Kommentar
00:00 Uhr, 03.03.2009

Technischer Dammbruch - Abwärtsspirale in vollem Gang

Zahlreiche Indizes haben ihre technischen Unterstützungsmarken vom November 2008 in der letzten Februarwoche durchbrochen: Der DAX brach durch die 4.000er, der Dow-Jones durch die 7.400er und der EuroStoxx50 durch die 1.860er Unterstützungsmarke, so dass der weitere Weg nach unten nun grundsätzlich frei ist. Einige Indizes konnten sich noch halten, so z.B. der Nikkei 225 – wenn auch knapp. Besser sieht dies beim Nasdaq und etlichen Emerging Markets wie z.B. China und Brasilien aus. Dafür sind Irland oder auch Russland mit rund 80 Prozent Kursverlust (seit April 2007 bzw. Mai 2008) „Land unter“ und abgestraft worden wie ehemals der „Neue-Markt“.

Abwärtsspirale in vollem Gang

Der Grund für die nicht enden wollende Kapitalvernichtung ist die weitere Beschleunigung der globalen Konjunkturtalfahrt in den ersten zwei Monaten dieses Jahres. Die extrem negativen realwirtschaftlichen Konsequenzen der Finanzkrise schlagen mittlerweile voll auf den globalen Handel durch. In Japan brach der Export im Januar um erdrutschartige 45,7 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat ein. In den USA reduzierte sich das Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal um 6,2 Prozent. Dies lässt für Deutschland, als die Exportnation schlechthin, nichts Gutes erahnen. Auch wenn die binnenwirtschaftlichen Effekte aus der Abwrackprämie und der Kostenentlastung an den Zapfsäulen das Konsumklima zuletzt etwas entlastet haben, so sind dies nur Tropfen auf den heißen Stein. Professor Norbert Walter (Deutsche Bank) erwartet denn auch für Deutschland einen gesamtwirtschaftlichen Einbruch von fünf Prozent für 2009, sofern sich die Wirtschaft im zweiten Halbjahr merklich erholt. Vielleicht steht uns aber auch ein zweistelliger BIP-Rückgang bevor, wie er sich aktuell in Italien (10 Prozent), Singapur (16 Prozent) und etlichen anderen Industrienationen abzeichnet. Für 2009/2010 wird daher mit einer wahren Rekordpleitewelle gerechnet, die insbesondere die hochverschuldeten Unternehmen aus allen Branchen betrifft – egal ob Autohersteller (jüngstes Beispiel Saab), Medienkonzern (Tribune), Einzelhandel (Hertie) etc. Allein in den ersten sechs Wochen dieses Jahres verzeichnete die Rating-Agentur S&P so viele Insolvenzen wie im gesamten ersten Quartal 2008. Die Abwärtsspirale aus Nachfragerückgang und Arbeitsplatzvernichtung ist also immer noch in vollem Gange und alle Hoffnung ruht nun auf den globalen Konjunkturpaketen.

Staaten vor wachsenden Finanzierungsproblemen

Gleichzeitig spannt sich die finanzielle Lage der Staats- und Länderhaushalte zusehends an. Während im US-Bundesstaat Kalifornien Gouverneur Schwarzenegger den Finanznotstand ausgerufen hat und seinen Haushalt unter anderem mit der Entlassung von 10.000 Angestellten aus dem öffentlichen Dienst zu retten versucht, sah sich EZB-Präsident Trichet gezwungen zu dementieren, dass Irland der Staatsbankrott drohen könnte. Immer dringender wird die Auflage einer Euro-Anleihe zur Finanzierung klammer Euro-Mitgliedsstaaten. Aber nicht nur Irland hat Probleme, auch die Finanzierungsprobleme der PIGS werden immer größer. Das Kürzel PIGS steht für die vier Euro-Mitgliedsländer Portugal, Italien, Griechenland und Spanien. Die problematische Lage dieser Länder schlug sich zuletzt sehr deutlich im internationalen Währungsgefüge nieder, d.h. sie brachten insbesondere den Euro zusehends unter Druck. Profitieren könnte davon die europäische Exportwirtschaft, die sich bei einem aktuellen Wechselkurs von 1,27 im Konkurrenzkampf mit den USA deutlich leichter tut, als noch bei einem Kurs von 1,60. Angelockt werden könnten ferner ausländische Investoren. Schließlich fallen europäische Aktien und Vermögenswerte derzeit mit „doppelter“ Geschwindigkeit, einmal über den Kurs bzw. Vermögenswert, andererseits über die Währung. Ebenfalls korrigiert hat der japanische Yen im Februar, anlässlich der katastrophalen Konjunkturdaten in Japan. Allerdings leidet deren Exportindustrie immer noch sehr stark unter der 35prozentigen Yen-Aufwertung vom zweiten Halbjahr 2008, so dass sich die jüngste 10prozentige Korrektur noch nicht positiv auswirken dürfte.

