Kommentar
21:58 Uhr, 24.03.2009

US Notenbank eröffnet ein neues Kapitel in der Krise

Ein wesentliches Element in unserem Aktienmarktbild seit Oktober 2008 ist unsere Einschätzung, dass Regierungen und Notenbanken mit den damals getroffenen Entscheidungen eine imaginäre „rote Linie“ überschritten haben und von da an „unbegrenzte“ Mittel zur Erreichung des Ziels der Stabilisierung des Bankensystems einsetzen würden. Die Stabilisierung des Bankensystems wiederum leistet den zentralen Beitrag zur Stabilisierung des Aktienmarktumfelds. Die Ereignisse in dieser Woche und die zu erwartenden Nachrichten im Umfeld des G20-Gipfels Anfang April rücken dieses Thema und seine Implikationen für den Aktienmarkt abermals in den Mittelpunkt.

Die Fed wird in großem Umfang weitere Wertpapiere kaufen. Die Fed hat bekannt gegeben in den kommenden Monaten für weitere USD 1100 Mrd. Wertpapiere zu kaufen. Von diese Summe entfallen USD 300 Mrd. auf amerikanische Staatsanleihen und USD 750 Mrd. auf Hypotheken-Anleihen. Seitdem die Notenbank im Herbst 2008 erstmals Maßnahmen durchgeführt hat die nicht nur die Bankenliquidität sondern auch die Geldmenge erhöht haben beginnt sie jetzt mit der Monetisierung der Staatsschuld. In dem Maße, in dem die Verkäufer der Wertpapiere US amerikanische Nichtbanken sind, wird sich die Geldmenge erhöhen. Die Summe der oben erwähnten Käufe entspricht rund 7% des BIP und rund 70% der Geldmenge M1. Unter Berücksichtigung des angekündigten aber noch nicht umgesetzten TALF-Programms der Notenbank ist der potenzielle Einfluss noch größer.

Auf Sicht der kommenden Monate erwarten wir positive Effekte auf den Aktienmarkt – bei allerdings gleichzeitig neuen Risiken. Auch wenn derzeit das aktuelle Umfeld Züge einer Liquiditätsfalle trägt lässt die massive Kombination aus Liquiditätseffekten und Geldmengenausweitung positive Effekte auf Konjunktur und Aktienmarkt erwarten (dämpfender Effekt auf die Finanzierungskosten vieler Marktteilnehmer, Bekämpfung von Deflationsbefürchtungen, Erhöhung der liquiden Mittel bei vielen Nichtbanken durch die steigende Geldmenge). Die Außergewöhnlichkeit der Maßnahmen wirft jedoch Fragen nach möglichen Nebeneffekten auf, insbesondere den langfristigen Inflationsrisiken. Hier besteht das Risiko, dass Veränderungen in der Einschätzung langfristiger Risiken durch eine Abwertung des USD bereits zu Belastungen in 2009 werden. Mit Blick auf die jüngste Entscheidung der schweizer Notenbank scheinen die Risiken für einen „Abwertungswettlauf“ zuzunehmen.

In den kommenden Wochen sind neue Impulse zum Thema Stabilisierung des Bankensystems zu erwarten. Die Stabilisierung des Bankensystems ist eine wesentliche Voraussetzung für die Chance auf eine nachhaltige Aufhellung der Konjunkturperspektive. Folgende Aspekte lassen sich im Hinblick auf aktuelle Entwicklungen hervorheben:

- Seit Oktober 2008 zeigen sich die Regierungen wie von uns erwartet. Während mit diesen Maßnahmen das systemische Risiko einer neuen bedeutenden Bankpleite vermindert wurde sind in den vergangen Wochen die Sorgen um die daraus resultierenden Kosten für die Staaten zu einer Belastung für den Aktienmarkt geworden. In den vergangenen Tagen haben mehrere große Banken von einem guten Start in den ersten beiden Monaten des Jahres gesprochen, was entlastend wirkt. Der News-Flow wird jedoch noch gemischt bleiben da weitere Abschreibungen zu erwarten sind. Entscheidend sind letztlich strukturelle Maßnahmen zu einer nachhaltigen Gesundung der Bankbilanzen.

- Im Umfeld G20-Treffens am 2. April sind neue Impulse von Maßnahmen der US-Regierung (z.B. Thema „Public Private Investmentfund“) und der EU-Regierungen (z.B. Thema „Bad Banks“) sehr wahrscheinlich. Je nach Ausgestaltung der Pläne könnten sie einen deutlichen Schritt in der Erreichung der Zielsetzung einer nachhaltigen Bereinigung der Bankbilanzen sein mit entsprechend positiven Wirkungen für den Aktienmarkt.

