Kommentar
12:12 Uhr, 19.10.2009

Sie wissen worauf ich hinaus will!

Wenn man in einigen Jahren oder Jahrzehnten aus der ökonomischen Perspektive auf die Jahre 2009 und 2010 zurückblickt, wird man vor allem einen Aspekt herausgreifen: Den Zins.

Ich will hier bestimmt keine Debatte über den Sinn oder Unsinn, oder noch schlimmer: die Gerechtigkeit des Zinssystems führen. Allein die Frage ist interessant: Welcher Zins ist angemessen?

In einem völlig freien Markt bildet sich ein adäquater Zins auch völlig frei als Preis für die Überlassung von Kapital. Nun ist in unserem Wirtschafts-und Finanzsystem die „Erzeugung“ von Geld als Monopol den Zentralbanken überlassen; der Marktzins bildet sich zwar theoretisch aus Angebot und Nachfrage nach Geld, ist aber aufgrund des riesigen Einflusses der Notenbanken von ihnen maßgeblich beeinflusst. Dieser Einfluss hat sich im Verlauf der Finanzkrise erheblich verstärkt. So ergibt sich z.B. bei Staatsanleihen eine Rendite, die in keiner Weise das ihnen innewohnende Risiko widerspiegelt. Mit Risiko ist erst in zweiter Linie gemeint, dass die Staaten, (z.B. die BRD) nicht in der Lage seien, die Schulden auch wieder zurück zu zahlen. Das Risiko ist vielmehr, dass die nominale Rendite nicht einmal ausreicht, um die Geldentwertung auszugleichen. Die Umlaufrendite beträgt derzeit ca. 3,1%. Da der Staat für die von ihm entrichteten Zinsen dann wiederum Steuern einbehält, beträgt die Nachsteuerrendite also ca. 2,25%. Wenn Sie also heute in Staatsanleihen investieren, dann müssen Sie für die Inflation eine Erwartung von geringer als 2,25% p.a. haben, damit Sie bereinigt wenigstens keinen Verlust erzielen.

Sie wissen worauf ich hinaus will: genauso gut können Sie glauben, dass Bill Clinton nicht inhaliert hat, Osama Bin Laden von afghanischen Höhlen aus Türme einstürzen lässt oder Wahlversprechen eingehalten werden.

Das aus dieser Perspektive zu niedrige Zinsniveau ist, so kann man es wohl ohne weiteres sagen, politisch gewünscht. Die Wirtschaft ist noch zu fragil, der Banksektor muss neu aufgepäppelt werden. Da die Banken die niedrigen Leit-Zinsen, die ja nur sie selbst für sich in Anspruch nehmen können, letztlich in äußerst unbefriedigendem Maße an den Rest des Wirtschaftslebens weitergeben, muss man die Zinspolitik als das bezeichnen was sie ist: Eine dauerhafte Subvention an die Bankwirtschaft.

In dem Maße, wie die Inflationserwartungen massiver ins Bewusstsein zurückkehren, werden die Renditen wieder steigen. „Normale“ Marktteilnehmer werden sich von Anleihen verabschieden, und dieser Effekt kann nicht voll kompensiert werden indem die Noten- und Geschäftsbanken selber weiter zukaufen, ohne die Geldmenge ist astronomische Höhen zu katapultieren. Dies ist den leitenden Köpfen von der Fed bis zur EZB natürlich bewusst. Es ist daher anzunehmen, dass bei Stabilisierung der Wirtschaft bzw. Wiederaufnahme des Wachstumspfades die Zinszügel erheblich angezogen werden. Insbesondere dann, wenn die Inflation spürbar anzieht, was sie derzeit ja nach offizieller Statistik noch nicht tut. Wer dann Schulden hat (zu niedrigen Zinsen) und Sachwerte dagegen auf der Aktiv-Seite, hat richtig gehandelt. Es gab wohl nie einen besseren Zeitpunkt, an die eigenen vier Wände zu denken. Preise UND Zinsen am Boden, kombiniert mit hohn Inflationserwartungen, die aber noch nicht eingepreist werden. Wann gab es das schon, und wird es das überhaupt nochmal geben?

Daniel Kühn - BörseGo AG

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Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der vielseitig interessierte Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3. Besondere Interessenschwerpunkte des überzeugten Liberalen sind politische und ökonomische Fragen und Zusammenhänge, Geldpolitik, Aktien, Hebelprodukte, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie generell neuere technologische Entwicklungen.

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