Kommentar
15:10 Uhr, 02.08.2023

Selbst der Anleihemarkt glaubt nicht mehr an eine Rezession

Von einer Rezession will plötzlich niemand mehr etwas wissen. Selbst der Anleihemarkt knickt ein. Irren die Marktteilnehmer?

An der Zinskurve erkennt man nicht, dass der Anleihemarkt keine Rezession mehr sieht. Die Zinskurve ist immer noch invertiert, auch wenn sich der negative Spread von -1,1 auf -0,9 % verbessert hat. Viele halten aufgrund des negativen Spreads daran fest, dass der Anleihemarkt immer noch eine Rezession vorhersagt.

Verübeln kann man diese Interpretation nicht. Es ist ja auch nicht so, dass alles und überall gut läuft. Die Firmeninsolvenzen steigen. Im Normalfall steigen die Insolvenzen, wenn auch die Arbeitslosenrate steigt (Grafik 1). Die Arbeitslosenrate ist ein Indikator dafür, wie gut es der Wirtschaft geht. Je tiefer die Arbeitslosenrate, desto mehr Einkommen kann für den Konsum ausgegeben werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Firmen ausreichend Geld verdienen, um eine Insolvenz zu vermeiden, steigt.

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Derzeit ist das nicht der Fall. Trotz tiefer Arbeitslosigkeit steigen die Insolvenzen. Das sieht eigentlich nach einer Rezession aus, wäre da nicht der Anleihemarkt. Die Rendite für Hochzinsanleihen stabilisierte sich mehrere Monate auf erhöhtem Niveau und kommt nun langsam zurück. Gleichzeitig steigt die Rendite für Staatsanleihen moderat an (Grafik 2).

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Die Zinsdifferenz der beiden, der Spread, ist das, was Anleger interessieren sollte. Steigt der Spread, suchen Anleger Sicherheit in Staatsanleihen und befürchten höhere Ausfallraten bei Unternehmen. Der Spread tendiert derzeit nach unten. Das ist alles andere als ein Rezessionssignal. Das Wirtschaftswachstum folgt dem Spread tendenziell (Grafik 4).

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Bleibt der Trend bestehen, sollte sich das Wachstum in den USA weiter beschleunigen, nachdem es bereits im zweiten Quartal höher war als im ersten. Ob es gleich zu einer Beschleunigung kommt, bleibt abzuwarten. Derzeit läuft der wöchentliche Wachstumsindex der Notenbank seitwärts. Eine Fortsetzung des Wachstums im zweiten Quartal ist wahrscheinlich.

Das beantwortet alles nicht die Frage, wieso die Firmeninsolvenzen überhaupt steigen. Wenn die Wirtschaft wächst und die Spreads sogar sinken, wie kann es da sein, dass die Insolvenzen steigen und dies ignoriert wird?

Die steigenden Insolvenzen dürften wenig mit dem aktuellen und erwarteten Wachstum zu tun haben. Vielmehr ist es ein Überhang aus der Pandemie. Viele Unternehmen nahmen hohe Schulden auf, um die Lockdowns zu überbrücken. Ein Teil der Schulden muss nun getilgt werden. Das gelingt nicht jedem Unternehmen. Überraschen sollte das niemanden. Einige Firmen mussten so hohe Schulden aufnehmen, dass bereits vor zwei Jahren ein Bankrott absehbar war. Jetzt, da die staatlichen Unterstützungsmaßnehmen endgültig ausgelaufen sind, kommt die Bankrottwelle, die es 2020 und 2021 nicht gab. Die Rendite von Hochzinsanleihen lässt immerhin vermuten, dass das Schlimmste bereits hinter uns liegt.

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Über den Experten

Clemens Schmale
Clemens Schmale
Finanzmarktanalyst

Clemens Schmale hat seinen persönlichen Handelsstil seit den 1990er Jahren an der Börse entwickelt.

Dieser gründet auf zwei Säulen: ein anderer Analyseansatz und andere Basiswerte. Mit anders ist vor allem die Kombination aus Global Makro, fundamentaler Analyse und Chartanalyse sowie Zukunftstrends gemeint. Während Fundamentaldaten und Makrotrends bestimmen, was konkret gehandelt wird, verlässt sich Schmale beim Timing auf die Chartanalyse. Er handelt alle Anlageklassen, wobei er sich größtenteils auf Werte konzentriert, die nicht „Mainstream“ sind. Diese Märkte sind weniger effizient als andere und ermöglichen so hohes Renditepotenzial. Sie sind damit allerdings auch spekulativer als hochliquide Märkte. Die Haltedauer einzelner Positionen variiert nach Anlageklasse, beträgt jedoch meist mehrere Tage, oft auch Wochen oder Monate.

Rohstoffe, Währungen und Volatilität handelt er aktiv, in Aktien und Anleihen investiert er eher langfristig. Die Basiswerte werden direkt – auch über Futures – oder über CFDs gehandelt, in Ausnahmefällen über Optionen und Zertifikate.

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