Kommentar
19:20 Uhr, 18.03.2006

Trotz Wahlen läuft es 2006 sehr gut an der ukrainischen Börse

Wer geglaubt hatte, die Ukraine würde nach der „Goldenen Revolution“ goldenen Zeiten entgegen gehen, der musste sich mittlerweile eines Besseren belehren lassen. In der Politik haben sich die Wahlsieger völlig zerstritten und die vor den Präsidentschaftswahlen noch boomende Wirtschaft hat sich merklich abgekühlt. Im Vorjahr ist das Bruttoinlandsprodukt nur noch um 2,6 Prozent gestiegen, nachdem die Wachstumsrate im Jahr 2004 noch stolze 12,3 Prozent und im Jahr 2003 immerhin 9,6 Prozent betrug. Verursacht wurde die Wachstumsverlangsamung auch durch hausgemachte Fehler. Dazu zählte insbesondere der Versuch, frühere Privatisierungen, die offenbar zu günstig verscherbelt worden war, wieder rückgängig zu machen. Denn diese Bestrebungen zusammen mit dem Versuch, in bestimmten Bereichen die Preise zu regulieren, schreckten Investoren ab.

Später wurden die Bremsspuren dann noch verstärkt durch die Streitigkeiten mit Russland. So wie es aussieht sitzt die Ukraine bei diesem Disput am kürzeren Hebel. Denn wie allgemein bekannt ist, muss das knapp 50 Mio. Einwohner große Land künftig fast doppelt so viel für die Gaslieferungen aus dem Nachbarstaat bezahlt wie bisher. Daran hat die Ukraine und die dortigen Unternehmen sicherlich noch eine Weile zu knabbern. Zumal mit Russland auch noch in anderen Bereichen Handelsstreitigkeiten ausgefochten werden. Die Prognose von Ministerpräsident Jechanurow, die Wirtschaft werde 2006 mit einer Rate von sechs Prozent wachsen ist jedenfalls nur als Wahlpropaganda einzustufen. Das vom Wirtschaftsministerium vorhergesagte Plus von 2,1 Prozent klingt die wesentlich realistischer. Und nachdem das Bruttoinlandsprodukt in den ersten beiden Monaten des Jahres 2006 nur um 1,5 Prozent zugelegt hat, erscheint selbst diese Prognose noch etwas zu optimistisch zu sein.

Aufnahme in die Welthandelsorganisation könnte neuen Schub verleihen
Neben der Wachstumsverlangsamung und den Streitereien mit Russland hat die Ukraine volkswirtschaftlich gesehen ansonsten vor allem noch mit einer zu hohen Inflation zu kämpfen. Diese hat sich gegenüber dem Niveau des Jahres 2004 von 12,3 Prozent im Vorjahr zwar etwas auf 10,3 Prozent ermäßigt, absolut betrachtet ist dieser Wert aber natürlich immer noch zu hoch. Ein größer werdendes Problem dürfte zudem die vermutlich anhaltende reale Aufwertung der Landeswährung Griwna darstellen. Diese gelten als deutlich unterbewertet und wenn sich diese Unterbewertung in den nächsten Jahren auflösen sollte, würde das den Exporten schaden und die Importe beflügeln, was sich negativ in der Leistungsbilanz bemerkbar machen würde.

Das bisher Geschriebene klingt zusammen mit viel Korruption und Bürokratie zwar nicht gerade dazu angetan, viele Investoren anzulocken. Aber das Land und der Aktienmarkt haben dennoch Potenzial. Wenn die Politik endlich ihre Hausaufgaben machen und Vertrauen schaffen würde, wären schnell höhere Wachstumsraten erzielbar. Schub könnte außerdem von dem noch in diesem Jahr angestrebten Beitritt zur Welthandelsorganisation ausgehen. Und da Amerika der Ukraine unlängst den Status einer funktionierenden Marktwirtschaft zugebilligt hat, könnte dieses Vorhaben tatsächlich klappen. Stimmen die Rahmenbedingungen, dürften alleine schon die sehr niedrigen Lohnkosten und das gute Bildungsniveau Investitionen anlocken.

Hohe Spreads und geringe Liquidität zählen zu den Tücken des Marktes
An eine gute Zukunft des Landes glauben offenbar auch einige institutionelle Investoren. Mit gezielten Käufen haben sie den Aktienindex PFTS auf einen neuen Rekord gehievt. Wie allgemein an den osteuropäischen Börsen hat in den vergangenen Tagen eine Korrektur eingesetzt, beim PFTS steht aber trotzdem seit Jahresbeginn noch immer ein Plus von mehr als 17 Prozent zu Buche. Schon im Vorjahr betrug das Plus 36 Prozent. Wobei sich dieser auf den ersten Blick hohe Wert dann relativiert, wenn man bedenkt, dass die anderen Börsen in der Region 2005 noch viel stärker gestiegen sind. Noch schlechter fällt der relative Vergleich aus, wenn statt dem nur zehn Aktien umfassenden PFTS auf einen etwas breiteren Index wie den ARTCP zurückgegriffen wird. Dieser 40 Werte beinhaltete Index hat es 2005 nur auf ein Plus von 17,6 Prozent gebracht. Was angesichts der Risiken, die der ukrainische Aktienmarkt beinhaltet, kein besonders herausragendes Ergebnis mehr ist. Die konjunkturellen Eintrübungen haben demnach an der Börse doch Wirkung gezeigt.

Unter Experten, die es verstehen, die in den Bilanzen nicht gezeigten Gewinne zu erkennen, gelten ukrainische Aktien noch immer als vergleichsweise billig. Die meisten Investoren sind sich dessen bewusst und betrachtet ihr Engagement als langfristig. Natürlich kennen sich diese Anleger auch mit den sonstigen Tücken des Marktes aus. Dazu zählen neben der geringen Größe (die Marktkapitalisierung der 40 meistgehandelten Titel beläuft sich gerade einmal auf rund 20 Mrd. Dollar) des Marktes und der geringen Liquidität (im PFTS-Segment wurden im Vorjahr täglich im Schnitt Papiere im Wert von nur 7,7 Mio. Dollar umgesetzt) vor allem auch das oft ungebührliche Preisgebaren der Broker. Diese stellen den Kunden bei den überwiegend noch immer telefonisch abgewickelten Geschäften oft viel zu schlechte Kurse in Rechnung und der durchschnittliche Spread belief sich selbst bei den 40 liquidesten Werten auf sieben bis zwölf Prozent. Neben einer Übersicht über die politische Lage kurz vor den Wahlen verraten wir Ihnen in der neuen Ausgabe unter anderem, welche ukrainischen Aktien trotz der aufgezählten Klippen kaufenswert sind, warum die jüngsten Kursverluste an den Ostbörsen nur eine Korrektur, aber keine Trendwende sind, wieso Ostwährungen keine Selbstläufer mehr sind und wieso eine türkische Aktie eine heiße Sache ist.

Melden Sie sich kostenlos für den Ostboersen-Report auf [Link "http://www.boerse-go.de/anmeldungen/ostboerse/" auf www.boerse-go.de/... nicht mehr verfügbar] an! Tragen Sie nur Ihre Name, E-Mail ein und Sie erhalten am Freitag eine aktuelle, kostenlose Ausgabe des Ostbörsen-Report zugesendet. Profitieren auch Sie am Boom der Börsen in Osteuropa!

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

Mehr über Jochen Stanzl
Mehr Experten