Union Investment: Interview zum Finanzsektor
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Nachdem Finanztitel in den ersten Monaten 2003 deutliche Verluste hinnehmen mussten, präsentierten sie sich im zweiten Quartal als Outperformer, wobei vor allem Versicherungstitel mit kräftigen Kurssteigerungen aufwarteten. Der allgemein positive Börsentrend mit den insbesondere in den USA zunehmenden Konjunkturhoffnungen stimulierte dabei das Geschehen. Darüber hinaus sorgte in Europa der schwache US-Dollar eher bei Industrieunternehmen als bei Finanzwerten für größere Belastungen, sodass dies zusätzlich ein Grund für Marktteilnehmer war, Banken- und Versicherungsaktien zu präferieren.
Fragen wir Herrn Hipper, den Fondsmanager des UniSector: Finance, wie er die Situation im Finanzbereich beurteilt.
Frage: Herr Hipper, sind die Zeiten für Finanzwerte nun wirklich besser geworden, sind also die Probleme, die den Sektor noch zu Anfang des Jahres belasteten, gänzlich überwunden?
Herr Hipper: So weit würde ich nicht gehen, auch wenn sich die Situation mittlerweile deutlich entspannt hat. Lassen sie uns kurz zurückblicken und die Versicherungsbranche betrachten, denn sie hatte, mehr noch als Banken, unter den Kurseinbußen der Dividendentitel zu leiden. Bei ihnen geriet die Eigenkapitalquote unter Druck, es mussten Abschreibungen vorgenommen werden und teilweise wurden auch Kapitalerhöhungen zu niedrigen Kursen erforderlich. Denken Sie beispielsweise an die Allianz, deren Aktie daraufhin unter heftigen Abgabedruck geriet, denn Kapitalerhöhungen verwässern den Gewinn pro Aktie, was die Altaktionäre nicht besonders erfreut.
Frage: Was gab den Ausschlag, dass sich das Blatt wendete?
Herr Hipper: Eindeutig der Irak-Krieg. Die Furcht vor den militärischen Auseinandersetzungen hatte die Kursmisere an den Aktienmärkten noch verschlimmert. Als dann Ende März der Konflikt tatsächlich ausbrach, schwand jedoch die Unsicherheit und angesichts der Hoffnungen auf ein rasches Kriegsende, das dann im April eintrat, setzten die Märkte zu kräftigen Aufwärtsbewegungen an.
Frage: Was bedeutete dies für die Assekuranz?
Herr Hipper: Nur Positives. So ließ der Zwang zu Kapitalerhöhungen nach und auch die in der Vergangenheit garantierten Leistungen beispielsweise aus fondsgebundenen Produkten waren bei steigenden Kursen wesentlich leichter zu erfüllen. Zuvor hatten sich vor dem Hintergrund der Kurstalfahrt gerade im US-Geschäft hieraus erhebliche finanzielle Belastungen ergeben. Darüber hinaus konnte sich nunmehr in der Bilanz die Werthaltigkeit wichtiger Aktivpositionen verbessern. Hierzu zählt etwa die Aktivierung von Vertriebskosten, deren Werthaltigkeit angesichts einer gesunkenen Rentabilität angezweifelt wurde.
Frage: Sicherlich profitierte auch das Aktienportefeuille?
Herr Hipper: Sogar in hohem Maße. Zwar waren die zu Buche stehenden Aktienpositionen aus Sicherheitsgründen in der Baisse zurückgefahren worden, doch bilden sie immer noch ein sehr umfangreiches Engagement. Durch die kräftigen Kurserholungen an den Aktienmärkten gewann dieser Bestand natürlich deutlich an Wert, besser gesagt, die zuvor gesehenen Wertverluste wurden aufgeholt.
Frage: Dann ist diese Position ja ein sehr volatiler Bestandteil der Bilanz.
Herr Hipper: So könnte man es sagen. Alle Assets under Management stellen auf der Aktivseite eine wichtige Ertragsquelle dar, sind aber von der Börsenverfassung abhängig. Hierdurch lässt sich auch erklären, dass Versicherungswerte zu den High-Beta-Aktien gehören.
Frage: Können Sie uns das bitte näher erklären?
