Kommentar
07:24 Uhr, 08.04.2016

US-Aktien: Moderate Bewertung

Nach der unverkennbaren Weltuntergangsstimmung zu Jahresbeginn stehen die US-Indizes wieder knapp unter ihren Allzeithochs. Gleichzeitig befinden sich Unternehmen in einer Gewinnrezession. Sind Aktien deswegen überbewertet?

Wenn die Aktienkurse stabil sind, die Gewinne der Unternehmen aber fallen, dann steigt die Bewertung. Aktien sind teurer. Ein plakatives Beispiel: Der Kurs einer Aktie steht heute bei 100. Das Unternehmen schreibt einen Gewinn von 5 je Aktie. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt entsprechend bei 20. Vor einem Jahr stand die Aktie ebenfalls bei 100, das Unternehmen schrieb jedoch einen Gewinn von 10. Das KGV lag demnach vor einem Jahr bei 10.

Das Beispiel ist etwas extrem, doch genau das ist gerade auf dem US-Markt geschehen. Die Aktienindizes stehen heute in etwa dort, wo sie im vergangenen Jahr standen. Die Gewinne sind in dieser Zeit jedoch gesunken. Die Folge: Aktien sind heute teurer als vor einem Jahr.
Auf Dauer kann das nicht gutgehen. Endet die Gewinnrezession nicht bald, dann muss eine Anpassung der Bewertung stattfinden. Aktien sind heute schon im historischen Vergleich hoch bewertet.

Seit es Daten zum KGV für US-Aktien gibt (1880) lag das durchschnittliche KGV bei 16,75. Derzeit steht es 50 % darüber. Aktien sind im historischen Vergleich also 50 % überbewertet. Bedenkt man dann noch, dass die Gewinne sinken, dann verschlimmert das die Überbewertung noch.

Vielen Analysten ist diese hohe Bewertung ein Rätsel. Es gibt Gründe, die dafür sprechen. Zum einen sind die Zinsen niedrig. Wer Rendite sucht, der hat zu Aktien wenig Alternativen. Die Alternativlosigkeit im Nullzinsumfeld ist eines der Argumente. Es scheint je nach Markt unterschiedlich gut zu ziehen. In den USA erhält man für 10-jährige Staatsanleihen immerhin 2 %. In der Eurozone muss man dankbar sein, wenn die Rendite positiv ist. Die USA sind also im Vergleich nicht unbedingt „zinslos.“ Der Aktienmarkt ist in den USA dennoch höher bewertet als der europäische.

Die Bewertungsunterschiede zeigen sich aktuell besonders deutlich. US-Indizes stehen ca. 5 % unter ihren Allzeithochs. Der Dax steht 20 % darunter, obwohl die Zinsen in der Eurozone extrem niedrig sind und auch auf Sicht mehrerer Jahre kaum steigen werden.

Im Gegensatz zu europäischen Unternehmen sind US-Unternehmen zu ihren Aktionären sehr großzügig. Das macht einen erheblichen Unterschied. Die Dividendenrenditen sind vergleichbar, dafür aber sind US-Unternehmen Weltmeister, wenn es um Aktienrückkäufe geht.

Grafik 1 zeigt die Ausschüttungsquoten für US-Unternehmen. Sie schütten derzeit fast 100 % ihrer Gewinne an Aktionäre aus. Dies tun sie zur Hälfte über Aktienrückkäufe und zur Hälfte über Dividenden. Wer als Anleger US-Aktien hält, kann davon ausgehen, dass die Ausschüttungsquoten deutlich höher sind als in Europa.

Die hohen Ausschüttungen führen zu hohen Renditen. Zum einen können Anleger mit einer Dividendenrendite von 2,2 % rechnen. Zum anderen erwirtschaften Anleger eine Aktienrückkaufrendite von 2,3 %. Die Rückkaufrendite ergibt sich durch die Reduktion der Aktienanzahl. Wird die Anzahl an Aktien reduziert, dann steigt der Gewinn je Aktie.

Notieren von einem Unternehmen z.B. 1.000 Aktien an der Börse und schreibt das Unternehmen einen Gewinn von 1.000, dann repräsentiert jede Aktie einen Gewinn von 1. Kauft das Unternehmen nun 500 Aktien zurück und bleibt der Gewinn stabil, dann repräsentiert jede Aktie einen Gewinn von 2.

Das Beispiel ist sehr plakativ, doch es zeigt, worum es geht. Durch Aktienrückkäufe steigt der Gewinn je Aktie, selbst wenn der absolute Gewinn stagniert. Je mehr Aktien von Unternehmen zurückgekauft werden, desto wertvoller werden die verbleibenden Aktien. Das scheint Anlegern an US-Aktien besser zu gefallen als an anderen Ländern, in denen Firmen weniger an Aktionäre ausschütten.

Der Rückkauf von Aktien verbraucht viel Geld. Das ist Geld, welches nicht in andere Bereich investiert werden kann. Durch Rückkäufe steigt zwar der Gewinn je Aktie, nicht aber der absolute Gewinn der Unternehmen. Für Anleger ist es im Prinzip unerheblich, woher das Gewinnwachstum je Aktie stammt. Ob der Gewinn je Aktie von 1 auf 2 steigt (der Absolutgewinn bleibt aber konstant, z.B. bei 1.000 wie im obigen Beispiel), weil die Hälfte der Aktien aus dem Markt genommen wurden oder weil das Unternehmen den absoluten Gesamtgewinn verdoppelt hat (von 1.000 auf 2.000), kann Anlegern egal sein.

