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10:49 Uhr, 09.06.2022

Sieben Fragen zum EZB-Entscheid

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Wir befinden uns wieder einmal an einem Hochpunkt des sinuskurvenartigen Zentralbanksitzungszyklus. Acht Mal im Jahr kommt der Rat der Europäischen Zentralbank zusammen, um über die weitere geldpolitische Ausrichtung zu beraten, und fast jedes Mal wird den Ankündigungen und der anschließenden Pressekonferenz mit großer Spannung entgegengefiebert. Von der heutigen Sitzung der EZB wird erwartet, sie werde einen „Wendepunkt“ markieren. Viele Fragen wurden bereits im Vorfeld beantwortet, noch mehr Fragen warten jedoch noch auf eine Antwort. Die Anleger sind für einen relativ „hawkish“ klingenden Gesamteindruck positioniert, was den Verlautbarungen einzelner Ratsmitglieder in den vergangenen Wochen entspricht.

Noch sind die Leitzinsen in der Eurozone nicht angehoben worden. Noch befindet sich der maßgebliche Einlagesatz auf seinem historischen Tief von ‑0,50 %. Und auch heute Nachmittag wird sich an diesem Fakt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nichts geändert haben. Noch wird es sechs weitere Wochen dauern, bis die Europäische Zentralbank ihren ersten Zinsanhebungsschritt vollzogen haben wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass doch noch eine Entwicklung eintritt, welche die Notenbank von ihren Plänen Abstand nehmen lassen würde, nimmt mit jedem Tag ab.

Im Rahmen eines Blog Posts hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde Ende Mai einen möglichen Weg zum Einstieg in die geldpolitische Normalisierung abgesteckt, welcher wenige Tage später vom Chefökonomen der Notenbank, Philip Lane, als „Benchmark-Pfad“ unterzeichnet wurde. Demnach würde die EZB ihre (Netto-) Wertpapierkäufe spätestens Anfang Juli beenden, auf der Ratssitzung am 21. Juli das Niveau des Einlagesatzes erstmals anheben und „bis zum Ende des dritten Quartals“ die Welt negativer Leitzinsen verlassen haben. Zwischen dem 21. Juli und Ende des dritten Quartals ist für den 8. September noch eine weitere Ratssitzung der EZB terminiert.

Der Einstieg in den Ausstieg aus der ultra-expansiven Geldpolitik scheint damit recht klar abgesteckt zu sein, und es ist wohl angemessen, diesen „Benchmark-Pfad“ auch als Konsenserwartung unter den Beobachtern zu bezeichnen. Und doch bleiben noch viele Fragen offen. Antworten dürfte es heute wenige geben, aber möglicherweise wertvolle Hinweise. Erstens, wird die EZB den Leitzins in Schritten von 25 oder von 50 Basispunkten anheben? Der Markt ist für die Juli-Sitzung zwiegespalten, hat für den weiteren Verlauf des Jahres aber mindestens einen 50-Bp-Schritt eingepreist. Zweitens, wird die EZB – soweit es die Umstände erlauben – den Leitzins nach September bei jeder Ratssitzung anheben oder nur im vierteljährlichen Rhythmus? Der Markt tendiert klar zur ersteren Variante. Drittens, gibt es eine Zielmarke, ein „neutrales“ Leitzinsniveau, welches dem Geldpolitischen Rat als Orientierungspunkt dient, an welchem er das gesamte Ausmaß der Zinsanhebungen ausrichten wird? Viertens, wird der weitere geldpolitische Normalisierungsprozess mit irgendeiner Form von Forward Guidance verknüpft? Fünftens, wie stark werden die BIP-Wachstumsprojektionen reduziert und wie stark die Inflationsprognosen angehoben? Hier wird insbesondere darauf fokussiert werden, ob die längerfristige Inflationsprojektion für das Jahr 2024 von zuletzt 1,9 % auf 2,0 % oder sogar darüber hinaus angehoben werden wird. Sechstens, wird die EZB Anpassungen an ihrem TLTRO-Programm vornehmen? Und siebtens, welche Überlegungen führt der Rat hinsichtlich eines Instruments, mit welchem einer möglichen Fragmentierung der Zinsmärkte innerhalb des Währungsraums begegnet werden kann?

Am Ende der heutigen Pressekonferenz sollte sich an den Märkten eine Art Mehrheitsmeinung darüber herausbilden, ob der EZB ein eher flacher oder ein eher steiler Zinsanhebungspfad vorschwebt. Möglicherweise werden, wie es häufig der Fall ist, Agenturmeldungen über die Stimmungslage innerhalb des Geldpolitischen Rats die Marktmeinung schärfen. Aktuell tendieren die Anleger ausweislich der Geldmarktkurven zu einem eher steilen Leitzinspfad mit Anhebungen von 125 Bp in diesem und weiteren rund 100 Bp im nächsten Jahr. Dies lässt viel Spielraum zur unteren Seite, stellt andererseits aber bei Weitem nicht das maximal Vorstellbare dar. Große Kursschwankungen in allen Assetklassen und am Devisenmarkt sind für den Nachmittag nahezu garantiert. Und schon kurze Zeit später werden die Anleger auf die Sinuskurve der Fed überwechseln, wartet mit der FOMC-Sitzung nächste Woche und den Inflationszahlen morgen gleich die nächsten zwei Meilensteine auf uns…

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Der Beitrag Sieben Fragen zum EZB-Entscheid erschien zuerst auf onemarkets Blog (HypoVereinsbank - UniCredit Bank AG).

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