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08:24 Uhr, 14.04.2008

Scoach (Frankfurt) - Kreislauf des Pessimismus

Kreislauf des Pessimismus

Der letzte Handelstag an der Wall Street und auch der Wochenbeginn steht ganz im Schatten von General Electric. Der Mischkonzern hatte im Rahmen seiner Quartalszahlen sowohl die Gewinn- als auch die Umsatzerwartungen deutlich verfehlt und zugleich seinen Ausblick auf das Gesamtjahr gekappt. Das Konglomerat (Kraftwerke, Plastik, Universal-Hollywood-Studios, Flugzeugtriebwerke, Kreditkarten und vieles mehr) meldete zwar eine starke Nachfrage der Industrie, die Finanzgeschäfte des weit verzweigten Konzerns litten aber unter der Krise der Kreditmärkte, hiess es. Daher könnten Forderungen nur schwer verkauft und nur zu gedrückten Preisen verkauft werden. Die Situation hätte sich im März mit dem Zusammenbruch von Bear Sterns merklich verschlechtert. Da der Industriegoliath zu den Flaggschiffen des US-Leitindex Dow Jones gehört und - nach Alcoa - bereits als zweiter US-Riese bei den Q1-Zahlen enttäuschte, verhagelte das die ohnehin schon angeschlagene Stimmung.

Interessen im Wahlkampf

Die ausgeprägte Schwäche der Wall Street, lässt sich aber auch damit erklären, dass in den USA Wahlkampf herrscht. Dazu gehört auch, dass den Wählern eingeredet wird, die wirtschaftliche Lage sei extrem schlecht, weil sich dadurch die Chancen der herausfordernden Demokratischen Partei verbessern. Obwohl die Arbeitslosenrate derzeit mit 5,1% unter dem Niveau von März 1996 (damals 5,5%) liegt, wird jetzt von einer Rezession gesprochen. Im Frühjahr 1996 bereitete sich allerdings der damals amtierende Präsident Bill Clinton auf seine erfolgreiche Wiederwahl vor und verkündete „unsere Wirtschaft ist die gesündeste seit 3 Jahrzehnten“. Obwohl die Lage heute am Arbeitsmarkt besser ist als damals, wird sie - aus politischen Gründen - schlechter dargestellt. Bereits jetzt schon wird die Rezession ausgerufen, obwohl dazu mindestens zwei Quartale mit schrumpfender Wirtschaft gehören.

Die derzeitige massive Negativ-Berichterstattung in den Medien führt zu dem gewünschten Erfolg: Der heute gemeldete Konsumklimaindex der Uni Michigan fiel im April auf 63,2 (März: 69,5). Damit wurde laut Bloomberg das niedrigste Niveau seit 26 Jahren erreicht - obwohl der Arbeitsmarkt - wie auch die gestrigen Jobdaten zeigen - weit von einer Rezession entfernt ist. Diese Meldung drückt zusätzlich auf die Aktienkurse, die fallenden Kurse wiederum verschlechtern die Stimmung - ein Kreislauf des Pessimismus, der einigen Kandidaten im US-Wahlkampf sehr entgegenkommt.

Die Konsequenz: Die Barometer rutschten während der gesamten Börsensitzung und schlossen wieder mal nahe den Tagestiefs. Der Dow Jones Industrial Average verlor 2,04% auf 12.325 Punkte, der S&P 500 sank 2,04% auf 1.322 Punkte und der technologielastige Nasdaq Composite Index rutschte 2,61% auf 2.290 Punkte.

DAX verliert weiter an Boden

Der DAX wird zum Wochenbeginn vorbörslich von führenden Banken bei 6,545 Zählern taxiert. Das sind 58 Punkte weniger als zum Schlussstand am Freitag, als der Index um 1,5% auf 6,603 Zähler fiel.

Energie: US-Konjunkturschwäche wird weiter ignoriert

Konjunkturprobleme hin, angeschlagene Kreditmärkte her, der Ölpreis klebt an seinen Rekordständen. Wie bereits am Mittwoch gemeldet war die US-Ölnachfrage in den vergangenen 4 Wochen gegenüber dem Vorjahr um 0,4% gesunken, der Verbrauch sogar um 2,2%. Das wird ignoriert. Stattdessen orientiert sich der Markt an dem gleichzeitig gemeldeten Rückgang der Crude-Bestände um 3,1 Millionen Fass. Der Crude-Kontrakt für Mai verteuerte sich am Freitag um 3 Cents auf 110,14 Dollar je Barrel, das sind 77% mehr als vor einem Jahr. Am heutigen Morgen notiert der Fasspreis bei 109,96 Dollar.

Gold: Der Appetit ist zurückgegangen

Normalerweise bewegt sich das Gold spiegelbildlich zum Dollar. Heute konnte das Edelmetall aber nicht von der Schwäche des Greenback profitieren. „Ich sehe keinen Grund in Gold investiert zu sein“, kommentiert Ron Goodis, Direktor für Future-Handel bei der Equidex Brokerage Group Inc. in Closter, New Jersey. „Es mangelt an dem Risiko-Appetit für Gold“. Der Juni-Kontrakt für Gold fiel an der New York Mercantile Exchange am Freitag um 4,80 Dollar auf 927,00 Dollar je Unze. Heute Morgen kostet die Feinunze 918 Dollar.

Ausblick Termine Deutschland / Europa

11:00
EWU: Industrieproduktion Februar (Konsens Bloomberg: +0,2% mom - zuletzt: +0,9% mom)

14:30
US: Einzelhandelsumsatz ex Autors (Konsens Bloomberg: +0,2% mom - zuletzt: -0,2% mom)

14:30
US: Einzelhandelsumsatz März (Konsens Bloomberg: +0,1% mom - zuletzt: -0,6% mom)

16:00
US: Lagerbestände Februar (Konsens Bloomberg: +0,5% - zuletzt: +0,8%)

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Über den Experten

Jochen Stanzl
Jochen Stanzl
Chefmarktanalyst CMC Markets

Jochen Stanzl begann seine Karriere in der Finanzdienstleistungsbranche als Mitbegründer der BörseGo AG (jetzt stock3 AG), wo er 18 Jahre lang mit den Marken GodmodeTrader sowie Guidants arbeitete und Marktkommentare und Finanzanalysen erstellte.

Er kam im Jahr 2015 nach Frankfurt zu CMC Markets Deutschland, um seine langjährige Erfahrung einzubringen, mit deren Hilfe er die Finanzmärkte analysiert und aufschlussreiche Stellungnahmen für Medien wie auch für Kunden verfasst. Er ist zu Gast bei TV-Sendern wie Welt, Tagesschau oder n-tv, wird zitiert von Reuters, Handelsblatt oder DPA und sendet seine Einschätzungen über Livestreams auf CMC TV.

Jochen Stanzl verfolgt einen kombinierten Ansatz, der technische und fundamentale Analysen einbezieht. Dabei steht das 123-Muster, Kerzencharts und das Preisverhalten an wichtigen, neuralgischen Punkten im Vordergrund. Jochen Stanzl ist Certified Financial Technician” (CFTe) beim Internationalen Verband der technischen Analysten IFTA.

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