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09:00 Uhr, 27.08.2008

Turbulenzen auf dem russischen Wertpapiermarkt

Vom Russland-Team der Raiffeisen Capital Management

Der russische RTS-Index verlor seit seinem Jahreshoch Mitte Mai über 32 Prozent. Die Grundstimmung drehte sich scharf in Richtung Bärenmarkt. Was steckt hinter dieser radikalen Drehung der Stimmung der Anleger innerhalb weniger Wochen?

Zunächst verflachte sich die Preiskurve auf den weltweiten Rohstoffmärkten kurzfristig – Öl wird nach den Rekordpreisen von 140 Dollar Anfang Juli nun unter 120 Dollar gehandelt. Außer den Ölpreisen traf es aber auch andere Rohstoffe wie Kupfer und Nickel und damit den russischen Energie- und Rohstoffsektor, der insgesamt immer noch zwei Drittel des MSCI Russia 10/40 Indexes ausmacht.

Dann wurde der russischen Stahl- und Kohlengigant Mechel von Premierminister Putin scharf angegriffen, der kritisierte, dass Mechel Koks an russische Stahlproduzenten zu weit höheren Preisen liefert als an ausländische Abnehmer. Dazu äußerte Putin auch Vermutungen über Steuerdelikte in Verbindung mit Mechel.

Investoren erkannten sofort die Parallelen zum Fall Yukos, bei dem ebenfalls Steuerdelikte am Anfang standen und der mit einer kompletten Zerschlagung des Konzerns endete. Der Mechel-Aktienkurs stürzte um 50 Prozent ab und die Börsenkurse brachen insgesamt ein, da die Anleger begannen, höhere Risikoaufschläge in ihre Bewertungsmodelle einzubauen. Und schließlich kam zu guter Letzt auch die Nachricht vom Krieg gegen Georgien, der innerhalb eines Tages den RTS-Index um sieben Prozent einbrechen ließ.

Die Bewertung russischer Wertpapiere hat Tiefstwerte erreicht und dürfte alle negativen Szenarios für die Entwicklung der Rohstoffpreise und staatlicher Einflussnahme eingepreist haben. Der durchschnittliche Markt-KGV ging auf weniger als acht Prozent zurück (siehe Diagramm) – im historischen Vergleich ein sehr niedriger Wert. Wir sind der Ansicht, dass eine weitere kräftige Korrektur der Ölpreise bei den Aktien der russischen Energieunternehmen bereits eingepreist ist.

Obwohl wir weitere kurzfristige Ölpreisschwankungen nicht ausschließen können, die den Rohölpreis auf bis zu 100 Dollar drücken könnten, gehen wir von unserer Basisannahme aus, dass die Ölpreise langfristig durch die steigende Nachfrage der Schwellenländer weiterhin steigen werden.

Höheres Länderrisiko - Schwächephase aber Kaufgelegenheit

Außerdem wächst die russische Wirtschaft mit einer gesunden Wachstumsrate von sieben Prozent. Die meisten Unternehmen berichten steigende Gewinne. Und bei Mechel sind wir der Ansicht, dass dies kein zweiter Fall Yukos ist. In persönlichen Gesprächen konnte uns die Unternehmensführung davon überzeugen, dass die Verfahren ohne wesentliche nachteilige Wirkungen auf das Unternehmen beigelegt werden können.

Allerdings halten wir eine Erhöhung des Risikoaufschlags für das Land für gerechtfertigt. Viele russische Großunternehmen wie Gazprom und Sberbank stehen indessen weiterhin unter staatlicher Kontrolle und daher ist die Wahrscheinlichkeit viel geringer, dass ähnliche Attacken gegen sie geritten werden.

Obwohl noch nicht abzusehen ist, wie sich der Kaukasuskonflikt entwickeln wird, sehen wir keine wesentlichen nachteiligen Auswirkungen für die russische Wirtschaft und würden daher die aktuelle Schwächephase als Kaufgelegenheit einstufen. Wir haben keine wesentlichen Änderungen in unserer Risikobewertung des Marktes vorgenommen. Allerdings richten wir verstärkt unser Augenmerk auf Unternehmen, die als gut geschützt gegen staatliche Angriffe eingeschätzt werden, und haben uns von Unternehmen abgewendet, bei denen höhere Oligarchenrisiken oder Probleme der Corporate Governance bestehen.

