Kommentar
16:16 Uhr, 06.09.2024

Übernimmt sich China dieses Mal?

China hat bisher noch jede Krise gemeistert. Die jetzige ist allerdings anders. Sie unterscheidet sich von früheren Krisen, da China eine Lösung im Ausland und nicht im Inland sucht.

Erst hieß es, USA gegen China, dann kam die EU hinzu, nun folgen Kanada, Großbritannien und sogar Argentinien und Vietnam. All diesen Ländern und Gruppen ist gemein, dass sie neue Zölle auf chinesische Produkte erheben oder dieses prüfen. Die USA, EU und Kanada wollen ihre Auto- und Autozulieferindustrie vor einer Schwemme billiger Elektroautos schützen. In anderen Ländern geht es um ganz andere Produkte, von der Mikrowelle über Elektroden bis hin zu Chemikalien.


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Dass neue Zölle und die Prüfung von Zöllen plötzlich global auftreten, ist kein Zufall. China produziert ohne Rücksicht auf Verluste. Die Verluste fallen im Ausland an. Die konjunkturelle Schwäche im Inland soll über Exporte ausgeglichen werden. Der globale Handel stagniert seit Ende 2021. Das gilt auch für die Importe Chinas. Chinas Exporte hingegen wachsen nicht nur, der Trend beschleunigt sich (siehe Grafik). Wachsen Chinas Exporte, während der Welthandel stagniert, gewinnt China gegenüber anderen Ländern Marktanteile.

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Der Trend kommt für viele Länder überraschend. China versprach schon vor Jahren, dass es den Konsum stärken will. Stattdessen stellt sich nun heraus, dass China die Strategie der Vergangenheit beibehält und sogar noch intensiviert. Erst baute China große Produktionskapazitäten für wenig komplexe Produkte. Dann kamen gigantische Kapazitäten für den Infrastruktur- und Immobilienboom hinzu. Mit dem Schrumpfen des Immobiliensektors überschwemmt China die Welt mit Stahl, Kupfer und sogar Baggern.

Das bringt China Probleme mit Emerging Markets ein. Emerging Markets fühlen sich als Gruppe zu wenig von den G7 beachtet. Es war eine gemeinsame Front mit China gegen die alte Weltordnung. Nun, da China durch seine Überkapazitäten dafür sorgt, dass Stahlhütten in Chile und Brasilien schließen müssen, ist man weniger begeistert.

Chinas Strategie war dabei nicht, die Welt mit einfachen Massenprodukten zu überschwemmen. Dies ist eine Folge der Immobilienkrise. Die Sektoren, in die investiert wurde, sollten die alten ablösen. Dazu gehören Elektrofahrzeuge ebenso wie Halbleiter. Beides mag in ihrer Komplexität und Qualität noch nicht an westliche Produkte heranreichen, doch der Weg ist geebnet. Chiphersteller, die nicht wie Nvidia an vorderster Front stehen, z.B. Infineon, kommen unter Druck. Es gibt gute Gründe dafür, weshalb die Aktien dieser Hersteller seit Jahren stagnieren.

China will die gesamte Wertschöpfungskette abbilden. Im Falle einer Eskalation mit den USA ist dies überlebenswichtig. Ebenso will China produzieren. Konsum wird als eine Art Verschwendung angesehen. Wenn die Binnenwirtschaft also schwächelt und man die gesamte Wertschöpfungskette hochwertiger Güter aufbauen will, ohne im Inland Jobs zu verlieren, muss man exportieren. Es ist besser, wenn Ingenieure in den USA und Stahlarbeiter in Südamerika ihren Job verlieren als Chinesen im Inland.

Stahlexporte sind seit Anfang 2022 um 100 % gestiegen. Die Exporte von Solarzellen um fast 150 % und Elektrofahrzeuge um 170 %. Das bringt selbst einstige Hoffnungsträger wie Meyer Burger für die Energiewende ins Strudeln. China produziert dreimal so viele Solarzellen wie es selbst benötigt.

