Analyse
14:05 Uhr, 09.05.2008

Solidarität in der Finanzpolitik - auch im Wahlkampfjahr 2009

Externe Quelle: Deutsche Bank Research
Autor: Frank Zipfel

Während zwischen den Ministerien und dem Finanzminister die Auseinandersetzungen über weitere Ausgabenwünsche immer neue Blüten treiben, zeichnet sich – zumindest vorübergehend – ein Ende des starken Anstiegs der öffentlichen Einnahmen ab. Mit ihrer Bereitschaft für mehr Ausgaben – die Planungen zum Haushalt 2009 bieten ein gutes Beispiel – droht die Bundesregierung daher ihr Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes bis zum Jahr 2011 aus den Augen zu verlieren. Denn trotz der sich in den vergangenen drei Jahren exzellent entwickelnden Staatseinnahmen, kommt der Bundeshaushalt nicht ohne Neuverschuldung (EUR 11 Mrd. in 2008) aus. Die langen Schatten des Bundestagswahlkampfes und auch diverser Landtagswahlkämpfe verdüstern zusehends die Ausgabendisziplin.

Dabei hat sich doch gezeigt, dass die gesamtstaatliche Verschuldung im letzten Jahr von 67,6 auf 65 % gesunken ist. Auch die gesamten Staatsausgaben in Relation zum Bruttoinlandsprodukt nahmen um 1,5%-Punkte auf 43,9 % ab. Eine Reduktion der Ausgaben ist also möglich. Der Bund befindet sich aber noch immer in einer Bringschuld. Denn die positive Entwicklung ist überwiegend auf die gute Konjunktur und die bessere Lage bei den Sozialversicherungen und den Ländern sowie nicht zuletzt den Steuererhöhungen (vor allem der Mehrwertsteuer) zurückzuführen. Bereits dieses Jahr aber dürften die Gesamtausgaben des Staates mit 2,4 % wieder wesentlich stärker wachsen als 2007 (+ 0,9 %). Und es ist abzusehen, dass es in 2009 zu weiteren Steigerungen kommen wird.

So summieren sich beim Bund allein die für dieses Jahr bereist beschlossenen Mehrausgaben auf rund EUR 7 Mrd. Hierzu gehören z.B. die verlängerte Zahlung von Arbeitslosengeld I oder auch die Aussetzung des Riester-Faktors bei der Rentenversicherung. Die meisten dieser Maßnahmen werden auch in den folgenden Jahren zu Mehrausgaben führen. Dabei lauern weitere Gefahren in der mittelfristigen Finanzplanung. Alleine die Mehrausgaben durch die bisher beschlossenen Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst betragen insgesamt rund EUR 2 Mrd. bis 2010. Für das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur vermehrten Abzugsfähigkeit von Beiträgen zur Krankenversicherung schwanken die geschätzten Mehrausgaben zwischen EUR 5 und 10 Mrd. jährlich. Hinzu kommen die Mehrforderungen der Ministerien (nächstes Jahr allein EUR 7 Mrd.), bis Ende 2010 stehen hier insgesamt sogar bis zu EUR 40 Mrd. im Raum.

Wer mit den bereits beschlossenen Ausgabenerhöhungen und noch weitergehenden Ausgabenwünschen in dieser Größenordnung hantiert, der darf auf der anderen Seite eine Steuerreform mit einem substanziellen Entlastungsvolumen nicht allein aus Haushaltsgründen ablehnen. Es stellt sich vielmehr die Frage der Priorität. Die plakative Formel „mehr Netto für Brutto“ – vor allem für Bezieher von Durchschnittseinkommen bzw. mittleren Einkommen – zeigt, wohin die Reise gehen sollte. Mit einer solchen Politik lässt sich nämlich zielgenauer und effizienter Wachstum und Beschäftigung fördern und damit vor allem etwas für Verteilungsgerechtigkeit tun, als dadurch, dass der Staat noch mehr von seinen Bürgen einnimmt und dann in Form von Wahlgeschenken mit Hilfe einer riesigen, kostenintensiven Umverteilungsmaschinerie wieder zurück verteilt.

