Kommentar
13:49 Uhr, 18.12.2003

Schroders - Bewertung des Marktes

Die US-Notenbank Federal Reserve tagte und ließ die Zinsen unverändert. Entgegen den allgemeinen Erwartungen enthielt die dabei abgegebene Stellungnahme erneut die Formulierung "die lockere Geldpolitik kann für eine beträchtliche Zeit beibehalten werden". Wie viele andere hatte auch Schroders erwartet, dass diese Formulierung nicht mehr erscheinen würde, da die Fed offensichtlich durch sie gedrängt wird, sich in Bezug auf den Zeitpunkt einer Verschärfung der Geldpolitik zu äußern. Die wesentlichste Veränderung bestand darin, dass die Fed nun das Inflationsrisiko als ausgewogen bewertet und sich etwas optimistischer zur künftigen Konjunkturentwicklung äußerte. Nun stehen wieder die Konjunkturdaten im Vordergrund. Die nächste FOMC-Tagung der Fed findet am 28. Januar statt. Schroders geht weiterhin davon aus, dass die erste Erhöhung der Fed Funds Rate (US-Tagesgeldsatz) im nächsten Mai erfolgen wird.

In Japan lagen die Ergebnisse der viel beachteten Tankan-Umfrage über den Erwartungen; die großen Hersteller verzeichneten die höchsten Werte seit 1997. Selbst wenn die Daten für kleinere Produzenten und den Dienstleistungssektor weniger gut ausfielen, lassen sie dennoch erkennen, dass die Konjunktur in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt weiter in Schwung kommt.

In Europa veröffentlichte die EZB ihre Halbjahresprognosen für Wachstum und Inflation. Ihre Wachstumsprognose für 2004 blieb unverändert bei 1,6% (auf Jahresbasis), aber sie revidierte ihre Inflationsprognose für 2004 nach oben auf 1,8% (auf Jahresbasis, vor 6 Monaten noch 1,3%). Allerdings beruhen diese Annahmen auf einem Eurokurs von USD 1,17. Da inzwischen USD 1,22 überschritten wurden und der Euro weiter aufzuwerten scheint, dürfte die Zentralbank eingreifen. Schließlich gab der britische Schatzkanzler Brown bei der Veröffentlichung seines vorläufigen Haushaltsberichts bekannt, dass die staatliche Neuverschuldung in Großbritannien zunehmen werde. Weitere Details hierzu finden Sie in der beigefügten Publikation.

Die Erholung der britischen Aktien: steigen die Pensionsfonds aus?

Zusammenfassung:

- Der britische Aktienmarkt erlebt gerade sein bestes Jahr seit 1999, schneidet jedoch schlechter ab als der globale Index. Die aktuellen Zahlen ergeben, dass Pensionsfonds Aktien verkauft haben. Die Befürchtungen nehmen zu, dass diese institutionellen Anleger nun - nach drei schrecklichen Jahren - aus dem Markt aussteigen.

- In dieser Publikation werden Pensionsfonds im Kontext des allgemeinen Aktienmarkts betrachtet und die Faktoren erwogen, die sie zu einem Wechsel in Anleihen bewegen würden.

- Die wichtigsten Schlussfolgerungen sind:

1. Der Verkauf von britischen Aktien durch Pensionsfonds scheint den Markt zu belasten, vor allem, da die Nachfrage aus anderen Quellen - Unternehmensaktivitäten (Fusionen und Übernahmen) oder Versicherungsgesellschaften - verhalten bleibt.

2. Allerdings ist jetzt wegen der geringen Renditen für britische Staatsanleihen (Gilts) ein ziemlich ungünstiger Zeitpunkt für die Abkehr von Aktien; und

3. solange die Pensionsfonds nicht bereit sind, ihre Beitragssätze signifikant zu erhöhen, müssten die Renditen von indexgebundenen Gilts wesentlich höher sein, um eine Abkehr von den Aktien auszulösen.

Werden die Pensionsfonds aussteigen?

Der britische Aktienmarkt erzielt in diesem Jahr einen Ertrag von 16% und somit seine beste Wertentwicklung seit 1999; sie liegt weit über den Erträgen von Gilts, die unverändert tendieren. Bevor zuviel Freude aufkommt, sollte beachtet werden, dass diese Wertentwicklung in einem globalen Kontext ziemlich mittelmäßig aussieht. Gegenüber dem globalen Aktienindex schnitt Großbritannien um etwa 2 Prozentpunkte schlechter ab. Die besten Märkte waren Europa ex UK und Asien. Die gängige Erklärung hierfür ist, dass Großbritannien ein defensiver Markt ist, der kaum die Art von Aktien aufweist, nach denen Fondsmanager suchen, wenn sie auf einen globalen Aufschwung setzen.

