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16:24 Uhr, 17.06.2024

Studie: Bildungssystem in Deutschland arbeitet am Anschlag

Von Andrea Thomas

BERLIN (Dow Jones) - Das Bildungssystem in Deutschland arbeitet am Anschlag und steht unter großem Anpassungsdruck. Das ist das Fazit des neuen nationalen Bildungsberichts "Bildung in Deutschland 2024", der in Berlin vorgestellt wurde. Zwar stiegen die finanziellen Investitionen in Bildung. Diese decken dem Bericht zufolge aber nicht ausreichend den Bedarf. In den vergangenen zehn Jahren sind demnach die Ausgaben für Bildung um 46 Prozent gestiegen. Bezogen auf die Wirtschaftskraft Deutschlands ist ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt allerdings nur um 0,2 Prozentpunkte angewachsen. Um über alle Lebensphasen hinweg ein hochwertiges Bildungsangebot zu sichern, müsste das Bildungssystem flexibel und bedarfsorientiert ausfinanziert werden, wie die Bildungsexperten in dem Bericht forderten, der alle zwei Jahre erstellt wird.

"Das System arbeitet vielerorts bereits am Anschlag, nicht zuletzt aufgrund stetiger Aus- und Umbaumaßnahmen und der angespannten Situation beim Fachpersonal", sagte Kai Maaz, Geschäftsführender Direktor des DIPF Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation und Sprecher der für den Bildungsbericht verantwortlichen Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.

Verschiedene weitreichende Entwicklungen resultierten in einem zusätzlichen Anpassungsdruck. Maaz kritisierte, dass die Integration von Personen mit Flucht- und Migrationserfahrung inzwischen eine Daueraufgabe sei und eine große Herausforderung darstelle, für die es bislang keine nachhaltigen Konzepte gebe. Außerdem müssten Bildungsprozesse vermehrt digital gestaltet und der Kulturwandel durch die Digitalisierung mitgedacht werden.

In vielen Bildungsbereichen gestalte sich die Rekrutierung von Fachpersonal weiterhin sehr schwierig. So sei in Kindergärten zwar die Zahl des pädagogischen Personals in den vergangenen zehn Jahren um 54 Prozent gestiegen. Aber in Westdeutschland sei eine bis 2035 anhaltende Personallücke zu erwarten.

   Sozial bedingte erhebliche Ungleichheit in der Bildung 

Mit Blick auf die Bildungserfolge und soziale Ungleichheit bemängelt die Studie, dass die Schulleistungen in Deutschland sowohl im Primarbereich als auch in der Sekundarstufe I stagnierten oder sogar zurückgingen. Der Anteil der Kinder und Jugendlichen, die die Mindeststandards im Lesen nicht erreichten, sei insgesamt und im internationalen Vergleich groß. Am Ende der Schulzeit verließen 2022 erneut mehr Jugendliche die allgemeinbildenden Schulen ohne Abschluss. Das sind 6,9 Prozent gegenüber 5,7 Prozent im Jahr 2013.

Sozial bedingte Ungleichheiten in der Bildungsbeteiligung und dem Bildungserfolg bestehen dem Bildungsbericht zufolge weiterhin in erheblichem Maße. Nur 32 Prozent der Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Familien erhalten eine Gymnasialempfehlung, verglichen mit 78 Prozent aus privilegierten Familien, so die Studie.

Der Anteil formal gering qualifizierter Erwachsener, die nicht über einen beruflichen Abschluss oder eine Hochschulreife verfügen, liege mit 17 Prozent unverändert hoch. Überdurchschnittlich viele Personen aus dieser Gruppe (40 Prozent) entstammen selbst bildungsfernen Elternhäusern, so die Studie.

"Der Bildungsbericht zeigt, dass unser Bildungssystem vor großen Herausforderungen steht. Wir brauchen dringend eine bildungspolitische Trendwende", sagte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP).

Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com

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