Kommentar
11:14 Uhr, 25.04.2003

Union - Rückblick/Ausblick BioPharma

Der März bescherte den Aktien der BioPharma-Branche kräftige Kursgewinne, wobei sie sich insgesamt besser entwickelten als der breite Markt. Während der MSCI Welt - Index um fast 0,8 Prozent nachgab, stieg der MSCI Pharma und Biotech - Index im gleichen Zeitraum um rund 3,2 Prozent. Noch zu Beginn des Monats setzten die internationalen Aktienmärkte ihren seit Dezember anhaltenden Abwärtstrend fort, weil die anhaltende weltweite Konjunkturschwäche sowie die Ängste über den Fortgang des Irak-Konflikts auf die Stimmung drückten. Erst seit dem 13. März, als sich schließlich eine konkrete Entscheidung der USA zum Waffengang im Irak abzeichnete, wich die Unsicherheit der Anleger. Daraufhin setzten die internationalen Börsen zu einer deutlichen Erholung an, die auch nach Kriegsbeginn am 19. März weiter anhielt, als die Alliierten zunächst rasche Erfolge im Irak vermelden konnten. Doch schon bald ist die Hoffnung auf ein allzu schnelles Ende des Krieges der Einsicht gewichen, dass sich die Kämpfe schlimmstenfalls über mehrere Monate hinziehen könnten, da die irakische Armee unerwartet heftigen Widerstand leistete. Folglich gaben die Aktienmärkte in der letzten Märzwoche wieder etwas nach. Auch in nächster Zukunft dürfte die Börsenentwicklung hauptsächlich vom Verlauf des Irak-Kriegs abhängen, während fundamentale Daten von Seiten der Unternehmen eher eine untergeordnete Rolle spielen. Alles in allem gab es im März wenig Neues aus der BioPharma-Branche zu berichten. Der Markt wurde in den vergangenen Wochen hauptsächlich von dem neu aufgeflammten Rechtsstreit um Lipobay in Atem gehalten. Dieses von Bayer entwickelte Medikament zur Senkung der Blutfettwerte hat in den letzten Jahren bei mehreren Patienten eine Muskelkrankheit ausgelöst. Darüber hinaus sind vermutlich weltweit rund hundert Todesfälle zu beklagen. Deshalb haben in den USA, wo das Mittel unter dem Namen Baycol verkauft wurde, inzwischen gut 8.400 Personen Klage gegen den deutschen Pharmakonzern eingereicht. Hiervon haben zwar nur wenige tatsächlich gesundheitliche Schäden durch Baycol erlitten, jedoch sind viele auf den Zug aufgesprungen, da in den USA bei solchen Klagen oft hohe Schadensersatzzahlungen erzielt werden können. So haben Anwälte der Kläger argumentiert, dass Bayer schon lange von den schädlichen Nebenwirkungen des Wirkstoffs wusste, bevor man die Behörden unterrichtete und das Mittel vom Markt nahm. Überraschend wurde Bayer am 18. März bei dem ersten wichtigen Lipobay-Prozess in den USA von einer Jury freigesprochen, worauf der Aktienkurs sofort um 40 Prozent anzog. Im Vorfeld der gerichtlichen Entscheidung hatte die Bayer-Aktie allerdings seit Jahresbeginn gut 50 Prozent an Wert verloren. Bisher konnte sich das Unternehmen außerdem mit rund 500 ehemaligen Patienten außergerichtlich einigen, wofür rund 140 Mio. Dollar entrichtet wurden. Diese Zahlungen waren durch bestehende Versicherungen vollständig gedeckt. Das Unternehmen rechnet demnächst mit zahlreichen weiteren Einigungen dieser Art. Trotz des jüngsten Freispruchs ist das Baycol-Desaster aber noch nicht ausgestanden. Im US-Staat Minnesota wird demnächst über die Zulassung einer Sammelklage entschieden. Ausschlaggebend für Bayer wird sein, ob es doch noch zu einer Sammelklage kommt, die wahrscheinlich zu weit höheren Strafzahlungen