Analyse
14:39 Uhr, 18.12.2008

Über den Sinn von Konjunkturprognosen

Externe Quelle : Deutsche Bank Research

Die Zeit um den Jahreswechsel ist üblicherweise Hochsaison für alle Konjunkturprognostiker. Nicht nur interne und externe Kunden warten gespannt darauf, was der Blick in die Kristallkugel zu Tage bringt, sondern auch in den diversen Prognoseumfragen der Medien heißt es sich zu positionieren, um am Ende des Jahres möglichst nahe dran gewesen zu sein.

Ausgerechnet in diese Zeit fällt nun der Vorschlag eines Schweigemoratoriums der Prognostiker. Wie soll das funktionieren? Als Marktwirtschaftler weiß man, dass sich bei entsprechender Nachfrage – und diese ist zurzeit sehr hoch – ein Schattenmarkt entwickelt. Der Schwarzmarkt für Konjunkturprognosen würde blühen, die Transparenz würde verschwinden, und jeder könnte hinter vorgehaltener Hand seine Meinung zum Besten geben, ohne diese durch eine detaillierte Analyse und die Offenlegung der Annahmen begründen zu müssen.

In der Tat glaubt wohl angesichts der aktuellen Unsicherheit kein Prognostiker, dass nun gerade seine Prognose exakt eintreten wird. Aber Prognosen haben eine wichtige Indikatorfunktion, die Auskunft über den Zustand der Wirtschaft gibt. Niemand würde einem Arzt vorschlagen, während eines Fieberanfalls die Fiebermessung einzustellen.

Selbst in ruhigen Zeiten können Konjunkturprognosen nur bedingte Prognosen sein. Die Entwicklung des US-Dollars oder des Ölpreises kann auch mit den besten Modellen nicht verlässlich prognostiziert werden. Insofern sollten sich Fundamentalkritiker wie zuletzt der SPD-Fraktionsvorsitzende Struck zumindest die Mühe machen, Prognosen vor dem Hintergrund der gemachten Annahmen zu beurteilen und sie nicht pauschal in die Tonne treten.

Zudem funktioniert Wirtschaft eben nicht wie Newtonsche Mechanik, wo die Kugel auf einer schiefen Ebene immer denselben Kräften ausgesetzt ist. In der Wirtschaft verändern sich die Kräfte und auch die Oberfläche der schiefen Ebene und dann fängt die Kugel noch an sich eigene Gedanken zu machen – um im Bild zu bleiben.

Sind deshalb Konjunkturprognosen wertlos? Keineswegs, und nicht einmal im derzeitigen Nebel. Und auch wenn der vielfach kritisierte Wettlauf der Prognostiker um das größte Wachstumsminus für 2009 sicherlich Tendenzen einer sich selbst erfüllenden Vorhersage in sich trägt, so erfüllt selbst die pessimistischste Prognose einen wichtigen Zweck: Sie gibt den Entscheidern in Wirtschaft und Politik eine Indikation, wie groß der Möglichkeitsraum der Wirtschaftsentwicklung im kommenden Jahr sein kann. Denn kein Prognostiker wird wissentlich eine Prognose abgeben, von der er selbst überzeugt ist, dass sie nicht eintreffen kann oder aber extrem unwahrscheinlich ist. Idealerweise begegnet man einer hohen Unsicherheit, wie sie derzeit herrscht, mit Szenarien, die in sich konsistent und an spezifizierte Annahmen geknüpfte alternative Zukünfte beschreiben. Diese können für Planungen in Wirtschaft und Politik eine wertvolle Basis bieten. Allerdings erfordert dies eine intensive Auseinandersetzung mit den Szenarien auch im beispielsweise des eigene unternehmerische oder wirtschaftspolitische Handeln entsprechend (flexibel) auszurichten. Da ist es doch viel bequemer, nicht eingetroffene Punktprognosen mit Häme zu kommentieren und sich damit der Verantwortung zu entheben, die Annahmen für das eigene Handeln darlegen zu müssen.

Autor: Stefan Schneider

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