Kommentar
14:25 Uhr, 06.08.2015

Sozialismus, made in USA

Amerikanische Unternehmen sind nicht gerade als Wohlfahrtsorganisationen bekannt. Es wird gespart und optimiert bis der Arzt kommt. Ein Unternehmen machte genau das Gegenteil - und droht zu scheitern.

Wenn man die Massen in den USA bewegen will, dann muss man nur das Wort Sozialismus in den Mund nehmen. Sozialismus ist die Bedrohung schlechthin. So werden auch gerne Politiker als Sozialisten beschimpft, wenn sie z.B. eine Krankenversicherung für alle einführen. Dass das wenig mit Sozialismus zu tun hat, tut dabei wenig zur Sache. Es geht ums Prinzip und nach dem Motto: soweit kommt's noch, dass jeder einfach zum Arzt gehen kann.

Sozialismus, wenn er auch nur ansatzweise vermutet wird - ob berechtigt oder nicht - ist verpönt. Ein Unternehmen hat sich trotz dieser allgemeinen Stimmung etwas angemaßt, was für undenkbar galt. Der CEO des Unternehmens Gravity Payments (macht Kreditkartenabrechnungen) hat die Gehälter aller seiner Mitarbeiter auf 70.000 Dollar gesetzt. Das war im April 2015.

Für den CEO bedeutete das eine Gehaltsreduktion um 930.000 USD. Die meisten Angestellten konnten sich über eine Gehaltserhöhung freuen. Das untere Viertel im Gehaltsranking erhielt eine Verdopplung der Löhne von 35.000 auf 70.000. Der Gehaltssprung kam nicht sofort, sondern wird zeitlich etwas gestreckt. Das Unternehmen kann es sich nicht leisten sofort alle Gehälter auf 70.000 zu setzen.

Ob das Experiment letztlich glücken wird ist nicht klar, doch der CEO spricht nun, vier Monate nach dem Entschluss, bereits von einem Fehler. Die Produktivität der Mitarbeiter, die mehr bekommen, ist nicht systematisch gestiegen. Dafür haben allerdings die Leistungen der Mitarbeiter nachgelassen, die weniger bekommen. Viele aus dem Bereich Verkauf haben das Unternehmen inzwischen verlassen.

Der CEO rechtfertige seinen Entschluss nicht mit sozialistischen Gedanken, sondern mit Glück. Angeblich macht es nicht sehr viel glücklicher, wenn man mehr 150.000 statt 70.000 verdient. Das mag theoretisch so sein, doch praktisch stellt sich die Sache anders dar. Man kann einem Top Verkäufer auch schlecht eine Halbierung seines Gehalts schmackhaft machen, indem man ihm sagt, dass er jetzt glücklicher sein müsste, auch wenn er sich die Raten für den Kredit für den Kauf einer Villa nicht mehr leisten kann.

Menschen etwas wegzunehmen ist ganz schwierig. Das Empfinden ist ähnlich wie an der Börse. Ein Gewinn macht ist weniger schön als ein Verlust schmerzhaft ist. Nimmt man Menschen einen Teil ihres Gehaltes oder andere Vergütungsbestandteile (Firmenwagen usw.) weg, dann ist der Schmerz für diese Menschen größer als das Glück derer, die jetzt mehr verdienen. Die Folgen sind so wie sie es Gravity Payments gerade erlebt: die Produktivität sinkt unterm Strich ebenso wie die Zufriedenheit.

Wir dürfen gespannt sein, ob Gravity Payments den Schritt wieder rückgängig machen wird. Tut es das, z.B. aus wirtschaftlicher Notwendigkeit, dann ist wahrscheinlich erst einmal die Hölle los. Ob es überhaupt noch soweit kommt, ist fraglich. Die Gehaltsanpassungen sind so teuer, dass das Unternehmen keine Margen mehr hat an anderer Stelle Geld aufzuwenden. Das kann zum Problem werden, denn ein Minderheitseigner (der Bruder des CEO) klagt nun gegen den Entscheid der Gehaltsanpassung.

Gleichheit um jeden Preis zu erzwingen ist unsinnig. Ein Anreizsystem muss es schon geben. Es sollte sicherlich nicht so ausgeprägt sein, dass der CEO das 400-fache des einfachen Angestellten verdient, doch eine gewisse Asymmetrie ist durchaus gut und motivierend.

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7 Kommentare

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  • Löwe30
    Löwe30

    "So werden auch gerne Politiker als Sozialisten beschimpft, wenn sie z.B. eine Krankenversicherung für alle einführen. Dass das wenig mit Sozialismus zu tun hat, tut dabei wenig zur Sache. "

    Doch, verehrter Clemens Schmale, dass der Staat Menschen zu etwas zwingt, hat etwas mit Sozialismus zu tun. Der Sozialstaat gründet auf den Idealen des Sozialismus.

