Ukraine-Krieg: Nun soll es Trumps Schwiegersohn hinkriegen
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In Genf, wo derzeit über schmerzhafte Kompromisse zur Beendigung des Ukraine-Krieges gerungen wird, tippt ein Mann unermüdlich Notizen in seinen Laptop, der offiziell gar kein Regierungsamt bekleidet: Jared Kushner. Der Schwiegersohn von Donald Trump, der sich eigentlich auf sein Geschäft als Private-Equity-Investor konzentrieren wollte, ist zurück im Zentrum der Macht.
Noch im Januar hatte Kushner gegenüber der Presse betont, sein Fokus liege fast ausschließlich auf seinem Unternehmen Affinity Partners. Doch die geopolitische Realität der zweiten Amtszeit Trumps macht einen Strich durch die Rechnung. Kushner agiert nun als inoffizieller Sondergesandter und "Fixer" für die heikelsten diplomatischen Missionen des Weißen Hauses.
Vom Gaza-Streifen in den Donbas
Die Strategie, die Kushner nun in Osteuropa anwendet, basiert auf einem Modell, das die Trump-Administration bereits im Nahen Osten als Erfolg verbucht. Ein 20-Punkte-Plan, der den Namen des US-Präsidenten trug, führte dort zu einem fragilen Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas sowie zur Freilassung verbliebener Geiseln. Genau dieses "Gaza-Modell" soll nun auf den Ukraine-Konflikt übertragen werden.
Gemeinsam mit Steve Witkoff, dem offiziellen Sondergesandten Trumps und einem langjährigen "Immobilienbuddy" des Präsidenten, arbeitet Kushner hinter den Kulissen an einem Entwurf für einen Friedensvertrag. Die ersten Skizzen dieses Papiers sorgten in europäischen Hauptstädten bereits für Alarmstimmung, da sie den Forderungen Russlands so nahe kamen, dass Diplomaten von einer faktischen Kapitulation Kiews sprachen. Dennoch treibt das Duo den Prozess voran. Trump selbst kündigte am Dienstag an, dass Witkoff und möglicherweise auch Kushner in der kommenden Woche nach Moskau reisen könnten, um Wladimir Putin zu treffen und den Plan zu "finalisieren".
Der Präsident macht aus seiner Wertschätzung oder gar Bewunderung für die Verhandlungsfähigkeiten seines Schwiegersohns keinen Hehl. Während einer Rede vor dem israelischen Parlament im Oktober erklärte Trump: "Wir bringen immer Jared mit, wenn wir den Deal abschließen wollen. Wir brauchen dieses Gehirn gelegentlich."
Finanzielle Interessen und diplomatische Kanäle
Die Rückkehr Kushners auf die diplomatische Bühne wirft zwangsläufig Fragen über mögliche Interessenkonflikte auf. Sein Unternehmen verwaltet Milliarden, und die Grenzen zwischen geschäftlichen Interessen und staatlicher Diplomatie scheinen in der Welt von Donald Trump fließend zu sein. Kushner selbst hat Untersuchungen bezüglich seiner Geschäftsbeziehungen stets als politisch motiviert zurückgewiesen.
Besonders brisant ist die Zusammenarbeit bei der Erstellung des Ukraine-Friedensplans. Berichten zufolge hatten Kushner und Witkoff Input von russischen Offiziellen, darunter Kirill Dmitriev, dem Vorstandsvorsitzenden des russischen Staatsfonds. Dmitriev und Kushner kennen sich bereits aus der ersten Amtszeit Trumps; sie trafen sich 2019 in Montreux, um über Strategien für den Nahen Osten zu diskutieren. Dass der Chef eines sanktionierten russischen Finanzinstruments nun indirekt an den Blaupausen für einen Friedensplan mitschreibt, wird von Kritikern als hochproblematisch angesehen.
Philip Gordon, ehemaliger nationaler Sicherheitsberater von Kamala Harris, sieht Kushners Einbindung dennoch pragmatisch. Trotz seiner begrenzten Erfahrung in der Region sei sein Einfluss "unter dem Strich eine gute Sache". Gordon argumentiert: "Wie Witkoff genießt er eindeutig das Vertrauen und die Zuversicht des Präsidenten, was eine Voraussetzung für jeden erfolgreichen Verhandlungsführer ist." Zudem verfüge Kushner im Gegensatz zum Immobilienunternehmer Witkoff über reale diplomatische Erfahrung aus der ersten Amtszeit.
Fazit
Statt auf etablierte diplomatische Protokolle und institutionelle Abstimmung setzt das Weiße Haus auf "Policy by Personality". Das Vorgehen erinnert an Immobiliendeals: Ein 20-Punkte-Plan wird auf den Tisch gelegt, der Druck wird erhöht, und der Abschluss wird gesucht. Ob sich diese transaktionale Logik, die in der Geschäftswelt und teilweise im Nahen Osten funktionierte, auf einen hochkomplexen Landkrieg in Europa übertragen lässt, bleibt das große Risiko dieser diplomatischen Offensive. Klar ist jedoch: Für Jared Kushner ist die Grenze zwischen Private Equity und Weltpolitik erneut verschwunden. Wenn er bzw. seine PE-Firma am Ende davon auch noch finanziell profitiert, sei es ihm gegönnt - sofern der Krieg durch seine Mitarbeit endet.

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