Scholz: EU braucht bei Banken- und Kapitalmarktunion "Sprung nach vorn"
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Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones) - Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Europäische Union (EU) zu Fortschritten bei der Banken- und bei der Kapitalmarktunion gedrängt. "Der europäische Finanzkapitalismus funktioniert nicht. Wir müssen dafür sorgen, dass er einen neuen Sprung nach vorne macht, indem wir die Kapitalmarkt- und Bankenunion schaffen und nicht nur darüber reden", forderte Scholz bei der Konferenz Europe 2024".
Die EU müsse hier "ins Machen" kommen. "Das, finde ich, muss jetzt wegkommen von diesem langsamen Prozess, der da ist", sagte Scholz. "Da wird auch in Deutschland noch über das eine oder andere Stöckchen gesprungen werden müssen." In den USA würden Unternehmen, bei denen man immer gleich an Staatssubventionen denke, "über den Kapitalmarkt geschaffen".
Scholz betonte, fast alle der großen Hightech-Unternehmen, denen man heute begegne, hätten jahrelang Milliarden konsumiert, vor allem vom Kapitalmarkt. "Da ist Geld gesammelt worden in den ganzen USA, damit man sagen kann, das ist jetzt Tesla. Die haben ewig keine Gewinne gemacht", erklärte der Kanzler. Das gelte auch für die anderen dortigen Hightech-Unternehmen. "Warum können wir das nicht, obwohl wir genauso viel Geld haben? Warum ist es so, dass es Kapitalsammelprozesse gibt, die in Europa anfangen, über die USA laufen und dann in Deutschland in einem Startup enden?", fragte Scholz.
Deshalb wolle man die Banken- und Kapitalmarktunion "entscheidend voranbringen", sagte er. "Das klingt technisch, aber ein Ende geht es darum, ob wir genug privates Kapital mobilisieren, um die Transformation unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft hin zur Klimaneutralität zum Beispiel finanzieren zu können."
In den USA, wo es einen riesigen Kapitalmarkt gebe, gelinge das, und die EU müsse hier dringend aufholen. Scholz bekräftigte zudem seine Forderung nach Reformen in einer wachsenden EU, etwa mit mehr Mehrheitsentscheidungen. "Noch im Juni soll ein Reformfahrplan stehen", betonte er. Ein handlungsfähiges Europa sei die beste Antwort auf Extremisten und Populisten.
Scholz meinte, im Bereich der Wirtschaft seien der EU bereits "echte Durchbrüche in Richtung mehr Wettbewerbsfähigkeit, mehr Innovationen und weniger Abhängigkeit gelungen". So habe die EU mit dem Chips Act und der Förderung europäischer Gemeinschaftsprojekte auf die Engpässe bei Halbleitern reagiert, die infolge der Corona-Pandemie viele Bänder zum Stillstand gebracht hätten. Besonders in Deutschland entstehe gerade eines der weltweiten Zentren der Halbleitertechnik.
Ein Meilenstein sei auch die europäische Regulierung zu Künstlicher Intelligenz, die erste umfassende weltweit. So habe sich Microsoft "nicht trotz, sondern gerade wegen dieses klaren Rahmens" dafür entschieden, in den nächsten beiden Jahren 3,2 Milliarden Euro in Deutschland zu investieren.
Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine hob Scholz hervor, dass Deutschland nach den USA die stärkste Unterstützung für die Ukraine leiste und kritisierte die in Deutschland geführte Debatte um Waffenlieferungen. "Die Debatte ist an Lächerlichkeit nicht zu überbieten", sagte der Kanzler. "Das ist peinlich für uns als Land."
Scholz betonte, nötig sei weiterhin "ein klares Signal" an den russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Wir wollen einen gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine, kein russisches Diktat", sagte er. "Dafür muss der russische Präsident verstehen, wir, unsere Partner und Verbündeten unterstützen die Ukraine so lange wie nötig."
Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com
DJG/ank/hab
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