Analyse
13:20 Uhr, 21.09.2007

Trotz Subprime-Krise: Das muß weitergehen

Trotz Subprime-Krise: EU-Hypothekenmarktintegration muß weitergehen

Externe Quelle : Deutsche Bank Research Autor: Stefan Schäfer

Die US-Subprime-Krise hält die globale Finanzbranche in Atem. Akteure, die in verbriefte Immobilienkredite aus den Vereinigten Staaten investiert haben oder auf andere Art und Weise betroffen sein könnten, stehen weltweit unter besonderer Beobachtung. Die großen Zentralbanken haben massiv Liquidität in die Märkte gepumpt. Allenthalben stellt sich nun die Frage, wie die Kapitalmärkte in solche Schwierigkeiten geraten konnten. Das ist die eine, finanzmarktbezogene Seite der Diskussion über Ursachen und Konsequenzen der Turbulenzen.

Daneben wird sowohl in den USA als auch in Europa seit kurzem vermehrt über den Ausgangspunkt der Probleme, den Markt für private Baufinanzierungen, diskutiert. Während die US-Regierung Hilfeleistungen für von Insolvenz bedrohte Immobilieneigentümer erwägt, stehen in Europa die Konsequenzen für die Fortentwicklung des Hypothekengeschäftes im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Dabei drohen voreilige Schlüsse, die – zu politischen Maßnahmen geronnen – Banken und Verbrauchern in Europa mehr schaden als nutzen dürften.

Hintergrund der Debatte sind die Pläne der EU-Kommission, Ende 2007 Vorschläge für die weitere Integration des europäischen Hypothekarkreditmarktes vorzulegen. Zu den Zielen der Kommission zählt, breiteren Bevölkerungsschichten Zugang zu Baukrediten und somit zu Wohneigentum zu verschaffen. Dazu will sie unter anderem innovative Hypothekenprodukte fördern, darunter Kredite mit hohen Beleihungsausläufen und tilgungsfreie Kredite, die zum Beispiel auch jüngeren Kunden mit guter Bonität, aber wenig Eigenkapital und (noch) niedrigem Einkommen die Aufnahme eines Hypothekenkredites ermöglichen. Im Zuge der US-Subprime-Krise geraten diese so genannten „Non-Standard“-Produkte nun unter Beschuss. Insbesondere einige deutsche Branchenvertreter warnen die Europäische Union davor, am traditionellen deutschen Baufinanzierungsmodell – gekennzeichnet durch langfristige Annuitätendarlehen mit festen Zinssätzen und niedrigen Beleihungsausläufen – zu rütteln, denn dieses verhindere Krisen wie diejenige in den USA.

Eine solche, rein defensive Positionierung wäre jedoch verfehlt. Mit ihrem Ansinnen, die Europäisierung und – damit verbunden – Modernisierung des Baufinanzierungsgeschäftes voranzutreiben, ist die EU-Kommission grundsätzlich auf dem richtigen Weg. Das gilt auch für die Propagierung der erwähnten „Non-Standard“-Kreditprodukte. Diese sind zwar in der Tat risikoreicher als der traditionelle deutsche Festzins-Annuitätenkredit mit einer Beleihungsgrenze von 60%; Befürchtungen, die schon seit Jahren steigende Popularität der „Non-Standard“-Angebote könne einer Hypothekenkrise in Europa den Boden bereiten, sind aber unbegründet, solange die Banken mit den Risiken verantwortungsbewusst umgehen. Genau das ist in den USA – zumindest 2006 und 2007 – oftmals nicht geschehen. Dort wurden Kredite leichtfertig an Schuldner vergeben, die mit Zins und Tilgung offensichtlich überfordert sein würden. Eine gewissenhafte Prüfung der Kreditwürdigkeit und -fähigkeit sollte aber ebenso wie eine sachgerechte Immobilienbewertung notwendige Voraussetzung für die Vergabe eines Hypothekarkredites sein. Wenn das gewährleistet ist und auch die weitere Kreditbeziehung den Anforderungen an eine sorgsame Risikosteuerung gerecht wird, ist gegen die Vergabe von innovativen Baufinanzierungskrediten nichts einzuwenden. Dass viele amerikanische Institute in den beiden vergangenen Jahren die notwendige Sorgfalt haben vermissen lassen, spricht deshalb nicht gegen die Kreditvergabe an sich, auch dann nicht, wenn es um für den deutschen Markt relativ neue Produktangebote geht. Mit ihrem Ziel, die Verbreiterung der Produktpalette im Hypothekensegemt voranzutreiben, ist die EU-Kommission somit auf dem richtigen Weg.

Daneben darf auch die Integration der europäischen Refinanzierungs- und Sekundärmärkte für Hypothekarkreditportfolios nicht unter der amerikanischen Subprime-Krise leiden. Zusätzliche Optionen wie die Verbriefung multinational zusammengesetzter Portfolios oder deren Handel auf einem Sekundärmarkt ermöglichen den kreditgebenden Banken Skalenerträge bei der Refinanzierung und den Investoren eine größere Palette von Risiko-Rendite-Kombinationen. Daraus ergeben sich positive Auswirkungen auf die Kreditvergabepolitik und das Pricing, so dass die neuen Instrumente auch den Kunden zugute kommen. Nicht zuletzt bringt die Integration des EU-Hypothekarkreditmarktes auch der europäischen Wirtschaft insgesamt positive Impulse, weil der leichtere Zugang zu einer breiteren Palette von Wohnbaukrediten wachstumsfördernd wirkt.

Dieser Artikel wurde auf http://www.boerse-go.de veröffentlicht.

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Über den Experten

Harald Weygand
Harald Weygand
Head of Trading

Harald Weygand entschied sich nach dem Zweiten Staatsexamen in Medizin, einer weiteren wirklichen Leidenschaft, dem charttechnischen Analysieren der Märkte und dem Trading, nachzugehen. Nach längerem, intensivem Studium der Theorie ist Weygand als Profi-Trader seit 1998 am Markt aktiv. Im Jahr 2000 war er einer der Gründer der stock3 AG und des Portals www.stock3.com. Dort ist er für die charttechnische Analyse von Aktien, Indizes, Rohstoffen, Devisen und Anleihen zuständig. Über die Branche hinaus bekannt ist der Profi-Trader für seine Finanzmarktanalysen sowie aufgrund seiner Live-Analysen auf Anlegerveranstaltungen und Messen.

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