Dies ist sicherlich zutreffend, aber es gibt noch ein Problem. Es bestehen Befürchtungen, dass bei einer Erholung des britischen Marktes die Pensionsfonds versuchen werden, ihre Aktien aktiv zu verkaufen und in Anleihen zu wechseln. Die Zahlen der WM-Group bestätigen dies: die Verkäufe der Fonds betrugen im dritten Quartal GBP 2,7 Mrd. und brancheninterne Quellen gehen davon aus, dass sich die Entwicklung im laufenden Quartal fortsetzt. In dieser Entwicklung wird es auch ein ausgleichendes Element geben (d.h. Ausrichtung der derzeitigen Positionen auf das Ziel), aber der Verkaufsdruck kommt von traditionellen Faktoren, z.B. aus den Bestrebungen zur Diversifikation und der zunehmenden Laufzeit der Fonds. Zudem wird die Rolle von Aktien in einem Pensionsfonds neu bewertet.

Die Defizite der Pensionsfonds führen zu neuem Denken

Viele Pensionsfonds sehen sich mit einer beträchtlichen Lücke zwischen Aktiva und Passiva konfrontiert. Früher in diesem Jahr schätzte HSBC das Defizit der Pensionsfonds von Unternehmen, die im FTSE 350 vertreten sind, auf GBP 91 Mrd. Seitdem trugen die Rally an den Aktienmärkten und der Anstieg der Anleiherenditen zur Verminderung dieser Zahl bei, aber die Treuhänder der Pensionsfonds scheuen weiterhin vor Aktien zurück und die Defizite dominieren noch immer die Agenda der Unternehmen. In dem Maße, wie die Aktien zulegen und sich die Finanzlage bessert, besteht auch die Versuchung, durch einen Wechsel in Anleihen die bisherige Wertentwicklung zu sichern. Manche vermuten, dass die Erholung des britischen Marktes begrenzt wird, wenn die Pensionsfonds ihre Aktien auf den Markt werfen.

In dieser Publikation werden Pensionsfonds durch Vergleich ihrer Größenordung mit der anderer Anleger in den Kontext des gesamten Aktienmarkts gestellt. Außerdem werden Faktoren untersucht, die einen Fonds veranlassen, aus Aktien aus- und in Anleihen einzusteigen.

Angebot und Nachfrage: Pensionsfonds sind nicht die Einzigen im britischen Markt

In jedem Markt dürfte ein großer Verkäufer die Preise unter Druck setzen. Allerdings wird häufig vergessen, dass die Pensionsfonds bereits seit einiger Zeit ihr Engagement in britischen Aktien abbauen und nicht mehr der größte Marktteilnehmer in Großbritannien sind. Laut den Zahlen des National Statistics Office betrug das Volumen der von Pensionsfonds gehaltenen britischen Aktien Ende letzten Jahres GBP 180 Mrd.: dies entspricht einem Anteil von fast 16% an der gesamten Marktkapitalisierung. Das Volumen der Versicherungsunternehmen lag bei GBP 230 Mrd., aber das mit GBP 370 Mrd. bzw. einem Anteil von etwa 32% größte Marktsegment stellten die ausländischen Anleger dar.

Dies spiegelt eine bedeutende Verschiebung bei den Aktienbeteiligungen in den letzten zehn Jahren wider. Noch 1993 lag der Marktanteil der Pensionsfonds in Großbritannien bei etwa 30%. Sie waren der größte Marktteilnehmer, die ausländischen Anleger kamen nur auf 16%. Heute sind die Rollen vertauscht; die Pensionsfonds haben in der Tat ihre Beteiligungen an ausländische Anleger verkauft.

Der gestiegene Aktienanteil der ausländischen Anleger spiegelt die Auswirkungen internationaler Fusionen wider, sowie die Börsengänge von britischen Tochtergesellschaften, an denen die ausländische Konzernmutter einen signifikanten Anteil behält, und ausländische Unternehmen, die ihren Sitz nach Großbritannien verlegen. Die Versicherungsgesellschaften sind eine weitere Gruppe, die ihre Beteiligungen erhöht hat. Privatanleger haben ihre direkten Aktienbeteiligungen abgebaut (ein Trend, der seit vielen Jahren anhält), aber ihre indirekten Beteiligungen durch Investmentfonds erhöht.

