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15:27 Uhr, 24.01.2024

Scholz: Europäer müssen mehr für die Ukraine tun

BERLIN (Dow Jones) - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die übrigen europäischen Länder dazu aufgefordert, mehr zur Unterstützung der Ukraine beizutragen. "Die Beiträge, die die europäischen Staaten bisher für 2024 vorgesehen haben, sind noch nicht groß genug", sagte Scholz der Wochenzeitung Die Zeit. Scholz äußerte sich "irritiert, dass ich mich in Deutschland ständig der Kritik stellen muss, die Regierung tue zu wenig und sei zu zögerlich". Deutschland tue "sehr viel mehr" als alle anderen europäischen Staaten. "Ich telefoniere deshalb gerade viel mit meinen Kollegen und bitte sie, mehr zu machen", so der Kanzler.

Deutschland mobilisiere momentan in Europa mehr als die Hälfte der bekannten Unterstützung für Waffen zur Verteidigung der Ukraine. "Es wäre Hybris, zu glauben, wir könnten das auf Dauer allein", so Scholz. Es wäre "keine gute Nachricht, wenn Deutschland, sollten die USA als Unterstützer wegfallen, am Ende der größte Unterstützer der Ukraine wäre".

Forderungen, die EU müsse eigene Atomwaffen haben, wie sie der frühere Außenminister Joschka Fischer (Grüne) erhoben hatte, erteilte der Kanzler eine Absage: "Ich weiß nicht, was diese Diskussion heute soll. Ich halte es für sehr wichtig, die transatlantische Kooperation hochzuhalten. Deshalb hat meine Regierung entschieden, die nukleare Teilhabe mit den USA und in der Nato fortzusetzen." Das halte er für den realistischeren Weg.

Regierungssprecher Steffen Hebestreit bekräftigte bei einer Pressekonferenz, Scholz habe seine europäischen Partnerinnen und Partner aufgefordert, mehr zu tun, "auf dass wir auch Lücken füllen können, die aufgrund aktueller, auch internationaler Entwicklung womöglich entstehen können". Der Kanzler habe in vielen Telefonaten und Gesprächen mit Regierungs- und Staatschefs der EU angeregt, noch einmal zu gucken, was man in den einzelnen Ländern tun könne, um die Ukraine zu unterstützen. Dies solle auch beim EU-Sondergipfel am 1. Februar ein Tagesordnungspunkt sein. Scholz habe Brüssel gebeten, eine Übersicht zu erstellen, was für dieses Jahr aus den einzelnen EU-Ländern zu erwarten sei.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte am Vortag vor den Vertretern der deutschen Ostwirtschaft die weitere Unterstützung der Ukraine betont, allerdings ebenfalls eine stärkere Beteiligung anderer Länder gefordert. "Wir sind solidarisch an der Seite der Ukraine", hatte der FDP-Vorsitzende gesagt. "Klar ist allerdings, dass nicht Deutschland allein und auf Dauer die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine aufrechterhalten kann." Es werde dabei nicht nur auf europäische Hilfen ankommen. "Auch andere werden ihre bilateralen Beiträge steigern müssen". Es bestehe auch "die Gefahr der Überdehnung unserer finanziellen Möglichkeiten", so Lindner.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

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