Kommentar
12:29 Uhr, 25.01.2010

Steht das größte Casino der Welt vor einem radikalen Wandel?

Wenn es nach den Plänen von US-Präsident Obama geht, ja. Die Reformagenda für das US-Bankenwesen hat das Zeug dazu, die Wall Street auf den Kopf zu stellen. Denn unter anderem fordert Obama, dass Banken grundsätzlich keinen Eigenhandel mehr betreiben dürfen. Auch Hedge- und PrivateEquity-Fonds sollen die Geldinstitute nicht mehr halten dürfen. Damit will Obama ein krisenresistentes Bankensystem schaffen mit Geschäftsbanken, die wieder ihrem ursprünglichen Zweck nachgehen: Auf der einen Seite Kundeneinlagen verwalten, aber auf der anderen Kredite vergeben. Zocken in alter Manier dürften dann nur noch Investmentbanken, die keine Kundeneinlagen haben. Somit wäre die alte Trennung zwischen Geschäfts-und Investmentbanken wieder hergestellt, die erst im Zuge der Krise defacto abgeschafft wurde. Und damit wäre für künftige Krisen auch klar: Die Investmentbanken werden im Zweifelsfall nicht mehr gerettet.

Das Brain hinter diesen Überlegungen ist Paul Volcker, Fed-Chef von 1979 bis 1987. Wenn Sie wissen wollen wie Volcker tickt, stellen Sie sich Alan Greenspan (oder auch dessen Nachfolger Ben Bernanke) vor und davon das Gegenteil. Er ist der Antipode der Deregulierung. Er stand in seiner Amtszeit für Maßnahmen, die heute fast unglaublich klingen, wie aus einem ökonomischen Schauermärchen. 20 Prozent Leitzins, das war Volckers Einstand in die Welt der Notenbanken. Sie wissen ja wo der Leitzins heute steht? Richtig, bei nahe null Prozent...

Volcker ist 82, und erlebt jetzt einen späten neuen Frühling. Er hat nichts zu verlieren. Lange Zeit wurde er von den einen belächelt, von den anderen gehasst. Die Finanzkrise scheint ihn und seine Politik zu bestätigen, und in seinem Alter zieht er erst recht sein Ding durch, ohne Rücksicht auf andere.

Das ist Chance und Gefahr zugleich. Denn während die inflationären Gefahren der Geldflutung durch die aktuelle Notenbankpolitik offensichtlich sind, wäre ein radikaler Kurswechsel noch viel schlimmer.

Als Volcker 1979 das Ruder der Fed übernahm, lag die US-Staatsverschuldung bei rund einer Bio. US-Dollar. Heute zeigt das Tacho rund 12 Bio. an! Das sagt ihnen zweierlei:

1. Eine Rosskur Marke Volcker mit sehr hohen Zinsen würde angesichts der immensen Verschuldung den USA das Rückgrat brechen.
2. So wie bisher kann es auch keinesfalls weitergehen.
Die Wahrheit liegt irgendwo zwischen Volcker und Greenspan...vielleicht bringen Obamas Pläne tatsächlich mehr Stabilität ins Bankensystem. Aber die Zocker werden weiterziehen. Das größte Casino der Welt findet immer ein neues Zuhause. New York, London oder Dubai – scheißegal, Hauptsache zocken.

Daniel Kühn- Chefredakteur von http://www.tradersjournal.de/

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn
Freier Finanzjournalist

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3.
Daniel Kühn interessiert sich vor allem für Small und Mid Caps, Technologieaktien, ETFs, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie für makroökonomische Themen.

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