Herr Hipper: Versicherungstitel sind in einem rückläufigen Markt zumeist verstärktem Verkaufsdruck ausgesetzt, während ihre Kurse in einem Börsenaufschwung in die Höhe schnellen. Das heißt, sie reagieren sowohl in Phasen der Marktstärke als auch -schwäche überproportional. Diese Reaktionsfreudigkeit drückt sich in einem hohen Beta aus.
Frage: Bislang haben wir auf das Lebensversicherungsgeschäft geschaut. Wie sieht es im Bereich der Sachversicherungen aus?
Herr Hipper: Recht gut, wenn man beispielsweise an die möglich gewordenen Prämienerhöhungen denkt. Die Steigerungsraten haben sich im Verlauf zwar abgeschwächt, doch stellen Prämieneinnahmen eine wichtige Ertragsstütze dar. Auch die in diesem Jahr bislang äußerst geringen Schadensbelastungen bedeuteten ein zusätzliches Plus für die Kapitalseite der Versicherungen.
Frage: Dies hört sich ja alles sehr gut an. Dann sind sie doch recht optimistisch für die weitere Entwicklung?
Herr Hipper: Optimistisch schon, aber doch gepaart mit ein wenig Vorsicht. Immerhin sehen sich Versicherungsinstitute noch zahlreichen Problemen gegenüber. Zu nennen sind etwa das niedrige Zinsniveau, welches das Finanzergebnis beeinträchtigen dürfte. Auch die generelle Verfassung verschiedener Lebensversicherungsgesellschaften bereitet gerade mit Blick auf den Zusammenbruch der Mannheimer Leben Sorge. Hinzu kommt die sich anbahnende Verschärfung der Beurteilungskriterien für die Finanzstärke von Versicherungsinstituten seitens der Ratingagentur Standard & Poor's. Damit dürfte sich noch im laufenden Jahr für viele Assekuranzen eine Verschlechterung des Ratings ergeben. Dies könnte dann wieder zu Spekulationen um bevorstehende Kapitalerhöhungen führen. Und last not least, vergessen Sie bitte nicht die Abhängigkeit der Versicherungsaktien von der allgemeinen Börsenverfassung.
Frage: Meinen Sie, dass wir es hier mit negativen Entwicklungen zu tun haben werden?
Herr Hipper: Nach den rasanten Kursanstiegen der letzten Monate würde ich Rückschlagsgefahren nicht ausschließen.
Frage: Einmal abgesehen von kürzerfristigen Tendenzen, wenn sie einen längeren Zeithorizont betrachten und das Pro und Contra abwägen, wie beurteilen Sie dann die Versicherungsbranche?
Herr Hipper: Konstruktiv, denn angesichts einer im historischen Vergleich noch niedrigen Bewertung dürfte der Versicherungssektor über Aufwärtspotenzial verfügen.
Frage: Und wie steht es mit den Banken?
Herr Hipper: Auch hier bin ich relativ positiv eingestellt, solange der allgemeine Börsentrend nach oben zeigt. Dann nämlich werden Kreditinstitute durch ihr Engagement im Wertpapierbereich sowie ihr Beteiligungsportefeuille begünstigt.
Frage: Wie sieht es derzeit fundamental im Bankensektor aus?
Herr Hipper: Wie Sie ja wissen, haben auch Banktitel in jüngster Vergangenheit unter den Kurseinbrüchen an den Aktienmärkten sowie der allgemeinen Konjunkturschwäche gelitten. So entstand etwa den Instituten nennenswerter Abschreibungsbedarf auf ihre Aktienpositionen und die Risikovorsorge für Kredite war bereits in 2002 stark angezogen. Jetzt hat sich das Bild aufgehellt.
Frage: Inwiefern?
Herr Hipper: Zum einen fielen die Ergebnisse für die ersten drei Monate des Jahres nicht so negativ aus wie befürchtet. Zwar wurde die erwartete Höhe der Abschreibungserfordernisse bestätigt, jedoch zeigte sich bei den Kreditrückstellungen eine deutlich positivere Entwicklung als zunächst erwartet. Zudem ist das Geschäft mit festverzinslichen Wertpapieren aufgrund zahlreicher Emissionen im Corporate Bond Bereich sehr gut verlaufen.