Die EZB hat angekündigt ihre extrem expansive Liquiditätspolitik bis über das Jahresende hinaus fortzuführen. Seit Oktober 2008 gibt die EZB bei den Refinanzierungsgeschäften volle Zuteilung. Die EZB hat Anfang März angekündigt „solange wie nötig, aber in jedem Fall über das Jahresende hinaus“ eine volle Zuteilung bei den Euro- Refinanzierungsgeschäften vorzunehmen (Wortlaut der Pressenotiz). Die EZB übernimmt damit weiterhin eine zentrale Rolle im Liquiditätsausgleich und mindert den Druck auf das Bankensystem. Die bekannte lange Laufzeit gibt den Banken viel Spielraum die aus der Entscheidung resultierenden Möglichkeiten bei ihrer Refinanzierungspolitik zu berücksichtigen. Die Maßnahme wirkt positiv auf eine Verbesserung des Aktienmarktumfelds hin. Die EZB hat darüber hinaus mitgeteilt, dass sie die SWAP-Vereinbarung mit der Fed (die die Basis für die Bereitstellung der derzeit in der Höhe ebenfalls unbegrenzten USD-Kredite an das Euroland-Bankensystem ist) bis Ende Oktober 2009 verlängert hat.

Die außerordentlich starken monetären Impulse seitens der Zentralbanken sprechen für eine Verbesserung des zyklischen Aktienmarktumfelds im zweiten Halbjahr. Fast 100% der Zentralbanken der im MSCI AC World Index vertretenen Länder haben in den letzten drei Monaten die Zinsen gesenkt, keine Notenbank hat sie erhöht. Damit ist der monetäre Stimulus so stark wie noch nie zuvor. Auch wenn man berücksichtigt, dass die Wirkung von Zinssenkungen im Vergleich zur Vergangenheit geringer ist, bleibt doch festzuhalten, dass der monetäre Stimulus wesentlich stärker ist als zu Beginn des Jahrzehnts (Anzahl der senkenden Zentralbanken; niedriges Niveau der Leitzinsen) und vermutlich der stärkste in den letzten Jahrzehnten überhaupt. Dies gilt umso mehr wenn man die jüngst beschlossenen Maßnahmen für Quantitative Easing mit berücksichtigt (Bank of England, Schweiz, Fed). In der Vergangenheit folgte auf eine deutliche Stimulierung mit zeitlicher Verzögerung eine positive Aktienmarktentwicklung. Derzeit stehen kurzfristigen konjunkturellen Hoffungsschimmern negativen Wachstumsrevisionen vieler Institutionen gegenüber. Wobei sich jedoch anmerken lässt: Die derzeitige Unsicherheit über den Wachstumstrend in H2/2009 und 2010 besteht sowohl auf der negativen Seite als auch auf der positiven Seite (keine Erfahrung aus der Vergangenheit wie sich ein solches Maß an monetärer und fiskalischer Stimulierung mittelfristig konjunkturell niederschlägt wenn die schlimmsten Befürchtungen hinsichtlich des Ausmaßes des Credit Crunches ausbleiben).

Wir erwarten eine komplexe Bodenbildung mit höheren Indexständen im Jahresverlauf. Die Aktienmärkte bewegen sich im Spannungsfeld zwischen Extremen: Hoffnungen auf eine konjunkturelle Verbesserung und den Risiken die von den außergewöhnlichen Facetten der Finanzkrise herrühren. Wir halten nach Abwägung aller Argumente an dem Bild einer Bodenbildung fest. Wir reduzieren unser Jahresendziel für den Euro STOXX 50 auf 2250 Punkte (zuvor 2800 Punkte) und für den DAX auf 4650 Punkte (zuvor 5500 Punkte). Wir tragen damit insbesondere den Risiken stärker Rechnung (die erwartete Konjunkturverbesserung im zweiten Halbjahr zieht sich länger hin, Spannungen in der EWU dämpfen die Bereitschaft zu Investitionen in „Risky Assets“). Gleichzeitig bestehen unverändert Möglichkeiten für positive Überraschungen (siehe Absatz oben). Im Cross-Asset- Vergleich sind wir in Aktien Neutral gewichtet (neue Empfehlung mit dem Market Outlook vom 3. März). Der Schwerpunkt unserer Empfehlung liegt – unverändert – auf Non- Financials. Innerhalb der Non-Finacials bevorzugen wir Cyclicals gegenüber Defensives. Gleichzeitig bevorzugen wir Large Caps gegenüber Mid- und Small Caps (neue Empfehlung mit dem Market Outlook vom 10. März). In der Länderallokation würden wir Europa, USA und Japan neutral gewichten, ebenso Deutschland innerhalb von Europa.

Fazit: Wir betrachten die aktuelle Entwicklung als Teil eines Bodenbildungsprozesses und erwarten Im Jahresverlauf höhere Indexstände.

Bei dem Fachartikel handelt es sich um Research der Hypovereinsbank UniCredit

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