Derzeit sind die Wachstumsperspektiven für Unternehmen weltweit düster. Das globale Wirtschaftswachstum schwächt sich ab und ein wichtiger Wachstumsmotor – China – stottert erheblich. Anleger präferieren derzeit Aktienrückkäufe gegenüber Investitionen in Wachstum. Persönlich halte ich das aus vielerlei Gründen für falsch; es ist nun aber wie es ist.

Das Wachstum des Gewinns je Aktie, welches in den USA durch die Rückkäufe höher ist als in anderen Regionen, wird von Anlegern durch saftige Bewertungen belohnt. Das KGV des Marktes ist im Vergleich zu anderen Anlageregionen hoch. Viele meinen, dass das KGV zu hoch ist.

Eine Gegenthese dazu stellt Grafik 2 dar. Abgebildet ist das KGV seit 1880. Ab 1980 gibt es ein adjustiertes KGV. Seit 1980 werden in den USA von Unternehmen zunehmend Aktienrückkäufe getätigt. Vor 1980 gab es dieses Phänomen praktisch nicht.

Da die Aktienrückkäufe automatisch für Wachstum des Gewinns je Aktie sorgen, ist das normalerweise verwendete KGV irreführend. Das KGV zeigt eine Momentaufnahme, die nichts mit den Zukunftsaussichten zu tun haben muss. Ein hohes KGV kann etwa gerechtfertigt sein, wenn ein Unternehmen hohes Wachstum verzeichnet. Das hohe KGV heute zeigt, dass ein Teil des zukünftigen Wachstums eingepreist ist.

US Unternehmen wachsen derzeit nicht, ihr Gewinn schrumpft sogar. Das rechtfertigt also kein hohes KGV. Nun ist es allerdings so, dass US-Unternehmen auf Sicht von 10 Jahren die Anzahl ausstehender Aktien um 24 % reduzieren. Der Gewinn je Aktie steigt also selbst bei Nullwachstum von Umsatz und Gesamtgewinn um 24 % über die kommenden 10 Jahre. Berücksichtigt man dieses Gewinnwachstum für jede einzelne Aktie in der Berechnung des KGVs, dann liegt das adjustierte KGV heute nicht bei 25, sondern bei 19.

Ein KGV von 19 ist immer noch hoch. Es ist jedoch bei weitem nicht so hoch wie das ursprüngliche KGV erahnen lässt. Gemessen am adjustierten KGV befinden sich Aktien im historischen Vergleich in einer Phase hoher Bewertung, aber nicht in einer Phase der Überbewertung. Das dürfte auch erklären, weshalb Rücksetzer auf dem US-Markt nach wie vor schnell gekauft werden.

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3 Kommentare

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  • Bigdogg
    Bigdogg

    Das ist doch völliger Quatsch....einzig uns allein was zählt ist der nach Bilanzierungsstandard GAAP ermittelte Gewinn und nicht der Mist den US-Unternehmen (und andere) heutzutage veröffentlichen. Wenn man das zugrunde legt, dann können Sie ihre obige Ausarbeitung getrost in die Tonne kloppen.....da sind wir schon seit längerem viel zu teuer

    13:38 Uhr, 08.04. 2016
  • Greg H
    Greg H

    Hallo Herr Schmale,

    Ihre Ausführungen stellen darauf ab, dass das KGV sinkt infolge Aktienrückkäufen.Soweit rechnerisch zwar richtig, aber ökonomisch betrachtet?

    Aktienrückkäufe führen zu einem Cash-Out, d.h. dass sich der Cash-Bestand des Unternehmens vermindert (bzw der Debt Bestand steigt bei schuldenfinanziertem Rückkauf).

    Anders ausgedrückt: der absolute Unternehmenswert sinkt (wobei Enterprise Value EV=Market Cap-Cash+Debt; wird auch deutlich bei der DCF Methode: Equity Value=Discounted CF+Cash -Debt).

    Der geringere EV verteilt sich auf weniger Aktien, dh der Aktienkurs sollte unverändert bleiben. Gleichzeitig sinkt das KGV (Annahme: absoluter Gewinn sei konstant, Ertragszinsen auf Cash vernachlassigt, bzw Fremdkapitalzinsen für zus. Debt vernachlässigt). Zeigt das nicht eher, dass das isoliert betrachtete KGV kein besonders gutes Kriterium zur Bewertung ist?

    Für ein "Cash-rich" Unternehmen wäre der Markt doch bereit, ein höheres KGV zu bezahlen als für das gleiche Unternehmen mit hohem Schuldenstand, das ein vergleichsweise niederigeres KGV am Markt erzielen würde. Insofern wäre doch eine korrektere Bewertung ein EV/Gewinn-Verhältnis.

    Als erkennbarer Vorteil bleibt, dass bei absolut gleicher Gewinnausschüttung die Dividendenrendite steigen kann (wieder vernachlässigt: Habenzinsen auf CAsh, Sollzinsen auf zusätzl. Schulden).

    DA "alle Welt" gerne auf das KGV schaut, mag das mit den Aktienrückkäufen vielleicht funktionieren, mich hingegen überzeut das Konzept nur wenig.

    11:38 Uhr, 08.04. 2016

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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