Threadneedle - Vergleich Europa und USA
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Wir favorisieren nun im Vergleich zu US-Aktien schon seit einiger Zeit europäische Papiere. Dies spiegelt sich auch in der Asset Allocation der von uns verwalteten Fonds wider. Dabei sind wir im Vergleich zum Referenzindex in Europa übergewichtet, während wir den US-Aktienmarkt untergewichten. Obwohl sich diese Anlagestrategie in der ersten Hälfte dieses Jahres gut bewährt hat, hat sich die überdurchschnittliche Wertentwicklung zuletzt verringert (auf Euro-Basis). Diese Analyse stellt die Gründe für unsere Vorgehensweise dar, erklärt, was passiert ist und skizziert eine mögliche zukünftige Entwicklung.
Warum ziehen wir Europa den USA vor?
Zum Jahresbeginn haben wir Europa den USA aufgrund folgender Faktoren vorgezogen:
• Wir sahen die Restrukturierungen der Unternehmen als einen wichtigen Trend und als den Grund dafür, daß das Gewinnwachstum im Jahre 2003 in Europa höher ausfallen würde als in den USA.
• Das Bewertungsniveau in Europa war — aktuell und im historischen Vergleich- attraktiver als das in den USA. Die USA hingegen lagen bestenfalls auf dem Mittelmaß der eigenen historischen Zahlen.
• Die wirtschaftlichen Exzesse konzentrierten sich ebenso wie die Bilanzprobleme in den USA.
Was führte zur unterdurchschnittlichen Entwicklung europäischer Aktien?
• Wie wir festgestellt haben, finden die Restrukturierungen innerhalb Europas aus einer Position der vermeintlichen Verzweiflung (wie beispielsweise bei Vivendi) und nicht aus einer Position der Stärke statt. Obwohl dies möglicherweise auch auf die USA zutrifft, war dies kein relativer Vorteil für Europa.
• Europa hat sich für Investoren nicht als wirtschaftlich sicherer Hafen erwiesen. Die Veränderungen der Wirtschaftsprognosen der "wichtigsten Handelshäuser" zeigt Tabelle 1. Die Wachstumsprognosen sind für 2002 um etwa 0,5 Prozent nach unten gestuft worden und werden für das nächste Jahr in Europa und auch in den USA etwas höher angesetzt, wobei der Basiseffekt in Europa natürlich niedriger ist.
Wenig hilfreich für europäische Finanzanlagen war sicherlich das Gefühl, daß die proaktive Wirtschaftspolitik in den USA im Gegensatz zur rückwärtsgewandten EZB steht und den europäischen Regierungen durch den "Stabilitätspakt" zudem Schranken gesetzt sind. Insbesondere die Liquidität ist in Europa begrenzt.
• Trotz der vielfach veröffentlichten Bilanzmanipulationen in den USA haben sich die US-Gewinne auf Basis der Schätzungen der Handelshäuser sehr gut behauptet (siehe Tabelle 2 unten). Dies ist jedoch irreführend, da die Gewinnbasis in den USA deutlich nach unten korrigiert worden ist. Niemand hat sich darüber (bis jetzt) jedoch Sorgen gemacht, man war eher der Auffassung, daß die US-Unternehmen die Erwartungen übertreffen werden.
• Der hohe Verschuldungsgrad der US-Unternehmen wirkte sich bei europäischen Unternehmen ebenso deutlich aus. Grund dafür waren:
— Schulden, die durch Übernahmen (häufig in den USA) entstanden sind
— das Engagement bei der Schuldenfinanzierung für US-Unternehmen (europäische Versicherungsunternehmen).
Da der Finanzsektor am europäischen Markt einen größeren Anteil als in den USA hat (25 Prozent gegenüber 20 Prozent), könnten die Auswirkungen entsprechend stärker ausfallen. Zudem sind die Vermögenswerte europäischer Versicherer stärker auf Aktien ausgerichtet als die Vermögenswerte der Mitbewerber in den USA (auf Basis der FTSE-Indizes liegt die Gewichtung europäischer Versicherer bei 6,8 Prozent im Vergleich zu etwa 5,5 Prozent in den USA). Ein Einwand wäre, daß die Finanzbranche in den USA angesichts des Anteils der Gewinne aus Wertpapierhandel und Emissionen stärker vom Kursniveau des Aktienmarktes abhängig ist. Das Volumen der Neuemissionen ist in Europa definitiv wesentlich höher als in den USA.