    Der Sozialstaat hilft nicht den Schwachen und Armen sondern den Starken, denn die Zwangsumverteilung, die der Sozialstaat vornimmt, bedeutet, dass ein Verteilungskampf entsteht, und zwar sowohl beim Akt der Enteignung als auch dort, wo das staatliche Geld wieder abgeholt werden kann. Jene, denen etwas weggenommen werden soll, sind ständig bemüht, die Forderungen auf andere zu überwälzen, während sie gleichzeitig versuchen, möglichst viel Leistung vom Staat zu erhalten, beispielsweise mittels Lobbying und Beeinflussung der politischen Entscheidungsträger. Da ist es doch einleuchtend, dass die sozial Starken und Einflussreichen es eher schaffen, die Forderungen von sich abzuwenden als die Schwächeren. Genau das findet auch bei der staatlichen Krankenversicherung in den USA statt.

    20:01 Uhr, 06.08. 2015
  • 1 Antwort anzeigen
  • Marco Soda
    Marco Soda

    und wie viele Russen hat Stalin interniert bzw. umbringen lassen ???

    17:26 Uhr, 06.08. 2015
  • Löwe30
    Löwe30

    Witz, in dem eine alte Frau ihren Sohn fragt: „Wer hat eigentlich den Sozialismus erfunden? Waren es Ärzte oder Wissenschaftler oder Politiker?” Die Antwort des Sohnes: „Ich glaube, es waren Politiker.” Die Mutter daraufhin: „Aha, deshalb!” Auf die neugierige Frage des Sohnes: „Was meinst Du mit ,Aha, deshalb!'?” kommt die Antwort der alten Dame: „Nun, wenn es Wissenschaftler gewesen wären, dann hätten sie ihn – den Sozialismus – zuerst an Ratten ausprobiert.”

    16:31 Uhr, 06.08. 2015
  • Löwe30
    Löwe30

    In den USA gab es übrigens schon sehr früh ein sozialistisches Experiment. Robert Owen, im Bundesstaat Indiana, nannte sein frühsozialistische Experiment aus dem Jahr 1825 "New Harmony". Es scheiterte nach nur zwei Jahren. Ergebnis war: Die Arbeit wurde einfach nicht getan.

    "Sie hat die halbe Erde verwüstet. Ihre Farbe ist rot und steht symbolisch für Ozeane aus Blut. Von all ihren Zeichen ist das wahrhaftigste die Sichel: die Sichel des Todes für Hunderte von Millionen Menschen. Und doch wird ihre Macht systematisch unterschätzt: die Macht der sozialistischen Idee." (Roland Baader: Keride für den Wolf)

    "In der UDSSR verhungerten 1932-33 etwa sieben Millionen Menschen. Die Autoren von The Black Book of Communism (1999) schätzen, dass ca. 100 Millionen Tote dem Kommunismus oder sozialistischen Regimen zuzuschreiben sind. Das übertrifft die US-Toten des Zweiten Weltkriegs um das 200-Fache (wobei man durchaus auch diese Toten dem Sozialismus zuschreiben könnte). [...] Ich bin deshalb mehr als überrascht, im Jahre 2015 noch Aufrufe zum Sozialismus hören zu müssen." ( http://www.misesde.org/?p=10605 )

    Die USA sind auch ein gutes Beispiel dafür, wie sich ein zunächst sehr freiheitlich verfasster Staat in Richtung Sozialismus entwickelt hat, denn: Sozialismus ist immer und überall pseudomoralische Rechtfertigung zur Bevormundung des Lebens, Freibrief zur zynisch moralisierenden schrankenlosen Macht und niemals ein System oder eine Methode zur Machtbegrenzung. Genau diese Entwicklung ist ja in den USA heute sehr deutlich zu sehen.

    Der entscheidende Schritt dazu war die Gründung der FED. Mit dieser wurde der Blutkreislauf der Marktwirtschaft mit dem Virus der Planwirtschaft infiziert, der die Marktwirtschaft zerstört. Die FED regelt planwirtschaftlich Geldmenge und steuert zentralistisch die Zinsen. Da kann beim besten Willen nicht mehr von Marktwirtschaft geredet werden. Die Folgen des sozialistischen USD sind ja in den USA kaum noch zu übersehen: 45 Millionen Amerikaner sind von staatlichen Essensmarken abhängig. Wenige werden immer reicher, die Massen verarmen. Das Land wurde deindustrialisiert.

    16:17 Uhr, 06.08. 2015
    1 Antwort anzeigen

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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