Kommentar
14:15 Uhr, 02.11.2011

That sounds greek to me!

That sounds greek to me“ sagen die Briten in Situationen, in denen uns Deutschen „etwas spanisch vorkommt“. Was der griechische Ministerpräsident Papandreou am Montagabend im Parlament von sich gab, kam den meisten EU-Regierungschefs wohl jedenfalls nicht sehr europäisch vor.

Es gibt durchaus einige Argumente für das angekündigte Referendum, das den Griechen die Möglichkeit geben soll, sich zum geplanten Sparpaket im Zusammenhang mit den Ergebnissen des jüngsten Eurogipfels zu äußern. Aber die offensichtliche Tatsache, dass dies ohne Absprache mit den europäischen Partnern geschah, wirft ein miserables Licht auf die Beziehungen der griechischen Seite zum Rest der Euro-Zone.

Warum hat Papandreou so gehandelt? Er wusste natürlich, dass Merkel und Sarkozy geradezu Amok gelaufen wären und ihn davon abgehalten hätten. Also zog er es alleine durch, angeblich war ja nicht mal sein Finanzminister eingeweiht. Papandreou ist entweder total verzweifelt oder ein ausgebuffter Spieler. Er musste nicht nur wissen, dass er alle vor den Kopf stößt, sondern auch die Märkte in Panik versetzen wird. Und das über Monate hinweg, denn das Referendum kann aus organisatorischen und juristischen Gründen wohl frühestens Ende Dezember stattfinden.

Nun steht wortwörtlich alles auf der Kippe, was bisher für Griechenland ausgehandelt wurde. Die vorgetragenen Meinungen auch aus höchster Ebene europäischer Regierungen, dass die Griechen damit auch über den Verbleib in der Euro-Zone entscheiden werden, kann man nur unterstreichen. Genau darum geht es. Für diesen Punkt muss man Papandreou auch dankbar sein. Denn wenn die Griechen im Referendum die Gipfelbeschlüsse incl. Sparmaßnahmen durchwinken, dann muss Schluss sein mit Demonstrationen, Streiks, Lahmlegung des Landes. Dann heißt es in die Hände spucken und ein paar harte Jahre überstehen. Mehr als Europa jetzt angeboten hat, können die Griechen nicht verlangen.

Wenn das Volk mit nein votiert, dann muss man wahrscheinlich davon ausgehen, dass damit die Mitgliedschaft im Euro, und vielleicht auch in der EU, vorerst Geschichte ist. Der Austritt nur aus der Währungsunion ist juristisch gar nicht vorgesehen, wobei sicherlich nicht ausgeschlossen werden kann, dass Neuland beschritten wird. Sprich, die Griechen verlassen die Eurozone, bleiben aber dennoch in der EU. Oder – noch interessanter – die Drachme wird parallel zum Euro eingeführt.

Ich sehe diesen Ereignissen mit einiger Spannung und keinerlei Panik entgegen. Weder das Bankensystem noch der Euro werden zusammenbrechen, wenn Griechenland aus der Eurozone austritt. Im Fall der Fälle wird die EZB in einer Weise aktiv, die Sie und ich noch nie erlebt haben. Tatsächlich böte dieser Schritt sogar Chancen, denn dann sehen wir endlich mal live was passiert, und müssen nicht darüber spekulieren. Man sollte auch nicht vergessen, dass die Regierungschefs von Lobbyisten umringt sind die den Teufel an die Wand malen. Da kann aus hohen Verlusten für eine Bank schnell das Ende der Welt werden.

Ich möchte sogar noch weiter gehen in meiner Argumentation. Ein europäisches Finanzsystem, das wegen dem kleinen Griechenland zusammenbricht, ist es erstens gar nicht wert verteidigt zu werden, und kann zweitens auf Dauer ohnehin nicht stabilisiert werden. Was aber nichts daran ändert, dass diejenigen, die an den Schalthebeln der Macht sitzen, genau dies tun werden. Bis zur letzten Patrone, die nie kommt, weil die EZB-Bazooka wie in einem schlechten Videospiel unendlich nachladen kann.

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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