Sind Affen die besseren Trader?
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Kann man den Markt dauerhaft schlagen? Keine Frage spaltet Börsenpraktiker und Wirtschaftswissenschaftler so sehr wie diese, und zwar schon seit Jahrzehnten. Die wissenschaftliche Mehrheitsmeinung lässt sich dabei ungefähr so zusammenfassen: Es ist unmöglich, als Investor oder Trader dauerhaft besser als der Gesamtmarkt abzuschneiden, und zwar auf einer risikoadjustierten Basis und abgesehen vom Zufall. Das soll heißen: Es kann zwar Marktteilnehmer geben, die besser als der Gesamtmarkt abschneiden, obwohl sie kein besonders großes Risiko eingehen. Diese Marktteilnehmer verdanken ihren Erfolg aber nicht einem besonderen Können oder Wissen, sondern einfach dem Zufall. Da es viele Millionen von Menschen gibt, die an der Börse spekulieren, wird es auch Marktteilnehmer geben, die über Jahre oder Jahrzehnte besser abschneiden als der Gesamtmarkt. Aber sie haben im Wesentlichen einfach nur Glück.
Grundlage dieser wissenschaftlichen Mehrheitsmeinung ist die sogenannte Effizienzmarkthypothese. Dieser Theorie zufolge sind alle zu einem bestimmten Zeitpunkt verfügbaren Informationen bereits in den Kurs des jeweiligen Finanzinstruments eingepreist. Davon geht auch die technische Analyse aus. Anders als die technische Analyse glauben die Anhänger der Effizienzmarkthypothese aber nicht, dass sich durch die Auswertung von Charts eine Mehrrendite erwirtschaften lässt. Der Kurs eines Wertpapiers entspricht nach dieser Sichtweise immer dem „fairen Wert“, also der abgezinsten Summe aller zukünftig zu erwarteten Cashflows. Charts enthalten nur Informationen über die Vergangenheit. Entscheidend für Aktienkurse ist aber die zukünftige Entwicklung, und die kennt keiner. Wer also glaubt, aus Charts Rückschlüsse auf die künftige Kursentwicklung ziehen zu können, täuscht sich aus Sicht der Wissenschaft selbst. Er findet Muster, wo es nur zufällige Bewegungen gibt.
Dabei kann man sich leicht täuschen: Der Mensch neigt dazu, auch dort Muster zu erkennen, wo es gar keine bzw. nur zufällige Muster gibt. Das zeigt zum Beispiel die folgende Grafik: Ein Charttechniker würde hier wohl erst einen klaren Aufwärtstrend und dann einen klaren Abwärtstrend konstatieren. Man könnte mit einem Lineal sogar recht nette Trendlinien einzeichnen. Aber Pustekuchen: Es handelt sich um eine rein zufällige, mit Hilfe von Zufallszahlen aus dem Computer berechnete Kursentwicklung. Der Kurs errechnet sich dabei für jeden Zeitpunkt so: Man nehme den Kurs vom vorherigen Zeitpunkt und addiere oder subtrahiere eine Zufallszahl zwischen 0 und 0,5. Ob der Kurs steigt oder sinkt ist also rein zufällig und hat mit den vorherigen Bewegungen überhaupt nichts zu tun! Aber auch in einem rein zufällig erzeugten Chart gibt es genügend charttechnische Muster, um daraus eine Analyse zu erstellen – und sich damit selbst zu täuschen.
Viele Praktiker an der Börse glauben nicht, dass die Effizienzmarkthypothese zutrifft. Die Praxis zeigt zwar, dass es nur sehr wenigen Marktteilnehmern gelingt, den Markt dauerhaft zu schlagen und mindestens 90% der aktiven Anleger nach Gebühren und Steuern schlechter abschneiden als der Gesamtmarkt. Aber es lässt sich nicht leugnen, dass es einigen Marktteilnehmern gelingt, den Markt beständig und über Jahrzehnte hinweg zu schlagen. Diese Marktteilnehmer, so sagen die meisten Praktiker an der Börse, haben nicht einfach nur Glück, sondern sie haben eben auch Talent oder profitieren von besonders guten Informationen.