Das OstbörsenReport-Musterdepot im Überblick

Zuletzt haben sich an den Weltbörsen erste Stabilisierungstendenzen breit gemacht. Nach den zuvor scharfen Verlusten war dies aber auch bitter nötig. Von der Beruhigung hat auch das Musterdepot profitiert. Das in diesem Jahr bisher zu Buche stehende Minus konnte seit der vergangenen Ausgabe von 14,54 Prozent (Achtung: bei der verkauften Aldridge Minerals war der Verkaufspreis in Ausgabe 07/08 falsch angegeben) auf nunmehr 12,94 Prozent verringert werden. Absolut gesehen ist das zwar noch immer nicht befriedigend, aber angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen ist der Ergebnisausweis akzeptabel.

Noch deutlicher als das Musterdepot hat sich in den vergangenen Wochen indessen der als Benchmark dienende MSCI Weltindex (Euro-Basis) verbessert. Hier konnte das bisherige Jahresminus von 20,3 Prozent auf 16,03 Prozent verringert werden. Zusätzlich geholfen hat dem MSCI-Weltindex natürlich der jüngste Anstieg des Dollar. Auch wir haben anders als über weite Strecken in der Vergangenheit dieses Mal von der Entwicklung der Wechselkurse profitiert. Allerdings haben wir nur ein paar Dollar-Positionen und eine Türkei-Position im Portfolio, so dass sich die Kursgewinne bei diesen Währungen nur selektiv auf die Performance positiv auswirkten.

Insgesamt hielten sich ansonsten die Kursschwankungen nach der in Ausgabe 07-08 vorgenommenen Bereinigung (bekanntlich wurden fünf Werte verkauft) in der Regel in Grenzen. Auffällig in negativer Hinsicht war allerdings der Einbruch beim RDX Mid Cap Open End Index Zertifikat. Angesichts des fallenden Ölpreises und des kriegerisch ausgetragenen Konflikts mit Georgien überrascht es nicht, dass der russische Aktienmarkt unter Druck geraten ist. Weil wir aber eine Chance auf eine Gegenbewegung sehen, halten wir an dieser Position zunächst fest und habe den gefallenen Stopp-Loss-Kurs deswegen auch ausgesetzt. Als sehr erfolgreich hat sich dagegen der Einstieg bei der ukrainischen Landwirtschaftsaktie Sintal Agriculture erwiesen. Die Neuemission wurde zu einem Preis von 4,44 Euro zugeteilt und wer wollte, konnte über Konsortialführer Concorde Capital auch Stücke bekommen. Inzwischen wird die Aktie in Deutschland gehandelt und mit aktuell 5,48 Euro hat die Notiz bereits deutlich zugelegt.

Grundsätzlich bleiben wir wie im Editorial beschrieben zwar zurückhaltend gestimmt, was die mittelfristigen Aussichten der Weltbörsen angeht. Deshalb halten wir den Anteil der Barmittel am Gesamtwert des Portfolios auch weiterhin außergewöhnlich hoch. Kurzfristig besteht aber durchaus die Chance auf eine Zwischenrally. Diese Annahme versuchen wir mit dem Kauf eines Mini Long Zertifikats der ABN Amro auf den ABN Amro Vietnam II Total Return Index (ISIN: NL0006364085, 2,67 Euro) zu spielen. Wie meistens nehmen wir den Titel mit einem Gewicht von vier Prozent in das Musterdepot auf. Das Gleiche gilt auch für den weiter vorne erwähnten usbekischen Zementhersteller Bekabadcement (Kurs: 650 Dollar). In beiden Fällen darf der Hinweis auf ein erhöhtes Anlagerisiko nicht fehlen. Beim Zertifikat ist unsere monatliche Erscheinungsweise das Problem, wegen der damit verbundenen begrenzten kurzfristigen Eingriffsmöglichkeiten. Und in Usbekistan gibt es noch Transparenzprobleme.

Hinweis gem. §34 WpHG
Die Autoren legen offen, dass es im Einzelfall nicht ausgeschlossen ist, dass sie selbst in einzelnen Finanzinstrumenten, die im OstbörsenReport empfohlen werden, investiert sind. Redakteure des Ostbörsen-Report halten Anteile an folgenden, in dieser Ausgabe im Rahmen einer Finanzanalyse besprochenen Wertpapieren: Michaniki (ISIN: GRS153213004), Vietnam Resource Investments Fund (ISIN: KYG9362V1077)

Quelle: Ostbörsen-Report

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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