Seit Antritt der jetzigen Regierung steigerte der Bund seine Steuereinnahmen von etwa EUR 190 Mrd. sukzessive auf EUR 230 Mrd. (bis Ende 2007). Das macht satte EUR 40 Mrd. Steuermehreinnahmen – oder 21 %. Zwar wurde in den drei Jahren die Nettokreditaufnahme des Bundes auf rund 14 Mrd. Euro mehr als halbiert. Mehr als die Hälfte der Mehreinnahmen ist aber schlicht und einfach ausgegeben worden. Ein ehrgeizigerer Abbau der Verschuldung wäre demnach durchaus möglich gewesen.

Für 2008 sieht der Haushaltsplan bislang rund EUR 283 Mrd. an Ausgaben vor, gegenüber dem Vorjahr ein Plus von immerhin rund EUR 13 Mrd. oder 4,7 %. Im Hinblick auf die folgenden Jahre dürfte das jedoch nur der Beginn einer neuen Ausgabenspirale sein. Gleichzeitig steigen die Steuereinnahmen jedoch nur um 3,6 %. Sie erreichen in diesem Jahr mit voraussichtlich EUR 238 Mrd. aber trotzdem einen neuen Höchststand. Bis 2012 sollen sie bei geltender Gesetzeslage gemäß der Steuerschätzung gar auf rund EUR 277 Mrd. (+ 16 %) ansteigen. Der Anstieg fällt damit zwar um einiges geringer aus als in den vergangenen Jahren, ist aber immer noch bedeutend – 50 % mehr Steuereinnahmen als 2005! Ob dieser Aussichten dürften so manchem Politiker die „Dollarzeichen“ in den Augen leuchten; der Abbau der Verschuldung zu Gunsten von Mehrausgaben tritt also weiter in den Hintergrund. Dabei sollte eines klar sein: Die bislang weiterhin anvisierte Reduktion der Neuverschuldung bis 2011 bedeutet nicht, dass auch der Schuldenberg abgebaut wird.

Wenn es schon nicht gelingen sollte, die Gesamtverschuldung weiter abzubauen, ist es sinnvoll, über eine Steuerreform oder auch eine weitere Senkung der Lohnnebenkosten den Bürgern ein Teil des Geldes zurückzugeben, bzw. es Ihnen erst gar nicht wegzunehmen (Steuermehreinnahmen bis 2012 EUR 91 Mrd.). Über Art und Umfang einer möglichen Reform der Einkommensteuer wäre sicher zu diskutieren, der Vorschlag der CSU weist aber durchaus in die richtige Richtung. Betrachtet man die Einkommensteuer, so sollte vor allem das Ausmaß der Progression im Bereich mittlerer Einkommen vermindert, d.h. der Tarif flacher werden. Weitaus stärker dürften sich in diesem Einkommensbereich jedoch Senkungen der Lohnnebenkosten bemerkbar machen. Hier ist jedoch Vorsicht geboten. Ohne entsprechende Kürzungen der Leistungen würde es über kurz oder lang nötig werden, die Finanzierung der jeweiligen Systeme der sozialen Sicherung über Steuermittel (durch Zuschüsse) und damit aus dem Bundeshaushalt sicherzustellen.

Ungeachtet der finanzpolitischen Details muss jedoch ernüchtert wieder festgestellt werden: Die jährlich vorgelegte mittelfristige Finanzplanung (diese basiert auf den Schätzergebnissen des Frühjahrs) ist meist bereits nach einem Jahr Makulatur. Die kurzfristige Haushaltsentwicklung dominiert die Entwicklung und damit die beiden wichtigsten Größen: Nettokreditaufnahme und Ausgaben. Eine längerfristige Haushaltsplanung mit Erfolgssteuerung ist leider weiter nicht in Sicht.

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Über den Experten

Alexander Paulus
Alexander Paulus
Technischer Analyst und Trader
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Alexander Paulus kam zunächst über Börsenspiele in der Schule mit der Börse in Kontakt. 1997 kaufte er sich seine erste Aktie. Nach einigen Glückstreffern schmolz aber in der Asienkrise 1998 der Depotbestand auf Null. Da ihm das nicht noch einmal passieren sollte, beschäftigte er sich mit der klassischen Charttechnik und veröffentlichte seine Analysen in verschiedenen Foren. Über eine Zwischenstation kam er im April 2004 zur stock3 AG (damals BörseGo AG) und veröffentlicht seitdem seine Analysen auf stock3.com (ehemals GodmodeTrader.de)

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