Studie: Skepsis gegenüber Migration wächst in Deutschland
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BERLIN (Dow Jones) - In Deutschland steigt angesichts steigender Flüchtlingszahlen die Skepsis gegenüber Migration, aber die Offenheit für zugewanderte Menschen bleibt einer Untersuchung der Bertelsmann Stiftung zufolge dennoch stabil. Es zeige sich eine ähnliche Entwicklung wie nach der starken Fluchtmigration der Jahre 2015/2016. Die Menschen sorgten sich demnach um Mehrkosten für den Sozialstaat, Wohnungsnot in Ballungsräumen und Probleme in den Schulen. Zugleich teile weiterhin eine Mehrheit der Befragten den Eindruck, dass sowohl Arbeitsmigranten als auch Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen, von den Kommunen und der Bevölkerung willkommen geheißen werden.
Eine Umfrage für die neue Studie "Willkommenskultur in Krisenzeiten. Wahrnehmungen und Einstellungen der Bevölkerung zu Migration und Integration in Deutschland" der Bertelsmann Stiftung ergab, dass 78 Prozent der Befragten Mehrkosten für den Sozialstaat durch Zuwanderung erwarten, 74 Prozent befürchten Wohnungsnot in Ballungsräumen und 71 Prozent sorgen sich um Probleme in den Schulen. Diese Werte fallen höher aus als in den beiden letzten Befragungen 2021 und 2019. Sie erreichen nun ein ähnliches Niveau wie 2017, wobei die Sorge um Wohnungsnot seitdem noch einmal deutlich angestiegen ist, so die Studie.
"Um Migrationsskepsis zu begegnen, sollte Zuwanderung nach Deutschland besser gesteuert werden", sagte Ulrike Wieland, Integrationsexpertin der Bertelsmann Stiftung. Fluchtmigration sollte durch eine verbesserte internationale Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union (EU) und mit Aufnahme- und Transitstaaten effektiver gestaltet werden. Dies sehen der Studie zufolge auch drei Viertel der Befragten so. Sie fordern, dass für jedes EU-Land eine feste Anzahl an aufzunehmenden Flüchtlingen festgelegt werden sollte, abhängig von der Größe und der Wirtschaftskraft des Landes.
Nach Ansicht der Bertelsmann Stiftung ist es angesichts der Umfrage innenpolitisch wichtig, vor allen Dingen dort zu investieren, wo sich der größte Druck aufgebaut habe: im Sozialsystem, am Wohnungsmarkt und im Schulsystem. Ein wichtiger Hebel sei, die Arbeitsmarktchancen für Zugewanderte zu verbessern. Dies werde auch von der Bevölkerung unterstützt.
Schnellere Integration in den Arbeitsmarkt
Die Studie zeigt, dass 87 Prozent der Befragten finden, der Staat solle dafür sorgen, dass Flüchtlinge in Deutschland rasch arbeiten dürfen. Hierfür müssten neben bürokratischen Hürden auch gesellschaftliche Barrieren abgebaut werden
"Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die gestiegene Skepsis gegenüber Migration vorwiegend nicht auf eine ablehnende Haltung gegenüber den zugewanderten Menschen zurückzuführen ist, sondern vor allem auf die Sorge um die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kapazitäten für eine gelingende Aufnahme und Integration", sagte Wieland.
Der Studie zufolge sehen 56 Prozent der Befragten mangelnde Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt für Zuwanderer als eines der größten Hindernisse für Integration; bei den Personen mit Migrationshintergrund sind es sogar 65 Prozent. In Bezug auf internationale Fachkräfte, die der deutsche Arbeitsmarkt dringend benötige, sei die Politik zudem gut beraten, ihnen den Weg nach Deutschland zu erleichtern, etwa durch eine effizientere Migrationsverwaltung, so Wieland.
Neben diesen Verbesserungen am Arbeitsmarkt sollte die Politik mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen und in Schulen als zentrale Orte für die Gestaltung des Zusammenlebens in Vielfalt investieren, wie es in der Studie heißt.
Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com
DJG/aat/jhe
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