führen dürfte als bei einzelnen außergerichtlichen Vergleichen. In den Medien wurden in Zusammenhang mit der Baycol-Affäre bereits Beträge von bis zu 10 Mrd. US-Dollar genannt, die Bayer im schlimmsten Fall zahlen müsste. Hier dürfte der bestehende Versicherungsschutz nicht mehr ausreichen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass der Fall Lipobay gegenwärtig wie ein Damoklesschwert über der Bayer-Aktie hängt, wenn auch der Freispruch der vergangenen Woche vermuten lässt, dass die schlimmsten Befürchtungen über die Höhe der Schadenersatzzahlungen nicht eintreffen sollten. Die Vorfälle bei Bayer verdeutlichen einmal mehr, welchen Risiken die gesamte Pharmaindustrie ausgesetzt ist. So musste in der Vergangenheit Wyeth, vormals American Home Products, mehr als 10 Mrd. Dollar Strafe zahlen, weil das von ihr entwickelte Diätmittel Herzklappenfehler ausgelöst hatte. Ebenso ging die ehemalige Sulzer Medica beinahe bankrott, als fehlerhafte Hüftimplantate zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führten. In solchen Fällen decken die Versicherungen oft nur Teilbeträge der Schadenssummen ab. Weitere Neuigkeiten kamen aus der Schweiz, wo sich der Pharmakonzern Novartis auf der Hauptversammlung von Roche kritisch zu Wort meldete und sich bei seinem kleineren Konkurrenten u.a. über dessen hohe Verluste im Vitamingeschäft und im Finanzergebnis beschwerte. Novartis hält gegenwärtig rund ein Drittel der Stimmrechte an Roche und macht aus seinen Fusionsabsichten keinen Hehl. Doch die Aktionärsfamilie von Roche, die weiterhin rund 50 Prozent der Stimmrechte besitzt, steht diesem Vorhaben ablehnend gegenüber. Sie argumentiert, dass im Falle einer Fusion von Novartis und Roche viele Arbeitsplätze in Basel verloren gehen würden. Zudem würden die Wettbewerbsbehörden den neuen Konzern sicherlich zum Abstoßen einiger wichtiger Geschäftszweige zwingen, weshalb ein Zusammenschluss langfristig keinen Wert schaffen würde. Vor dem Hintergrund der gegebenen Aktionärsstruktur dürfte eine Verschmelzung von Novartis und Roche wohl noch auf sich warten lassen. Doch auch nach den Megafusionen der letzten Jahre und trotz der Widerstände der Roche-Aktionäre ist der Trend zu Zusammenschlüssen in der Pharmabranche ungebrochen. So sucht etwa der Bayer-Konzern nun schon seit längerer Zeit nach einem Joint Venture-Partner für seine Pharmasparte. Doch es ist sicherlich kein ermutigendes Zeichen, dass Bayer bislang noch keinen Partner gefunden hat. Es gibt aber auch Unternehmen, die sich offen gegen Fusionen und Übernahmen aussprechen. So hat die amerikanische Merck wiederholt betont, dass sie lieber aus eigener Kraft wachsen möchte. Ein Beispiel für einen recht erfolgreich verlaufenen Zusammenschluss ist die britische GlaxoSmithKline, die sich in der Vergangenheit optimistisch äußerte, dass durch die Verschmelzung die Produktivität in der Forschung und Entwicklung deutlich steigen, d.h. eine größere Anzahl an Produkten die Marktreife erlangen sollten. Ob die zuversichtlichen Prognosen tatsächlich eingetroffen sind, wird das Unternehmen auf einem Forschungstag Ende 2003 bekannt geben. Innerhalb der letzten drei Jahre konnte GlaxoSmithKline immerhin Synergien von rund 1,8 Milliarden britische Pfund realisieren, was zu einem deutlichen Gewinnanstieg geführt hat.

Quelle: Union Investment

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