Kommentar
08:51 Uhr, 08.04.2003

UI: Kriegsmeldungen lassen Kurse schwanken

Die internationalen Aktienmärkte präsentierten sich während der vergangenen Tage in einer sehr nervösen Verfassung. Meldungen aus dem Kriegsgebiet boten hinreichend Nahrung für Spekulationen über die Dauer der Kampfhandlungen und ihre wirtschaftlichen Konsequenzen. Zunehmende Sorgen bereitete auch die Ausbreitung der gefährlichen Lungenkrankheit SARS. Durch die zu beobachtenden Einbrüche im Tourismusgeschäft und vorübergehenden Geschäftsschließungen wird die wirtschaftliche Dynamik in den betroffenen Regionen deutlich gedämpft. Die südostasiatischen Börsen - insbesondere Hongkong - sind deshalb in den letzten Tagen schwächer aus dem Handel gegangen. Mehrere Analysten haben bereits ihre Wachstumsprognosen für verschiedene Länder gesenkt. Die Meldungen zur Konjunkturentwicklung boten ebenfalls wenig Aufmunterung.

An den Börsen in den USA tendierten die Aktienkurse nach einem sehr schwachen Wochenauftakt leicht im Plus. Insbesondere die Befreiung einer US-Kriegsgefangenen verbesserte zur Wochenmitte die Stimmung der Investoren. Freundlicher als erwartet fielen die Autoabsatzzahlen für März aus. Analysten hatten mit einem ähnlich starken Rückgang wie während des Golfkriegs 1991 gerechnet. Automobilwerte zogen daraufhin an. Frischen Aufwind verspürten die US-Fluggesellschaften. Die US-Regierung hat beschlossen, den Not leidenden Fluglinien erneut mit einer Finanzspritze von 2,3 Mrd. Dollar unter die Arme zu greifen. Zuvor hatte sich American Airlines mit den drei wichtigsten Gewerkschaften auf neue Arbeitsverträge geeinigt, welche die Kosten pro Jahr um 1,8 Milliarden US-Dollar drücken sollen. Die veröffentlichten Konjunkturdaten zeugten erneut von einer eingetrübten Stimmungslage. So sind die beiden ISM-Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe und den Dienstleistungssektor im März überraschend deutlich gesunken. Am Arbeitsmarkt bleibt die Situation ebenfalls weiter angespannt. Die Bauausgaben hielten sich im Februar hingegen relativ robust. An der Technologiebörse Nasdaq bot sich ein ähnliches Bild wie bei den Standardwerten. Nach einem schwachen Wochenstart konnten die Aktienkurse im weiteren Verlauf die Verluste wieder aufholen. Vor allem die Chipaktien hatten zunächst nachgegeben: Der weltweite Chip-Umsatz war nach Angaben des Branchenverbandes SIA im Februar im Vergleich zum Vormonat um 3,3 Prozent gefallen. Bis zum Wochenschluss legten die Halbleiterwerte jedoch wieder zu. Im Softwarebereich sorgte am Freitag eine Gewinnwarnung von PeopleSoft für Abgabedruck.

An der Tokioter Börse konnten sich die Aktienkurse am heutigen Montag wegen der Kriegsfortschritte der Alliierten im Irak deutlich erholen. Die Ausbreitung von SARS hatte jedoch in den vorangegangenen Tagen schwer auf dem fernöstlichen Aktienhandel gelastet, da die Krankheit der asiatischen Wachstumsregion einen deutlichen Dämpfer versetzten könnte. Die Auswirkungen auf Tourismus und Flugverkehr sind bereits jetzt gravierend.

Die Aktienmärkte in Europa legten in der vergangenen Woche wie ihre amerikanischen Pendants eine Achterbahnfahrt hin. Starke Kurseinbußen am letzten Montag konnten bis Freitag wieder mehr als ausgeglichen werden. Auslöser waren jeweils Berichte zum Kriegsverlauf, welche die Werte in die eine oder andere Richtung ausschlagen ließen. Nach zunächst weiteren drastischen Verlusten setzten sich die Versicherer an die Spitze der Erholungsbewegung. Allianz und Münchener Rück gaben bekannt, dass sie ihre Überkreuzbeteiligungen in den letzten Monaten auf unter 20 Prozent reduziert haben. Vor allem der Wert der Münchener Rück konnte davon profitieren und zog auch andere europäische Versicherer mit nach oben. Automobiltitel zeigten sich nach den US-Absatzzahlen durchwachsen. Die Luftfahrt- und Tourismusbranche haben zudem aktuell unter der Ausbreitung der Lungenkrankheit SARS zu leiden. Lufthansa erwägt kurzfristig die Kapazitäten nach Südostasien zu reduzieren, nachdem wegen des Irak-Kriegs zuvor bereits einige Linien in den Mittleren Osten eingestellt wurden. Touristikkonzerne wie TUI und Thomas Cook verzeichnen erhebliche Umbuchungen, da die Menschen die Risikogebiete natürlich meiden. Dennoch konnte TUI in der zweiten Wochenhälfte aufgrund der amerikanischen Erfolgsmeldungen aus dem Irak stark zulegen. Angespannt ist nach wie vor die Lage am deutschen Arbeitsmarkt. Nach der am Donnerstag veröffentlichten Monatsstatistik waren im März 4,608 Mio. Menschen arbeitslos gemeldet. Kurszuwächse gab es auch im TecDAX, der im Wochenvergleich fast 2,1 Prozent zulegte. Besonders stark waren die Gewinne beim Windkraftanlagenbauer Nordex, dessen Aktienkurs sich in den letzten zehn Tagen fast verdoppelte. Als Grund wurden Spekulationen über eine mögliche Übernahme genannt.

Für diese Woche sind von Konjunkturseite aus den USA Zahlen zu den Konsumentenkrediten und Großhandelsumsätzen im Februar zu erwarten. Am Freitag folgen dann ebenfalls noch die Erzeugerpreise und Einzelhandelsumsätze für März sowie das Verbrauchervertrauen der Universität Michigan. Insgesamt jedoch dürften sich die Anleger weiterhin stärker an den Meldungen aus dem Kriegsgebiet orientieren, um daraus Hinweise über die wahrscheinliche Kriegdauer zu erhalten. Eine nachhaltige Erholung ist jedoch erst bei besseren Konjunkturmeldungen zu erwarten. Bis dahin muss weiterhin mit einer sehr volatilen Entwicklung gerechnet werden.

Quelle: Union Investment

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