Wie stichhaltig sind unsere positiven Argumente für Europa heute?
• Während die Wiederwahl in Deutschland Fortschritte bei der Arbeitsmarktreform weiter belasten wird, gibt es in Europa mehr Spielraum als in den USA, die Eigenkapitalrendite durch Restrukturierungen zu erhöhen. So schreiten die Restrukturierungen in Europa eher unbemerkt voran, was auch der Trend bei den Gewinnen belegt.
Über diesen 6-Jahreszeitraum erwarten wir in Europa einen Anstieg der Gewinne um 18 Prozent, während die US-Gewinne leicht zurückgehen sollten. Der Schritt hin zu ehrlicheren Bilanzen in den USA trübt den Trend bei den US-Gewinnen.
• Für das Jahr 2003 gehen wir von einem Gewinnwachstum von 9 Prozent in Europa und 8 Prozent in den USA aus. Unsere US-Prognosen für das Jahr 2002 liegen jedoch deutlich -um etwa 20 Prozent- unter der allgemeinen Marktmeinung, während wir in Europa im Trend liegen. Daher bleibt das Ausmaß, in dem Investoren kurzfristig schwache Aussichten ignorieren werden und für 2003 von einem Wachstum ausgehen, eine wichtige Frage.
• Europa ist nach wie vor preiswerter als die USA. Beim direkten Vergleich zwischen den USA und Europa zeigen dies fünf unserer sechs Bewertungskennzahlen. Eine Ausnahme ist das ERP (Risikoaufgeld für Aktien), das in den USA bei 3,6 Prozent und in Europa bei 3,1 Prozent liegt. Betrachtet man die anderen Bewertungskennzahlen im historischen Vergleich ist Europa auf
Basis aller Kennzahlen, die 10-jährige Durchschnitte heranziehen, eindeutig preiswert. Auf Grundlage der 15-/20-jährigen Vergleiche ist Europa nach drei Kennzahlen preiswert und bei jeweils einer Kennzahl teuer bzw. fair bewertet. In den USA ist das Bild für beide Zeiträume uneinheitlich.
• Die wirtschaftlichen Exzesse konzentrieren sich nach wie vor besonders auf die USA - das Bilanzdefizit und das damit verbundene Spardefizit des Privatsektors - und unsere Wirtschaftsprognosen liegen in den USA deutlich unter denen der allgemeinen Marktmeinung - nicht jedoch in Europa. Viele - wenn nicht die meisten - Bilanzprobleme in den USA sind nun bekannt. Sie sind jedoch noch nicht in den Gewinnprognosen berücksichtigt worden. Dies trifft besonders auf Kosten im Zusammenhang mit Aktienoptionen sowie die angemessene Behandlung außergewöhnlicher Aufwendungen und eine realistische Verbuchung der Altervorsorgerückstellungen zu.
• Europa wird durch ein hohes Emissionsvolumen neuer Papiere belastet. Das Liquiditätsumfeld ist in Europa zwar enger als in den USA, aber wir gehen davon aus, daß sowohl die EZB als auch die US-Notenbank die Zinsen senken werden. Dies könnte sich für die meisten Investoren als positive Überraschung erweisen.
Zusammenfassung
Europa hat regelmäßig enttäuscht - sei es nun im Hinblick auf die Wirtschaftspolitik oder die Unternehmensentwicklung. Nichtsdestotrotz sind die Fundamentaldaten europäischer Aktien besser als die der US-Papiere, und das Bewertungsniveau ist günstiger. Zum jetzigen Zeitpunkt sind die Erwartungen für Europa besonders niedrig, während die US-Investoren sich noch nicht auf die "Neue Welt" eingestellt haben. Wir halten es derzeit nicht für angemessen, unsere Anlagestrategie im Hinblick auf Europa oder die USA zu verändern.
Quelle: Threadneedle
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