Die Behauptung der Wissenschaft, dass die Kursentwicklung von Wertpapieren nicht prognostizierbar ist und es deshalb unmöglich ist, beständig den Gesamtmarkt zu schlagen, hat Forscher und Medien zu unterhaltsamen Experimenten verleitet, in denen die Performance von Börsenprofis mit der Performance von Tieren wie Affen verglichen wurde. Die Tageszeitung Chicago Sun Times ließ mehrere Jahre lang ein Aktienportfolio von einem Affen managen. Der Affe hieß Adam Monk und saß jedes Jahr Anfang Januar mit einem Bleistift vor dem aufgeschlagenen „Wall Street Journal“. Die fünf Aktien, die der Affe ankreuzte oder umkringelte, wurden gekauft und für ein Jahr gehalten. Die meisten Jahre konnte Adam Monk den Dow Jones Index schlagen und außerdem weit besser abschneiden als hochbezahlte Portfoliomanager.
Ein wenig anders geartet ist ein neuer Versuch der Cass Business School an der City University in London. Forscher simulierten Affengehirne im Computer und ließen diese Affengehirne dann Aktienindizes aus jeweils 1.000 Einzelaktien zusammenstellen. Nicht einmal, sondern zehn Millionen Mal pro Jahr, für 43 Jahre. Anschließend wurde die Performance dieser Aktienindizes mit der Performance realer Indizes verglichen. Grundlage waren die US-Aktienkurse von 1968 bis 2011. Fast alle der zehn Millionen Affen-Indizes schnitten besser ab als real existierende, nach der Marktkapitalisierung gewichtete Indizes. Die meisten menschlichen Fondsmanager können (nach Gebühren) nicht einmal die Performance dieser Indizes erreichen.
Was ist der Grund für die überdurchschnittliche Performance der von den Affen zusammengestellten Indizes? Zum einen waren die von den simulierten Affengehirnen zusammengestellten Indizes stärker diversifiziert als real existierende Indizes. Zum anderen bestanden sie aber vor allem aus Nebenwerten und nicht aus Blue Chips. Das Ergebnis der Studie lässt sich also so zusammenfassen: Investoren, die auf kleinere und unbekanntere Aktien setzen, haben fast immer einen größeren Erfolg als Investoren, die in nach der Marktkapitalisierung gewichtete Standardindizes wie den DAX investieren. Die Outperformance von Nebenwerten im Vergleich zu Blue Chips lässt sich wissenschaftlich mit dem höheren Risiko erklären, dem Nebenwerte-Investments unterliegen. Dieses höhere Risiko schlägt sich in einer geringeren Bewertung und damit einer höheren Rendite nieder.
Seit der Finanzkrise ist das Image der Effizienzmarkthypothese auch unter Wissenschaftlern ein wenig angekratzt. Die Krise war für viele Praktiker der Beweis, dass sich viele Marktteilnehmer eben nicht rational verhalten und es deshalb auch zu Übertreibungen nach oben und nach unten kommt. Für Praktiker ist die Sache klar: Gier und Angst bestimmen die Börse mindestens genauso wie rationale Erwartungen bezüglich künftiger Unternehmensgewinne.
Eine neue empirische Untersuchung gibt den Anhängern der technischen Analyse und nicht den Anhängern der Effizienzmarkthypothese Recht. Demnach kann mit Methoden der technischen Analyse im Vergleich zu anderen Methoden eine Mehrrendite erwirtschaftet werden – allerdings nur eine klitzekleine. Im Rahmen der Studie wurden zahlreiche Fondsmanager danach befragt, ob sie bei ihren Entscheidungen die technische Analyse berücksichtigen und wie wichtig charttechnische Erwägungen für ihre Investitionsentscheidungen sind. Anschließend wurde die Performance der Fondsmanager in Bezug auf ihren Einsatz der technischen Analyse untersucht. Das Ergebnis: Fondsmanager, die die technische Analyse verwenden und als besonders wichtig einschätzen, schneiden tatsächlich überdurchschnittlich gut ab - besonders in fallenden Märkten. Allerdings: Der Unterschied ist wirklich nicht sehr groß. Fondmanager, die die Charttechnik als "sehr wichtig" für ihre Entscheidungen betrachteten, konnten von Januar 1993 bis März 2012 im Schnitt eine monatliche Rendite von 0,99% erwirtschaften. Fondsmanager, die die technische Analyse nicht einsetzten, kamen auf ein Plus von 0,95%.
Oliver Baron
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