Kommentar
10:00 Uhr, 05.08.2022

Sorgenvoll in die Sommerpause

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Es ist eine Entwicklung, bei der die Beobachter sich uneins sind, ob sie sich freuen oder ärgern sollen: Der Ölpreis ist unter jenes Niveau gefallen, welches vorherrschte, bevor Russland seine Angriffe in der Ukraine begann. Viel Spielraum für unterschiedliche Interpretationen dürften auch die heutigen amerikanischen Arbeitsmarktdaten bieten. Wenig Interpretations­spielraum hinterließ hingegen gestern die Bank of England. Die gleichzeitige Prognose zweistelliger Inflationsraten und einer mittelschweren Rezession dürfte es in dieser Form in der westlichen Welt lange nicht gegeben haben. Die Finanzmärkte zeigen sich angesichts der insgesamt wenig erbaulichen Nachrichtenlage weiterhin bemerkenswert robust.

Der Preis für ein Fass der Ölsorte Brent fiel gestern Abend bis auf 93,20 USD. Dies sind rund vier Dollar weniger, also unmittelbar vor dem 24. Februar gezahlt werden musste. In Euro gerechnet liegt der Preis aktuell jedoch noch etwa vier Euro höher, da die Gemeinschaftswährung gegenüber dem US Dollar seither rund zehn Prozent an Wert eingebüßt hat. Einerseits ist der Ölpreisrückgang eine erfreuliche Entwicklung, lässt dadurch doch ein entscheidender inflationstreibender Faktor nach. Anderseits stellt sich natürlich die Frage, warum der Ölpreis von seinen jüngsten Höchstständen bei 125 USD/Fass Mitte Juni so stark zurückgegangen ist – und hier scheinen die eingetrübten Konjunkturaussichten die wichtigste Rolle zu spielen.

Für Deutschland stellt sich ohnehin die Frage, ob nicht der disinflationäre Impuls eines fallenden Ölpreises von anderen Preisentwicklungen überkompensiert wird. In dem Zeitraum seit Mitte Juni, in dem der Ölpreis (in Euro) um gut 20 % gefallen ist, sind die Börsenpreise für Gas um rund 135 % und jene für Strom um etwa 85 % angestiegen. Ende dieses Monats laufen das 9-Euro-Ticket und der Tankrabatt aus. Und ab Oktober wird die Nebenkostenabrechnung um den Posten „Gas-Umlage“ erweitert, auf die sich die Bundesregierung gestern geeinigt hat. Zwischen 1,5 und 5 Cent pro Kilowattstunde soll diese betragen – plus Umsatzsteuer. Auf eine Familie könnten hierdurch Zusatzkosten von über tausend Euro pro Jahr zukommen.

Die offizielle Inflationsrate in Deutschland dürfte in den kommenden Monaten also auch trotz der fallenden Rohölpreise hoch bleiben. Immerhin aber sprechen wir hierzulande noch nicht von „Britischen Verhältnissen“. Die Bank of England gab gestern sehr ernüchternde Preis- und Konjunkturprojektionen bekannt. Demnach würde die Inflationsrate bis Ende dieses Jahres auf über 13 % ansteigen, über das gesamte nächste Jahr sehr hoch bleiben und erst im Verlauf von 2024 zurückkommen. Die britische Volkswirtschaft würde mit dem vierten Quartal in eine Schrumpfungsphase eintreten, die nicht weniger als fünf Quartale anhalten könnte, gefolgt von zwei Vierteljahren mit Nullwachstum. Wie stark der Fokus der BoE auf der Bekämpfung der mittelfristigen Inflationsgefahren gerichtet ist, zeigt die Tatsache, dass sie den Leitzins gleich um 50 Bp auf 1,75 % anhob – dies war die größte Zinsanhebung seit 1995 und die stärkste, seit die BoE im Jahr 1997 ihre Unabhängigkeit erlangt hat.

Aber es gibt auch positive Entwicklungen. Die jüngsten Konjunkturdaten aus den USA ließen die Befürchtung einer drohenden Rezession dort etwas abebben, und auch die heute früh veröffentlichten Daten zur Industrieproduktion in Deutschland lieferten mit einem Plus von 0,4 % ggü. Vm. Im Juni eine positive Überraschung. Heute Mittag wird in den USA der Arbeitsmarktbericht für Juli veröffentlicht. Wie schon in den vergangenen Monaten wird erhofft (und erwartet), dass das Datenpaket robust genug ist, um Rezessionsängste abzumildern, aber gleichzeitig auch schwach genug, um Inflationssorgen nicht weiter anzuheizen. Die Aktienmärkte zeigen sich derweil widerstandsfähig, im Rentenmarkt ist der zwischenzeitliche Renditeschub schon wieder ausgelaufen, und der EUR-USD wird wie magnetisch immer wieder von der Marke 1,02 angezogen.

Die Overnight Impressionen verabschieden sich nun in eine dreiwöchige Sommerpause. Zu den wichtigsten Ereignissen in dieser Zeit dürften die amerikanischen Verbraucherpreisdaten am Mittwoch nächster Woche und das Zentralbanksymposium in Jackson Hole vom 25.-27. August gehören. Das Spannungsfeld zwischen Inflationssorgen und Rezessionsängsten dürfte sich bis dahin wohl kaum aufgelöst haben. Ich wünsche dennoch allen Leserinnen und Lesern eine gute Zeit.

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Der Beitrag Sorgenvoll in die Sommerpause erschien zuerst auf onemarkets Blog (HypoVereinsbank - UniCredit Bank AG).

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