Krisenwährungen wieder im Auftrieb

Profitieren konnten zuletzt primär zwei traditionelle Krisenwährungen: zum einen der US-Dollar, zum anderen der Goldpreis. Letzterer erklomm am 20. Februar die 1.000 USD-Marke pro Feinunze, die er bereits im März 2008 einmal erreichte. Allerdings war der damalige Goldpreisanstieg primär auf den schwachen USD von rund 1,60 pro Euro zurückzuführen, dieses Mal aber nicht. In Euro gerechnet hat Gold seit dem vergangenen März von 650 auf knapp 800 Euro, also um ein Viertel bzw. seit August sogar um 50 Prozent zugelegt. In den letzten Februartagen drückten Gewinnmitnahmen den Goldpreis zwar wieder auf rund 740-750 Euro, dennoch erfreut sich das gelbe Metall zusehender Beliebtheit. Dies beweisen auch die enormen Zuwächse, die die großen Gold-ETFs in Europa und den USA zuletzt verzeichneten. Der volumenmäßig Größte, der amerikanische SPDR-Gold, verzeichnete allein in diesem Jahr eine Nachfrage von umgerechnet 254 Tonnen Gold. Bei rund 40 Handelstagen in 2009 entspricht dies gut sechs Tonnen Zuwachs pro Tag. Seit März 2008, als der Goldpreis in USD ähnlich hoch stand, hat der Fonds von 634 auf 1.029 Tonnen Gold zugelegt, d.h. die zwischenzeitliche Schwächephase (auf Dollarbasis) wurde zu massiven Käufen genutzt. Die Angst vor einem Kollaps im Finanzsystem treibt offenbar immer mehr Investoren und auch Spekulanten in die Edelmetalle. Je mehr Spekulanten darunter sind, desto größer wird auch die Rückschlagsgefahr – allerdings sind aufgrund des begrenzten Angebots noch ganz andere Preissteigerungen möglich.

Ähnliches gilt derzeit für Staatsanleihen: Der Bundfuture, der die 10jährigen deutschen Staatsanleihen repräsentiert, ist mehrfach an der 126er Marke gescheitert. Offenbar setzen hier – an der Renditemarke von rund 2,8 Prozent – größere Verkäufe ein. Bricht diese Marke nachhaltig, so winken insbesondere bei einer weiteren Eskalation der Finanzkrise, vielleicht auch japanische Zinsniveaus in Europa. Die Interbankensätze für Tagesgeld (EONIA) liegen bereits bei wenig lukrativen 1,37 Prozent.

Technische Korrektur ist möglich

Nach dem jüngsten Sell-Off an den Aktienmärkten, der durch Stop-Orders knapp unter den November-Tiefs verstärkt wurde, scheint zunächst eine rein technische Korrektur überfällig. Am Beispiel des DAX, der von einem Jahreshoch am 6. Januar bei 5.111 kommend, nun binnen sieben Wochen auf 3.764 (27.02. intraday) durchgereicht wurde und gut 25 Prozent verlor, ist eine Gegenbewegung zunächst bis 4.200 – anschließend vielleicht sogar bis 4.450 – möglich. Diese Korrektur, die immer noch im Rahmen des kurzfristigen Abwärtstrends läge, könnte also durchaus rund 20 Prozent vom Tiefpunkt aus betragen. Nachdem täglich mit neuen Hiobsbotschaften gerechnet wird, könnte allein das (vorläufige) Ausbleiben derselben positiv wirken. Auch sollte das sogenannte „deleveraging“, also das Entschulden von Finanzinvestoren und Hedgefonds, relativ weit gediehen sein. Aktienkäufe und Übernahmen von Staatsfonds, insbesondere aus China oder dem arabischen Raum, sind auf den aktuellen Niveaus ebenso denkbar, wie Firmenübernahmen durch große, gut kapitalisierte Unternehmen. Nicht zuletzt stehen am 5. März weitere Zinssenkungen der Bank of England und/oder der EZB an, d.h. auch von Herrn Trichet könnte ein (überraschend) positiver Impuls ausgehen. Mangels eines Börsen-Eigenlebens in Deutschland/Europa muss eine größere Korrektur primär aber von den USA ausgehen. Von dort sind wohl auch am ehesten positive Überraschungen möglich, nicht zuletzt durch das gigantische Konjunkturpaket von über drei Prozent des BIP. Da aber auch weitere Hiobsbotschaften jederzeit möglich sind, rechnen wir vorerst mit keiner nachhaltigen Erholung am Aktienmarkt und bleiben relativ vorsichtig. Defensive Investments im Bereich von Investmentgrade-Unternehmens- oder Wandelanleihen, soliden Emerging-Market-Bond-Fonds und taktische Index-Investments auf DAX und Eurostoxx50 stehen dabei im Vordergrund. Strategisch bleiben wir vorerst in Goldminen übergewichtet.

Helmut Knestel - Fondsmanager des unabhängigen Finanzdienstleisters GECAM AG und mitverantwortlich für das Portfoliomanagement der vier GECAM Dachfonds.

Über German Capital Management (GECAM)

Seit Gründung vor über zehn Jahren hat sich die GECAM AG als unabhängiger Finanzdienstleister mit einer Zulassung nach §32 Kreditwesengesetz auf das Investmentgeschäft spezialisiert. Das Unternehmen bündelt die fünf für das Investmentgeschäft essentiellen Bausteine Investmentdach, Vermögensverwaltung, Produkte, Partner-Portal und Dienstleistungskonzept in einem Haus. Mit ihrem ganzheitlichen Servicepaket unterstützt GECAM Vermittler in der professionellen Beratung, individuell passenden Fondsauswahl, gesetzeskonformen und haftungsminimierenden Angebotserstellung, Depotkontrolle, im Reporting und der Auftragsabwicklung. Durch die Entwicklung eigener, erfolgreicher Superfunds unterstreicht das Unternehmen die fachliche wie organisatorische Leistungsfähigkeit ihres Finanzmanagements. GECAM verwaltet in ihren vier Dachfonds aktuell ein Gesamtnettovermögen von 150 Mio. Euro. Fonds professionell verlieh dem GECAM-Dachfonds Global Value den Deutschen Fondspreis 2008. Dem Unternehmen wurde als einer der 100 innovativsten Mittelständler Deutschlands im vergangenen Jahr zudem der Preis Top100 verliehen.

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