Kommentar
09:37 Uhr, 19.05.2003

Union Investment - Marktüberblick Osteuropa

Die osteuropäischen Aktienmärkte präsentierten sich im April in freundlich bis fester Verfassung. Kräftige Kurssteigerungen kennzeichneten vor allem das Geschehen an der russischen Börse, die gemessen am RTS-Index im Monatsvergleich gut 17 Prozent zulegen konnte. Hier beflügelten Gerüchte um weitere Fusionen im Ölsektor das Marktgeschehen. So befürchtete etwa Surgutneftegaz die feindliche Übernahme eines Konkurrenten, woraufhin die Gesellschaft ein Aktienrückkaufprogramm startete. Darüber hinaus kam es jedoch auch zu einem tatsächlichen Merger, wobei Yukos den kleineren Ölförderer Sibneft übernahm. Aus dieser Fusion wird ein dominierender Energiekonzern mit den im Vergleich zu anderen privaten Ölfirmen weltweit umfangreichsten Ölreserven entstehen. Mit 2,06 Mio. Barrel pro Tag steigt die Gesellschaft international zum viertgrößten Ölproduzenten auf und kann die höchste organische Wachstumsrate gemessen an den Großen der Branche vorweisen. Der Markt honorierte das Ereignis nachdrücklich und Gelder von westlichen Regionalfonds flossen nach Russland. Auch der ungarischen Aktienmarkt wies nennenswerte Kurssteigerungen auf. Am 12. April fand hier das EU-Referendum statt, welches mit rund 80 Prozent bei allerdings geringer Beteiligung einen "pro EU" Ausgang nahm. Mit Blick auf Einzeltitel hatte die OTP-Bank das höchste Kaufangebot für die größte bulgarische Bank DSK abgegeben. Eine Entscheidung wird für Anfang Mai erwartet und wir würden es positiv beurteilen, wenn OTP den Zuschlag bekäme. Der polnische Aktienmarkt tendierte ebenfalls aufwärts, doch waren hier die Zuwachsraten im Vergleich zu den Nachbarländern eher gering. Politische Unsicherheiten nach der im Vormonat stattgefundenen Auflösung der Regierungskoalition und der Etablierung einer Minderheitsregierung beeinträchtigten das Börsengeschehen. Zudem ist jetzt mit den vorgenommenen Veränderungen auf Ministerebene der auch für das polnische Privatisierungsprogramm zuständige Finanzminister ausgewechselt worden. Damit aber scheinen nach zuvor geplanten Einnahmen aus Privatisierungen von 9,1 Mrd. Zloty (1,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) nunmehr nur noch fünf Mrd. Zloty realistisch. Dies ist eine eher negative Entwicklung, gerade auch vor dem Hintergrund, dass im vergangenen Jahr nur vereinzelt Unternehmen aus staatlicher Hand entlassen wurden. Im Makrobereich hingegen konnten erfreuliche Entwicklungen verzeichnet werden. So lag die Inflationsrate im März bei lediglich 0,6 Prozent gegenüber dem entsprechenden Vorjahresmonat und die polnische Zentralbank senkte abermals die Leitzinsen um 25 Basispunkte.

Russland und Ungarn bleiben Anlagefavoriten: Die osteuropäischen Aktienmärkte, welche im letzten Jahr in einem äußerst schwierigen globalen Börsenumfeld eine positive Bilanz vorweisen konnten, dürften sich auch 2003 erfreulich entwickeln. Neben Ungarn favorisieren wir weiterhin den russischen Aktienmarkt. Gegenüber anderen Emerging-Market-Regionen und vor dem Hintergrund der weltweit schwierigen Konjunkturlage stellt sich die Makrosituation in Russland überdurchschnittlich stabil dar. Nachdem in 2002 ein BIP-Wachstum von 4,3 Prozent erzielt wurde, wird für das laufende Jahr ein ähnlicher Zuwachs von 4,2 Prozent bei einer geschätzten Inflationsrate von 11,5 Prozent prognostiziert. Damit kann sich das Land durchaus sehen lassen, zumal auch die politischen Rahmenbedingungen günstig sind. So dürfte Putin bei der nächsten Präsidentenwahl in seinem Amt bestätigt werden und die Duma wird das begonnene Reformprogramm fortsetzen. Mit Blick auf den russischen Aktienmarkt besteht hier im internationalen Vergleich ein äußerst attraktives Kurs-Gewinn-Verhältnis. Westliche Akquisitionen in russische Ölfirmen sowie steigende Ölförderkapazitäten dürften das Bewertungsniveau jedoch den anderen Emerging-Markets angleichen. Insgesamt kann eine Höherstufung auf "Investment Grade" erwartet werden. Hinsichtlich des Ölpreises gehen wir davon aus, dass das Umfeld volatil bleiben wird, doch rechnen wir nicht damit, dass sich Notierungen unterhalb von 18 - 20 USD pro Barrel in absehbarer Zeit einstellen werden (selbst mit 18 Dollar kann die russische Wirtschaft noch gut leben). Insofern dürften vom Ölpreis per saldo positive Impulse ausgehen. Ebenfalls konstruktiv stehen wir dem ungarischen Aktienmarkt gegenüber, den wir - wie auch die russische Börse - mit "übergewichten" einstufen. Die hier im osteuropäischen Durchschnitt günstigen Bewertungen, eine relativ zu den Nachbarländern ansprechende Wirtschaftsentwicklung, welche sich angesichts niedriger Inflationsraten und eines geringer werdenden Haushaltsdefizits noch verbessern sollte, sowie erfreuliche Ertragsperspektiven auf Unternehmensseite eröffnen nach wie vor viel versprechende Anlagechancen. In Polen hingegen bleiben wir derzeit noch untergewichtet. Zwar dürfte sich das Wirtschaftswachstum durch eine Erhöhung des privaten Konsums beleben, doch ist die Situation mit einem für 2003 erwarteten BIP-Anstieg von 2,7 Prozent weiterhin verhalten. Zudem wird die SLD-Minderheitsregierung unpopuläre Reformen nur schwer durchsetzen können, im zweiten Halbjahr sind Wahlen zu erwarten und angesichts des am 8. Juni anstehenden EU-Referendums herrschen allgemein Unsicherheiten vor.

Quelle: Union Investment

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