Kommentar
11:30 Uhr, 26.06.2003

Schroders Marktkommentar

Die Woche besserer Daten aus den USA (siehe Diskussion weiter unten) spiegelte sich nicht in der Eurozone und Grossbritannien wieder. In Grossbritannien sanken überraschend die Einzelhandelsverkaufszahlen im Mai (-0,1% Monat/Monat), wodurch die 3 Monats/Jahres-Rate auf 3,4% rutschte, und damit die niedrigste Trendrate der letzten 4 Jahre darstellt. Obwohl im Unternehmenssektor Anzeichen einer Stabilisierung auszumachen sind und im öffentlichen Sektor eine anhaltende Stärke zu erkennen ist, dürfte die Milde der Verbraucher den Vertretern einer gelockerten Politik im Geldpolitischen Ausschuss, die letzten Monat 6 zu 3 überstimmt wurden, wieder eine überlegene Position einräumen. Wir rechnen mit einer weiteren Senkung um 25 Basispunkte in August. Währenddessen ermuntert die Beobachter der EZB in Europa der Freispruch von Jean-Claude Trichet von jeglicher Verantwortlichkeit für den Zusammenbruch von Credit Lyonnais Anfang der 90er Jahre. Da nicht mit einem Berufungsverfahren gerechnet wird, stehen ihm nun die Türen offen, gegen Ende des Jahres die Position von Wim Duisenberg zu übernehmen. Während dies zum jetzigen Zeitpunkt kaum Auswirkungen auf das aktuelle Politikgeschehen oder auf die EZB-Reformen haben sollte, dürften seine ausgereiften Kommunikationsfähigkeiten bedeuten, dass das am meisten im Dunkeln Gehaltene der EZB nun einfacher zu interpretieren sein dürfte.

Konzentration auf die Fed

Diese Woche richtete sich die Aufmerksamkeit auf die US Federal Reserve, da Dienstag das FOMC seine Entscheidung hinsichtlich der Zinsen bekanntgab. Der Markt ging von einem Rückgang von mindestens 25 Basispunkten aus, wobei zahlreiche Märkte mit noch stärkeren Zinssenkungen rechneten. Eine solche Zinsbewegung würde mit jüngsten Kommentaren von Alan Greespan übereinstimmen, in denen er von der Notwendigkeit sprach, einen Schutzwall gegen die Deflation aufzubauen. Die Märkte haben dies selbstverständlich als eine Ankündigung einer langen Periode niedriger Zinsen interpretiert, ebenso wie die Aussage vom letzen FOMC-Treffen. Vor diesem Hintergrund waren die jüngsten Wirtschaftsdaten ein wenig stabiler. Der Markt freute sich an dem Verbraucherpreisindex (CPI), der letzten Monat eine Inflationskernrate verzeichnete, die überraschend auf 1,6% anstieg. Zum ersten Mal seit Januar stieg auch die Industrieproduktion, und der Empire State Manufacturing Survey' für Juni kräftig an. Letzterer wird als guter Frühindikator für den nationalen ISM-Index gewertet (geplante Veröffentlichung: 1. Juli).

Unser Index für Wachstum und Inflationsdruck, der GrIP, stieg seit dem letzten FOMC-Treffen ebenfalls an. Dies liegt im wesentlichen an einer Reihe von wirtschaftlichen und marktbezogenen Variablen und ermöglicht uns,einen Eindruck zu gewinnen, ob ein Inflations- oder ein Deflationsdruck die Oberhand in der Wirtschaft gewinnt. Dies könnte man auch als gute Nachricht bezeichnen. Allerdings wurde der Aufschwung eher von Finanz- als von realen Variablen angeführt. Der größte Beitrag kam vom nachgebenden Dollar und vom Anstieg der Aktienmärkte in den letzten drei Monaten. Generell betrachtet befindet sich der Index noch immer im deflationären Bereich, zum Teil als Folge der Konjunkturschwäche zu Beginn des Jahres. Die schwächsten Bereiche sind der Arbeitsmarkt und das Verbrauchervertrauen, sowie der CPI selbst - trotz der positiven Zahlen letzter Woche. Wie aus den Graphiken ersichtlich ist, besteht zwischen diesem Index und den Veränderungen der US-Zinsen eine hohe Korrelation. Er deutet auf eine wesentliche Lockerung der Politik um ungefähr 75 Basipunkte hin. Niemand rechnet mit einem solch drastischen Anstieg. Es würde das Geldmittel-Ziel der Fed auf 0,5% herunterdrücken und den Entscheidungsträgern dadurch wenig Spielraum für die Zukunft lassen. Es könnte sich sogar kontraproduktiv auswirken, da so ein unliebsamer Vergleich zu den Zinsen in Japan entstehen würde. Generell läßt sich sagen, dass sich die Fed im wesentlichen auf den Anleihemarkt konzentriert. Langfristige Zinsen haben einen stärkeren Einfluß auf die amerikanischen Wirtschaft als kurzfristige Zinsen, und der Ansatz der Fed besteht darin, erstere durch Kommentare zum richtigen Zeitpunkt und Reden zu beeinflussen, bevor sie eine Zinsentscheidung durch eine tatsächliche Änderung in den Geldmitteln der Fed bestätigen. Da sich die kurzfristigen Zinsen gegenwärtig auf einem niedrigen Niveau befinden, ist die amerikanische Zentralbank immer stärker davon abhängig, dass die Märkte die Arbeit für sie übernehmen. Die 10-Jahres-Anleihe-Renditen sind seit dem letzten FOMC-Treffen um mehr als 50 Basispunkte gesunken, eine Tendenz, die zusammen mit Entwicklungen in den Aktien- und Devisenmärkten der Zentralbank entgegengekommen sein muss (siehe Graphik 2). Zusammen tragen sie zu einer entscheidenden Lockerung der Bedingungen auf dem Finanzmarkt bei. Für das Treffen diese Woche steht eine Zinssenkung auf der Tagesordnung, sowie die Verkündung einer Bemerkung, die den Großteil dieser Marktentwicklungen erhalten wird.

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