Frage: Wahrscheinlich haben auch Bereinigungen auf der Kostenseite zu der Tendenzbesserung beigetragen?
Herr Hipper: Sicherlich konnten auch auf der Kostenseite Erfolge erzielt werden. Sie stützten sich im wesentlichen auf Personaleinsparungen und Bonuskürzungen, womit letztendlich die Cost-Income-Ratio deutlich verbessert wurde.
Frage: Haben die positiven Entwicklungen Bestand?
Herr Hipper: Zunächst gab es noch Zweifel, ob sich dieser ermutigende Trend auch im zweiten Quartal fortsetzen kann. Mittlerweile sind jedoch entsprechende Befürchtungen eher zerstreut, vor allem da es seitens der Großunternehmen kaum Kreditausfälle gab. Auch mit Blick auf die Entwicklung der Risikovorsorge wurde von den Banken Entwarnung gegeben. Zudem verläuft das Rentengeschäft weiterhin lebhaft und die Kurssteigerungen im Aktienbereich sprechen für höhere Kommissionseinnahmen sowie ein wieder anlaufendes Investment Banking Geschäft.
Frage: Wie sieht es vor diesem Hintergrund mit der Gewinnsituation im Bankenbereich aus?
Herr Hipper: Mittlerweile haben zahlreiche Analysten ihre Gewinnschätzungen nach oben revidiert, was den Bankensektor beflügelte. Auch die Erwartungen hinsichtlich einer Konjunkturbelebung im späteren Jahresverlauf konnten die Stimmung anheben.
Frage: Und gibt es auch hier, ähnlich wie bei den Versicherungsunternehmen, einen oder mehrere Wermutstropfen?
Herr Hipper: Ja, leider auch hier. So sind beispielsweise die Konjunkturhoffnungen bislang nicht erhärtet worden, da nach wie vor wesentliche Anzeichen für eine nachhaltige Wirtschaftserholung fehlen. Damit aber dürften nennenswerte Entspannungen im Kreditbereich noch auf sich warten lassen. Zudem sind die Zinsmargen durch das fortlaufende Absinken des Zinsniveaus in Euroland unter Druck geraten. Zwar können auf der Vergabeseite höhere Margen erzielt werden, doch sind sie im Einlagengeschäft überdurchschnittlich gesunken, weil man z.B. die unverzinsten Giroguthaben nicht mehr sonderlich profitabel anlegen kann. Generell ist davon auszugehen, dass auf der Volumenseite der Trend hin zu rückläufigen Margen noch intakt sein sollte, was hier zukünftig die G+V-Rechnung belasten wird.
Frage: Herr Hipper, nachdem wir jetzt Ihre Meinung zum Finanzsektor gehört haben, sagen Sie uns doch bitte, wie Sie entsprechend im UniSector: Finance disponiert haben.
Herr Hipper: Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass wir mit einer Investitionsquote von rund 97 Prozent nahezu die gesamten Fondsmittel in Finanzwerten angelegt haben. Dies dürfte unsere generell konstruktive Haltung gegenüber diesem Sektor unterstreichen.
Frage: Dürfen wir nach den jüngsten Transaktionen fragen?
Herr Hipper: Ein Schwerpunkt unserer Dispositionen bestand in der Verstärkung unseres US-Engagements. Amerikanische Finanzwerte hatten im zweiten Quartal eine erfreuliche Performance gezeigt. Nachdem sich nun der US-Dollar gegenüber dem Euro stabilisiert hat, sind wir dazu übergegangen, die hier bestehende Untergewichtung abzubauen. Zu den Zukäufen im Bankensektor zählten Fleed Boston Financial, Golden West Financial, Merrill Lynch und als Neuengagement Western Financial. Im Versicherungsbereich nahmen wir Positionsaufstockungen bei Travelers und American International Group, der AIG, vor.
Bei Fannie Mae, dem größten Anbieter von Hypothekenkrediten in den USA, reduzierten wir hingegen die Gewichtung, nachdem der Finanzierungsskandal bei Freddie Mac negative Auswirkungen befürchten ließ.