Im Gegensatz zu früheren Jahren gibt es zwei Unterschiede. Westliche Länder verloren Arbeitsstellen in der Produktion, aber westliche Unternehmen konnten im chinesischen Markt sehr viel Geld verdienen. Inzwischen verlieren z.B. Autobauer monatlich Marktanteile und schreiben Verluste. Das Argument fällt weg.

Darüber hinaus konkurriert China nun mit allen, egal, ob es sich auf einen spezifischen Sektor oder ein hochentwickeltes oder Entwicklungsland handelt. China exportiert nicht nur Waren, es exportiert Arbeitslosigkeit und den Niedergang ganzer Industrien im Rest der Welt. Das war früher nicht der Fall.

Die Mühlen der Politik mahlen meist langsam. Auf die Krise wird nur langsam reagiert. China hat grundsätzlich Zeit, die Probleme im Inland anzugehen. Tut es das nicht, droht eine Eskalation, nicht nur mit den USA, sondern fast mit allen. Damit könnte sich China übernehmen.

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4 Kommentare

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  • masi123
    masi123

    Aus meiner Sicht ist der aufkommende Handelskrieg mit China bzw. das De-Coupling weniger ökonomisch motiviert, sondern v. a. politisch. Es geht (ibs. für USA) um die globalen Machtverhältnisse.

    Eigentlich ist die (globale) Arbeitsteilung ein marktwirtschaftliches Grundprinzip und wurde jahrzehntelang positiv bewertet. Man sollte nicht vergessen, dass Deutschlang auch viele Jahre Exportweltmeister war.

    Die EU muss -wie so oft- den USA folgen, um nicht selbst Opfer von Sanktionen zu werden. Dabei ist der sog. inflation reduction act letztlich auch nichts anderes, als ein Subventionspaket zur Stärkung der eigenen Wirtschaft und zum Schaden z. B. für die EU.

    Im Falle der EU und besonders Deutschland kommt noch eine völlig naive Wirtschaftspolitik hinzu. Klar ist, dass der Green Deal und die Energiepolitik zu gewaltigen volkswirtschaftlichen Nachteilen gegenüber dem Rest der Welt führen. Dies spüren v. a. die energieintensiven Branchen, wie z. B. Stahl und Chemie. Mit dem Verbrennerverbot hat man zudem eine Technologieführerschaft aufgegeben und nicht bedacht, dass diese Technik in der Welt, insbesondere in den bevölkerungsreichen Schwellenländern wohl noch jahrzehntelang dominant bleiben wird. Auch dass man bei den Rohstoffen, z. B. für die Batterieproduktion in eine Abhängigkeit kommt, hat man jahrelang übersehen.

    Die nun begonnene Abschottung (z. B. Zölle) wird dem Arbeitsmarkt auch nur kurzfristig helfen, da die heimische Produktion nur zu deutlich höheren Kosten möglich ist, also hochinflationär wirkt. Welche Auswirkungen die Inflation auf den Immobilien- und Wohnungsmarkt hat spüren wir gerade und natürlich wird dies die Kaufkraft und Nachfrage der Konsumenten mittelfristig stark mindern. Wir stehen erst am Anfang einer gefährlichen Abwärtsspirale, die in weiten Teilen selbstverschuldet ist.

    10:46 Uhr, 11.09.
  • Apollonia
    Apollonia

    Suppper Erklärung, vielen Dank!

    12:12 Uhr, 07.09.
  • Graviton52
    Graviton52

    Tolle und auf den Punkt bringende Zusammenfassung.

    Vielleicht lernt China doch noch aus der historischen Parallele mit Japan

    16:48 Uhr, 06.09.
  • Marc1
    Marc1

    Vielen Dank für den sehr aufschlussreichen Artikel. Wer wird denn noch leiden, ausser Infineon? Echte Zwickmühle für viele Unternehmen.

    16:26 Uhr, 06.09.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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