schweigen. Der weltweite Papiergeldexzess ist in vollem Gange. Diese Lage ändert sich erst, wenn aufgrund immenser Exportüberschüsse wohlhabenden Staaten wie Japan endlich ihre Devisenreserven vom US-Dollar wegdiversifizieren. Doch politische und finanzwirtschaftliche Interessen stehen dagegen.

Aber selbst China mit seinem unermesslichen Dollarreservoir wird irgendwann aufhören müssen, den Greenback zu horten. Seit nunmehr 93 Jahren druckt das Fed-System über kostenlosen „Sovereign Credit“ zuverlässig grüne Scheinchen in beliebigen Mengen. Noch können sich die USA theoretisch jederzeit problemlos entschulden. Das „Triple-A“-Rating von Moody’s und Standard & Poor’s scheint noch gerechtfertigt. Dass nicht nur die US-Schuldenpolitik, sondern der nahezu ganzen Welt im Desaster enden kann, wird geflissentlich vergessen. Es bleibt zu hoffen, dass Fed-Chef Ben Bernanke wie zuvor Alan Greenspan zur richtigen Zeit stets die richtige Entscheidung trifft und das Perpetuum Mobile noch mindestens bis zum 100. Geburtstag der US-Notenbank im Jahr 2013 weiterläuft.

Da der Schuldenberg der USA (auch der private aufgrund steigender Hypothekenzinsen) schon seit Jahren wächst, stellt sich die Frage, wann der US-Dollar reagiert. So lange der Rest der Welt US-Staatanleihen kauft, gilt der Satz von US-Schatzminister John Connally aus dem Jahr 1971, adressiert an Europa und Japan: „Der US-Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem“. Das heißt, da die Verbindlichkeiten zum größten Teil in der Heimatwährung vorliegen, bedeutet eine (höhere) Inflation eine (schnellere) Entwertung der ausländischen Forderungen. Nicht zu vergessen, dass China mehr als 1.000 Milliarden USD an Devisenreserven hat und ein Dollarverfall Verluste in barer Münze heißt.

Dieser Fachartikel wurde im FOREX Report veröffentlicht.

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