Nachricht
00:01 Uhr, 13.01.2024

Steinmeier kritisiert Verhalten der Bundesregierung

BERLIN (Dow Jones) - Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat in einem Zeitungsinterview das Verhalten der Bundesregierung kritisiert. "Wenn die Glaubwürdigkeit einer Regierung sinkt, hängt das auch damit zusammen, dass Entscheidungen nicht ausreichend kommuniziert oder akzeptiert worden sind oder von internem Streit, der nach außen dringt, überlagert werden. Die Regierung muss ein Interesse daran haben, das zu verbessern", sagte Steinmeier der Süddeutschen Zeitung. Zuletzt war das Vertrauen der Bürger in die Regierung in Umfragen auf ein Rekordtief gefallen.

Steinmeier machte in dem Interview deutlich, dass er von vorschnellen Neuwahlen wenig halte. Auf die Frage, ob er bei einem Scheitern der Ampel-Koalition Neuwahlen ermöglichen werde, sagte er, die Väter und Mütter des Grundgesetzes hätten "aus Weimar die Lehre gezogen, dass es nie wieder politische Instabilität geben darf, dass es keine vorschnelle Auflösung von Parlamenten und keine regierungslosen Zeiten geben soll. Wegen dieser strikten Vorgaben schauen wir in Deutschland auf eine lange Zeit der politischen Stabilität zurück."

Auf die Nachfrage, ob das bedeute, dass er vorzeitige Neuwahlen vermeiden möchte, sagte der Bundespräsident: "Es ist nicht meine Aufgabe, über einen Koalitionsbruch zu spekulieren. Die bevorstehenden Entscheidungen im Bundestag, etwa über den Haushalt, werden Auskunft darüber geben, wie es um die Stabilität der Koalition bestellt ist." Deutschland habe "eine Regierung, die für vier Jahre gewählt ist".

Steinmeier beklagte in dem Interview außerdem den Umgang von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Bauern und ihren Protesten. "Sprachlosigkeit zwischen der Bundesregierung und den Bauern schadet allen Beteiligten", sagte der Bundespräsident. In der augenblicklichen Situation sei es "dringend notwendig, dass persönliche Gespräche stattfinden". Steinmeier verwies darauf, dass er schon seit Längerem seinen Amtssitz "regelmäßig für ein paar Tage raus aus Berlin in kleine Städte, die nicht im Scheinwerferlicht stehen", verlege. "Ich treffe jedes Jahr Bauern und Bäuerinnen bei der Erntekrone und Landfrauen in den Bundesländern - ich will den Leuten das Gefühl nehmen: für uns interessiert sich keiner, wir werden nicht gehört".

Manchmal helfe "es schon, hinzugehen und zu sagen, wir wollen euch hören". Insofern halte er "mehr Präsenz im ländlichen Raum tatsächlich für dringend erforderlich". In Deutschland fehle es "insgesamt an einer ausreichenden Würdigung derer, die für die Erzeugung der Nahrungsmittel und für den Erhalt der Lebensbedingungen im ländlichen Raum verantwortlich sind".

Kontakt zur Autorin: andrea.thomas@wsj.com

DJG/aat/sha

Copyright (c) 2024 Dow Jones & Company, Inc.