Natürlich muss jede Analyse der Auswirkungen von Aktienverkäufen durch Pensionsfonds auch die übrigen Marktteilnehmer berücksichtigen, z.B. ausländische Anleger, Versicherungsgesellschaften und Investmentfonds. Die Nachfrage nach Aktien kann auch aus dem Bereich Wagniskapital und von sonstigen Anlegern kommen, die Unternehmen in Personengesellschaften umwandeln, wie kürzlich geschehen. Dank der Präsenz dieser sonstigen Anleger dürften die Aktienwerte im Vergleich zu anderen Anlagen oder Aktienmärkten im Ausland nicht übermäßig unter Druck geraten. Bei alledem würden sich Verkäufe durch Pensionsfonds schwächer auswirken, wenn sie im Umfeld von zunehmenden Fusions- und Übernahmeaktivitäten stattfinden würden. Dieser bedeutendste Mechanismus für die Übertragung des Eigentums an britischen Aktien bleibt schwach. Auch die gegenwärtige Nachfrageschwäche der Versicherungsgesellschaften wirkt sich negativ auf den Markt aus.

Die Kehrseite der Medaille sind die Folgen, die ein Wechsel der Anlagen von Pensionsfonds auf die Anleihekurse hätte. Die Wirkung könnte erheblich sein. Sollten Pensionsfonds 20% ihrer britischen Aktienbeteiligungen verkaufen, wäre dies ein Volumen von GBP 36 Mrd. Dies entspricht etwa 12% des Marktes für britische Staatsanleihen und fast der Hälfte des indexgebundenen Marktes. Zudem wird ein geringeres Volumen aktiv gehandelt, da ein großer Teil bei institutionellen Anlegern, vor allem bei Versicherungsgesellschaften, eingelagert ist, um künftige Verpflichtungen abzudecken. Die Emission von Staatstiteln nimmt schnell zu - dies stellte der vorläufige Haushaltsbericht klar - aber es sind zu wenig geeignete Anlagen vorhanden, die in die Pensionsfonds wechseln könnten.

Einflüsse auf die Verkaufsentscheidung: Gibt es ein Indexniveau, auf dem Fonds aussteigen werden? Welche Faktoren beeinflussen die Entscheidung, aus Aktien auszusteigen? Jeder Fonds entscheidet selbstständig auf Grundlage seiner eigenen Umstände und der Risikobereitschaft der Treuhänder und seines Sponsors. Allerdings wird die Entscheidung sowohl vom Niveau des Aktienmarkts, aber auch von den mit Gilts - vor allem indexgebundenen Gilts - zu diesem Zeitpunkt erzielbaren Erträgen abhängen.

Aktiva und Passiva

Bei einem Top-down-Ansatz stellt sich zuerst die Frage, welchen Ertrag ein Fond benötigt, um seine Verpflichtungen erfüllen zu können. Dies ist davon abhängig, ob sich der Fonds in einer Defizit- oder Überschusssituation befindet, sowie von der Wachstumsrate der Verpflichtungen. Wir gingen von einer realen Wachstumsrate von 2,5% p.a. aus; sie liegt nahe am langfristigen Produktivitätswachstum und am realen Lohnwachstum für die britische Wirtschaft. Fonds in einer gravierenden Defizitsituation benötigen einen höheren Ertrag, eventuell einen oder zwei Prozentpunkte mehr. Fonds mit einem geringen oder keinem Defizit und einer beträchtlichen Anzahl von Ruheständlern (deren Renten nur entsprechend der Inflationsrate wachsen) kommen mit weniger aus. Die meisten britischen Pensionsfonds befinden sich heute in einer schwierigen Defizitsituation.

Im zweiten Schritt werden diese Angaben mit den voraussichtlichen Erträgen von Aktien und Anleihen verglichen. Hier gehen wir von britischen Staatsanleihen aus, die für die Erfüllung der Verbindlichkeiten das geringste Risiko aufweisen, wenn sie auch nicht völlig risikolos sind. Zu jeder Zeit werden die Fonds - ausgehend von ihren eigenen Erwartungen - die voraussichtliche Wertentwicklung dieser Anlagen beurteilen. In dieser Analyse gehen wir von einem langfristigen Ansatz aus; dabei wird der Ertrag eines Vermögenswerts von dem Cashflow bestimmt, den dieser generiert. Dies wird häufig als das Gordon-Wachstumsmodell bezeichnet.

