Kommentar
23:30 Uhr, 25.03.2009

Schon gibt es Berichte von Kunden, die an der Supermarktkasse als Wechselgeld X-Scheine verlangen

Ich habe mir überlegt ob ich Ihnen an dieser Stelle zum 27sten mal einen Kommentar zum 15 ten Rettungsplan der US-Regierung präsentiere oder aber eine lustige Anekdote, die allerdings auch Bezug zur Finanzkrise hat. Die Entscheidung fiel mir leicht: Es ist die Geschichte vom X.

Dass man sich kein X für ein U vormachen lassen soll, hat man ja schon mal gehört. Aber dass ich am besten nur noch Euro-Scheine mit einem X vor der Seriennummer akzeptieren bzw. zumindest aufbewahren sollte, vernahm ich erstmals auf dem letztjährigen Oktoberfest. Halt, ich weiß was Sie jetzt denken – aber nein, weder ich noch mein Gesprächspartner lagen über 2,0 Promille. Und er war auch nicht Tankstellenwärter oder Kassierer, sondern Fondsmanager, durchaus mit Kontakten und Kompetenz ausgestattet.

Kurz zum Hintergrund: die EZB authorisiert zwar das Drucken von Geldscheinen in der Euro-Zone, aber den tatsächlichen Auftrag geben die nationalen Notenbanken (bei uns also die Bundesbank). Vor allem aus Gründen der vereinfachten Nummerierung – so jedenfalls die offizielle Lesart – trägt jeder Euro-Schein einen Ländercode. Deutsche Scheine sind mit einem X versehen, italienische mit einem S, griechische mit einem Y etc. Aus diesem Faktum wurde nun ein Mythos geschaffen – ich vermute, in den gleichen Reihen die auch meinen, die Mondlandung hat nicht stattgefunden, Jörg Haider wurde Opfer eines Attentats der Illuminaten und George W. Bush ist eine von Aliens kontrollierte Puppe (wobei das einiges erklären würde!)

Es geht um die Frage was passiert, wenn die Euro-Zone auseinander brechen würde. Stellen Sie sich z.B. vor – ich weiß, der Wunsch danach ist in der Bevölkerung insgeheim hoch – Deutschland würde die DM wieder einführen. Dann, so die Argumentation der X-Schein-Liebhaber, werden in Deutschland alle Euro-Scheine ohne X für wertlos erklärt! Denn nur die mit X sind ja von der Bundesbank ausgegeben…

Zurück zur Wiesn und nach Italien: Dieses nämlich, so hat mein Sitznachbar erfahren, brütet an einem Geheimplan: Es wird aus der Währungsunion austreten und nach einer logischen Sekunde(!) wieder eintreten – nicht ohne in eben jeder Sekunde um ganze 20% abzuwerten. Daher der Ekel vor italienischen Scheinen…dass der Austritt über Nacht nicht funktioniert und noch viel weniger ein Wiedereintritt (dem alle EU-Staaten zustimmen müssen) muss ich hier nicht erklären. Auch nicht dass in allen EU-Ländern im Gesetz steht: Der EURO ist gesetzliches Zahlungsmittel. Nicht der mit dem X oder S drauf…

Wäre alles halb so schlimm und auch ganz witzig, wenn jetzt nicht sogar Prominenz mit Einfluss auf den X-Zug aufspringen würde, was ich für besonders verantwortungslos halte. Prof. Max Otte, durch sein Buch „Der Crash kommt“ mit gefühlten Prophetie-Fähigkeiten ausgestattet, rät inzwischen auch von Scheinen aus schwachen EU-Staaten ab. Schon gibt es Berichte von Kunden, die an der Supermarktkasse als Wechselgeld X-Scheine verlangen! Das mögliche Chaos ist leicht vorstellbar, wenn dieses Beispiel Schule macht. Aber ich mache Herrn Otte ein Angebot: Ich nehme seine italienischen Euros und er kriegt von mir deutsche dafür – mit nur 3% Aufschlag. Das ist doch eine Occasione oder?

Daniel Kühn - Chefredaktion http://www.tradersjournal.de und CFD&Forex-Report

Keine Kommentare

Du willst kommentieren?

Die Kommentarfunktion auf stock3 ist Nutzerinnen und Nutzern mit einem unserer Abonnements vorbehalten.

  • für freie Beiträge: beliebiges Abonnement von stock3
  • für stock3 Plus-Beiträge: stock3 Plus-Abonnement
Zum Store Jetzt einloggen

Das könnte Dich auch interessieren

Über den Experten

Daniel Kühn
Daniel Kühn

Daniel Kühn ist seit 1996 aktiver Trader und Investor. Nach dem BWL-Studium entschied sich der vielseitig interessierte Börsen-Experte zunächst für eine Karriere als freier Trader und Journalist. Von 2012 bis 2023 leitete Daniel Kühn die Redaktion von stock3 (vormals GodmodeTrader). Seit 2024 schreibt er als freier Autor für stock3. Besondere Interessenschwerpunkte des überzeugten Liberalen sind politische und ökonomische Fragen und Zusammenhänge, Geldpolitik, Aktien, Hebelprodukte, Edelmetalle und Kryptowährungen sowie generell neuere technologische Entwicklungen.

Mehr Experten