Darüber hinaus erhöhten wir unsere in Großbritannien gehaltenen Bestände. Hier hatten sich die zunächst gehegten konjunkturellen Befürchtungen nicht bestätigt. Weiterhin ist das BIP-Wachstum größer als in Euroland. Im Einzelnen tätigten wir - auch unter Bewertungsaspekten - Zukäufe in Lloyds TSB, welche zwischenzeitlich unter zunehmender Konkurrenz im Hypothekenbereich gelitten hat, mittlerweile jedoch wieder Marktanteile erobern konnte.
Darüber hinaus erweiterten wir unser Engagement in der Royal Bank of Scotland, die sich neben dem Heimatgeschäft ein zweites Standbein in den USA aufgebaut hat. In das Portfolio neu aufgenommen wurde zudem der Hedgefondsmanager MAN Group. Er erscheint uns aufgrund seiner hohen Zuflüsse attraktiv.
Innerhalb des UK-Versicherungssektors bauten wir unsere Bestände in Legal & General aus, die über effektive Vertriebskanäle im Bankenbereich verfügt. In Irland erhöhten wir unsere Position in der Anglo Irish Bank, welche ausschließlich mit gewerblichen Kunden Geschäftsbeziehungen eingeht. Sie dürfte deshalb von dem überdurchschnittlichen Wirtschaftswachstum des Landes profitieren.
Weitere Dispositionen konzentrierten sich aber auch auf die teilweise Realisierung von Kursgewinnen. Unter diesem Aspekt reduzierten wir beispielsweise unser Engagement in Allianz, der Münchener Rück, der HypoVereinsbank sowie der Deutschen Börse und Deutschen Bank. Im Rahmen einer Kapitalerhöhung stockten wir allerdings die Position in der Hannover Rück auf.
In der Schweiz, wo Investmentbanken kräftige Kurssteigerungen verzeichnen konnten, kam es zu Gewinnmitnahmen in Crédit Suisse und UBS. Des Weiteren bauten wir in Italien die Position in San Paolo IMI leicht ab.
Fazit:
UniSector: Finance ist mit seinem Anlageschwerpunkt in Bank- und Versicherungswerten in einem Sektor investiert, der in seiner geschäftlichen und damit kursmäßigen Entwicklung überdurchschnittlich von der Tendenz an den Aktienmärkten abhängig ist. Insofern sollten sich Anleger zunächst einen Überblick über die weiteren Börsenperspektiven verschaffen, bevor sie in diesen Fonds investieren. Wir beurteilen die Aussichten gerade an den US- und europäischen Aktienmärkten derzeit zwar noch mit einer gewissen Vorsicht, aber nicht ohne Hoffnung für den späteren Jahresverlauf. Obwohl gegenwärtig das konjunkturelle Bild noch eingetrübt ist, deuten Anzeichen auf eine, wenn auch langsame und zaghafte, wirtschaftliche Erholung gegen Jahresende hin. Da die Märkte bereits frühzeitig erwartete Besserungstendenzen vorwegnehmen, werden schon erste Signale einer Wirtschaftsbelebung oder auch Vermutungen hinsichtlich eines kommenden Konjunkturaufschwungs für gewöhnlich honoriert. Auch wenn wir derzeit die weiteren Kurshoffnungen nicht zu hoch ansetzen sollten - angesichts der bereits gesehenen Aufwärtstendenzen sind Korrekturbewegungen nicht auszuschließen -, ergibt sich doch auf mittlere Sicht durchaus attraktives Kurspotenzial, an dem UniSector: Finance aufgrund seines Anlageuniversums in erfreulichem Maße partizipieren dürfte.
Für Anleger, die nicht nach einem kurzfristigen Anlageerfolg streben, sondern in einem längeren zeitlichen Horizont operieren wollen, eignet sich der Fonds zur Depotbeimischung. Allerdings sollten Käufer dieses Fonds bereits ein ausreichend über alle Vermögensklassen (Aktien, Renten, Immobilien, Liquidität) hinweg diversifiziertes Portfolio besitzen, das auch im Aktienteil eine ausgewogene Mischung zwischen global anlegenden Standardwertefonds sowie Sondervermögen mit Spezialisierung auf Branchen, Regionen oder Anlagestile (Value/Growth) vorweist.
Quelle: Union Investment
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