Schnabel: Zentralbanken sollten bei QE vorsichtiger werden
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DJ EZB/Schnabel: Zentralbanken sollten bei QE vorsichtiger werden
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones) - Zentralbanken sollten nach Aussage von EZB-Direktorin Isabel Schnabel künftig genauer darauf achten, unter welchen Bedingungen sie massenhaft Wertpapiere aufkaufen, um die Finanzierungsbedingungen zu verbessern. In einer von der Bank of Japan (BoJ) organisierten Konferenz sagte Schnabel laut veröffentlichtem Text, dass eine Quantitative Lockerung (QE) bei Leitzinsen an der effektiven Untergrenze so hohe Anleihekäufe erfordere, dass daraus erhebliche und langwierige Nebenwirkungen entstünden. Zudem sei die Wirksamkeit von QE in dieser Konstellation unsicherer.
"Das bedeutet, dass die Ankaufvolumina, die erforderlich sind, um die Finanzierungsbedingungen ausreichend zu lockern, um einen Aufwärtsdruck auf die Inflation zu erzeugen, häufig beträchtlich sind", sagte sie. Im Rahmen des APP und des PEPP hätten die Anleihebestände des Eurosystems in der Spitze mehr als 5 Billionen Euro oder rund 35 Prozent der Wirtschaftsleistung erreicht.
"Ob solche großen Ankaufvolumina im Verhältnis zur Erreichung von Preisstabilität angemessen sind, hängt entscheidend von den Auswirkungen lockerer Finanzierungsbedingungen auf Wachstum und Inflation sowie von den Kosten ab, die mit der Durchführung von QE verbunden sind", merkte Schnabel an. Die Abwägung von Nutzen und Kosten stehe im Mittelpunkt der Verhältnismäßigkeitsprüfung, die die Europäische Zentralbank (EZB) für alle ihre geldpolitischen Entscheidungen durchführe.
"Zentralbanken könnten künftig mit Schocks konfrontiert werden, bei denen an der effektiven Untergrenze insbesondere nach Bilanzkrisen die optimale geldpolitische Reaktion in einem geduldigeren Ansatz besteht", sagte Schnabel. Weitere Untersuchungen seien erforderlich, um besser zu verstehen, wie sensibel die Inflationserwartungen auf die Wahrnehmung von geldpolitischen Beschränkungen wie der Zinsuntergrenze reagierten.
Als Beispiele für solche Konstellationen führte Schnabel die Wertpapierkaufprogramme der EZB an, das APP und das PEPP. Beiden bescheinigte sie, "hilfreich" gewesen zu sein, weil sie das Wachstum gehoben und Inflationsdruck erzeugt hätten. Sie sagte aber auch: "Die Vorteile könnten sich verringern, je größer der Bestand an erworbenen Vermögenswerten ist. In Zukunft müssen die Zentralbanken ein besseres Verständnis dafür entwickeln, wie die Nullzinsgrenze die Inflationserwartungen beeinflusst, bevor sie energisch darauf reagieren."
Schnabel machte zur Wirksamkeit von QE zwei Anmerkungen:
1. "QE ist am wirksamsten, wenn Banken, Haushalte, Unternehmen und Regierungen in der Lage und bereit sind, auf niedrige Zinssätze zu reagieren, wodurch die Wirtschaftstätigkeit angekurbelt und die Inflation näher an das Ziel herangeführt wird."
2. "Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Reaktionsfähigkeit der Gesamtnachfrage auf geldpolitische Schocks abnehmen kann, wenn die Zinssätze bereits niedrig sind, selbst wenn man den Zustand der Wirtschaft oder andere Störfaktoren berücksichtigt." So könnte der negative Einkommenseffekt niedriger Zinsen bremsend wirken. Zudem seien nach einer sehr langen Phase niedriger Zinsen die Möglichkeiten zum Vorziehen von Konsum begrenzt.
Zu bedenken sind nach Aussage der EZB-Direktorin auch die Nebenwirkungen von QE: Zentralbanken könnten Verluste erleiden, was die Steuerzahler belaste. Eine Verknappung von Staatsanleihen könne die Steuerung des kurzfristigen Zinses erschweren und das sogenannte Portfolio Rebalancing könne zu exzessiver Risikoneigung und erhöhter Vermögensungleichheit führen. Schnabel verwies darauf, dass die Preise von Wohnimmobilien im Euroraum zwischen 2015 und 2022 um 50 Prozent gestiegen seien.
Schnabel warnte zudem vor länger anhaltenden Effekten: Risikoprämien in vielen Marktsegmenten könnten niedrig bleiben, wodurch die Finanzierungsbedingungen lockerer ausfallen würden, als sie es sonst wären. "Dies könnte die Transmission der Geldpolitik während des jüngsten Straffungszyklus abgeschwächt haben", merkte die EZB-Direktorin an.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
DJG/hab/apo
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