Auf dieser Grundlage ist für Aktien ein Ertrag von 5,5% p.a. zu erwarten; sie schneiden somit um gut 3 Prozentpunkte besser ab als die konventionellen Gilts und um gut 3,5 Prozentpunkte besser als die indexgebundenen Gilts. Wir bezweifeln, dass dies ausreichen würde, um die Fonds zu einem Wechsel von Aktien zu Anleihen zu veranlassen. Der Ertrag für die zehnjährigen Gilts unterstellt eine durchschnittliche Inflationsrate von 2,5%; sie entspricht dem aktuellen Inflationsziel. Damit wären lediglich die Verpflichtungen eines Fonds erfüllbar, der sich nicht in einer Defizitsituation befindet. Allerdings besteht dennoch ein gewisses Risiko, da der Inflationsdurchschnitt bei einer Veränderung des konjunkturellen Umfelds oder des Inflationsziels auf über 2,5% ansteigen könnte.

Die risikolose Anlage in diesem Kontext ist indexgebunden und bietet einen realen Ertrag von 2,0%, d.h. einen halben Prozentpunkt zu wenig. Pensionsfonds könnten in indexgebundene Anleihen wechseln und ihren Beitragssatz erhöhen (d.h. Überfinanzierung), aber dies wäre mit zusätzlichen Kosten verbunden. Aktien sind zwar mit gewissen Risiken verbunden, aber sie bieten einen realen Ertrag von 5,5% - ein bedeutendes Sicherheitspolster über dem benötigten Ertrag. Da sich die meisten Fonds in einer Defizitsituation befinden, bleiben Aktien natürlich die einzig sinnvolle Anlage, solange die Fonds nicht bereit sind, ihren Beitragssatz deutlich zu erhöhen.

Auch wenn man verschiedener Meinung darüber sein kann, welche Erträge mit den verschiedenen Anlageklassen möglich sind, stellt diese Analyse klar heraus, dass die Entscheidung für einen Wechsel sowohl vom Aktien-, als auch vom Rentenmarkt abhängt. Solange Anleihen, vor allem indexgebundene, nicht eine wesentlich höhere Rendite zu bieten haben, werden die Fonds einen Wechsel nicht für vorteilhaft halten. Daher muss jede Prognose dahingehend, dass Pensionsfonds zum Beispiel bei einem Stand des FTSE-100 Index von 5.000 Punkten in großem Umfang Aktien verkaufen werden, auch die Renditen von indexgebundenen Anleihen zu diesem Zeitpunkt berücksichtigen. Für viele Fonds wären indexgebundene Renditen von 3 bis 4% erforderlich, um den Wechsel attraktiv erscheinen zu lassen. Derartige Renditen gab es zuletzt Mitte der 90-er Jahre.

Es ist möglich, dass es festere Aktienmärkte und gleichzeitig höhere reale Renditen geben wird. Eine Zunahme der erwarteten Realerträge in der Volkswirtschaft aufgrund besserer Wachstumsaussichten würde die Aktienkurse in die Höhe treiben und dürfte auch dazu führen, dass die Anleger von allen Anlagen, auch von Anleihen, höhere Renditen fordern. Die Bank of England würde vermutlich mit Zinserhöhungen auf ein stärkeres Wachstumsumfeld reagieren. Dann würde sich die Frage stellen, ob indexgebundene Anleihen attraktiv genug sind, um einen Wechsel zu rechtfertigen. Dennoch, selbst wenn das globale Wachstum kräftig zulegt, ist in der nächsten Zeit eine Rückkehr zu realen Renditen von 3 oder 4% nicht erkennbar.

Daraus ergibt sich die allgemeine Schlussfolgerung, dass der Verkauf von Aktien durch Pensionsfonds den Markt zu belasten scheint, vor allem, da die Nachfrage aus anderen Quellen (z.B. Fusionen und Übernahmen) verhalten ist. Allerdings ist wegen der geringen Renditen für britische Staatsanleihen (Gilts) jetzt ein ziemlich ungünstiger Zeitpunkt für die Abkehr von Aktien. Die Renditen bei indexgebundenen Anleihen müssen höher sein, um eine bedeutende Veränderung auszulösen.

Quelle: Schroders

Die Schroders-Gruppe ist eine führende internationale Vermögensverwaltungsgesellschaft, die 1804 gegründet wurde. Schroders verwaltet Anlagen für Pensionsfonds, Regierungsbehörden, Wohltätigkeitsorganisationen, Körperschaften, Familienunternehmen und vermögende Privatpersonen weltweit und ist ein führender Verwalter von Investmentfonds. Schroders bietet Anlagen in allen wichtigen Vermögenskategorien in entwickelten Ländern und Schwellenländern an: Aktien, Schuldtitel, Geldmarktinstrumente, Beteiligungen und Immobilien. Das weltweit verwaltete Vermögen betrug zum 31. Dezember 2002 über 135,5 Mrd. Euro.

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